• FinCEN Files badge

In den FinCEN-Files finden sich rund zwei Milliarden Euro verdächtiger Commerzbank-Zahlungen

Sanktionsumgehung, Terrorfinanzierung, Geld in Offshore-Firmen – die FinCEN-Files zeigen: Auch die deutsche Commerzbank war weltweit in bedenkliche Geschäfte verwickelt.

Die Commerzbank hat jahrelang mit Personen und Firmen zusammengearbeitet, die auf Sanktionslisten stehen, sie hat hunderte Millionen an Firmen und Personen weitergeleitet, die der Terrorfinanzierung, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung beschuldigt werden – und sie hat verdächtige Vorgänge erst nach Monaten an die Ermittlungsbehörden gemeldet. All das geht aus internen Dokumenten der US-Finanzaufsicht hervor, die von BuzzFeed News, dem ICIJ und 108 weiteren Redaktionen weltweit im Rahmen des internationalen Rechercheprojekts “FinCEN-Files” ausgewertet wurden.

Insgesamt hat BuzzFeed News Deutschland in den Dokumenten mehr als zwei Milliarden Euro an verdächtigen Zahlungen gefunden, die über Commerzbank-Konten liefen. Damit sieht sich neben der Deutschen Bank nun auch das viertgrößte deutsche Geldinstitut mit Fragen zu seiner Geldwäsche-Bekämpfung konfrontiert.

Die Vorwürfe sind besonders heikel, weil die Commerzbank seit der Finanzkrise im Jahr 2008 zu mehr als 15 Prozent dem deutschen Staat gehört. Und weil die Commerzbank schon im Jahr 2015 wegen ähnlicher Vergehen eine Milliardenstrafe an US-Behörden gezahlt hatte.

Hintergrund: Das sind die FinCEN-Files

Am Sonntag hatte BuzzFeed News Deutschland, das zur Ippen-Gruppe gehört, gemeinsam mit dem ICIJ und 108 weiteren Redaktionen weltweit Recherchen zu den FinCEN-Files veröffentlicht. In Deutschland haben NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung mit dem Datensatz recherchiert, weltweit waren es mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten. Im Zentrum der Recherche stand bislang die Deutsche Bank. Die Dokumente zeigen, dass die größten Banken der Welt genau sehen können, wann ihre Konten dazu benutzt werden, verdächtige Geschäfte abzuwickeln und interne Warnungen vor verdächtigen Konten für Betrüger, Drogenhändler, Gangster und Terroristen ignoriert werden.

Die Auswertung der Dokumente zeigt auch für die Commerzbank zahlreiche auffällige Zahlungen, über Jahre, im Wert von mehr als zwei Milliarden Dollar. BuzzFeed News hat dutzende Dokumente gefunden, in denen die Commerzbank im Zusammenhang mit verdächtigen Zahlungen erwähnt wird – im Folgenden haben wir eine Auswahl der Vorgänge zusammengetragen.

Die Commerzbank erklärte, die Vorwürfe seien bekannt. Man habe die Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche seit 2015 verstärkt, könne sich aber zu einzelnen Kundenbeziehungen nicht äußern. Eine Vertreterin des Bundes im Aufsichtsrat der Commerzbank kündigte auf Nachfrage von BuzzFeed News an, dass man sich dort mit den Vorgängen beschäftigen werde. Auch das Bundesfinanzministerium erklärte, die Vorgänge beobachten zu wollen.

Bei der Commerzbank geht es den Dokumenten zufolge um iranisches Öl, es geht um eine gute Milliarde Dollar Bargeld, die an das Assad-Regime geflossen sein könnten, es geht um hunderte Millionen Dollar für eine kasachische Minenfirma, es geht um Drogenhändler in Afghanistan und es geht um einen deutschen Porno-König.

Die FinCEN-Files sind nur ein kleiner Ausschnitt aller in den vergangenen Jahren angefertigten Verdachtsberichte. Der Leak umfasst gerade einmal 0,02 Prozent aller Verdachtsmeldungen, die die US-Behörden in dieser Zeit erhalten haben. Die Summe verdächtiger Zahlungen bei allen Banken – und damit auch bei der Commerzbank – dürfte erheblich größer sein. Gleichzeitig sind die Verdachtsmeldungen allein noch keine Beweise für Gesetzesverstöße.

Fall 1: Eine Adresse in Schottland

Für Geldwäsche-Experten dürfte vieles von dem, was nun an die Öffentlichkeit kommt, nicht neu sein. Dazu gehört auch ein kleines, graues Haus im schottischen Edinburgh. Es steht in einem der ältesten Teile der Stadt: gegenüber ein kleines Café, drumherum viele Wohnhäuser und in der Nähe das Stadion des schottischen Fußballvereins Hibernian FC. Doch so unscheinbar das Haus wirkt, so berüchtigt ist dessen Adresse: „78 Montgomery Street“ – zumindest bei Experten für Geldwäsche. Das Haus war zentraler Bestandteil in vier der größten Finanzskandale der vergangenen Jahre: Russische, aserbaidschanische und moldawische Eliten brachten Milliarden Euro illegal ins Ausland und nutzten dafür tausende Offshore-Firmen. Viele davon registriert hier: in der 78 Montgomery Street.

Eine vom moldawischen Parlament in Auftrag gegebene Untersuchung bestätigte im April 2015 den Verdacht: Gleich fünf dort angesiedelte Firmen werden darin explizit der Geldwäsche beschuldigt. Eine Bank, über deren Konten tausende Überweisungen an genau diese Adresse geschickt werden, müsste hellhörig werden. Doch bei der Commerzbank – bei der genau solche Überweisungen massenhaft aufliefen – passierte erst einmal nichts. Die FinCEN-Files zeigen: Nach dem moldawischen Untersuchungsbericht dauerte es noch fast ein ganzes Jahr, bis die Commerzbank etwas unternahm.

Erst Ende Februar 2016 schreibt ein Analyst der Commerzbank eine Verdachtsmeldung. Der Inhalt ist besorgniserregend: Von Ende Januar 2010 bis Ende November 2015 überwiesen Kunden der Commerzbank insgesamt 347 Millionen Dollar an 468 verschiedene, verdächtige Firmen, alle registriert an der 78 Montgomery Street.

Besonders spannend sind diese 2712 Überweisungen, wenn man sich den Zeitraum anschaut, in den sie fallen. Die Überweisungen liefen nämlich offenbar nicht nur noch mehrere Monate nach den Warnungen aus Moldawien weiter über die Konten der Commerzbank. Sie liefen den Dokumenten zufolge auch noch acht Monate, nachdem die Commerzbank gegenüber der US-Regierung zugesagt hatte, härter gegen Geldwäsche vorzugehen.

Im März 2015 hatte die Bank mit mehreren US-Behörden ein sogenanntes „Deferred Prosecution Agreement“ geschlossen und damit einen drohenden Strafprozess abgewendet. Um einer Strafverfolgung zu entgehen, hatte die Bank nicht nur rund 1,5 Milliarden Euro gezahlt, sondern härtere Geldwäsche-Prävention zugesagt. Zudem akzeptierte die Bank einen sogenannten „Monitor“: Einen Aufpasser, der von den US-Behörden in die Bank geschickt wird und fortan alles überwachen darf.

Es stellt sich also die Frage, warum die Commerzbank trotz dieser Vereinbarung weiter Zahlungen an Briefkastenfirmen in der 78 Montgomery Street durchgewunken hat. Die Commerzbank kann oder will diese Frage nicht beantworten: Auf Anfrage schreibt sie, man könne sich zu einzelnen Kundenbeziehungen nicht äußern.

Fall 2: Ein Milliarde Dollar – in bar

Als die New Yorker Niederlassung der Commerzbank im April 2014 ihren Bericht schreibt, laufen die verdächtigen Zahlungen, um die es darin geht, schon rund drei Jahre lang. Es geht um eine Milliarde Dollar, um einen verdächtigen Handel mit Banknoten – und es klingt wie ein schlechter Wirtschaftskrimi.

Mitarbeitern in New York war aufgefallen, dass die russische Staatsbank SVIAZ sehr viel mehr Dollarnoten bei der Commerzbank gekauft hatte, als sie im selben Zeitraum verkauft hat. Die Geschäfte mit der Bank und das, was er zu ihr finden konnte, lassen bei dem Analysten, der den Bericht schreibt, alle Alarmglocken klingeln: Die SVIAZ-Bank werde beschuldigt, Syrien-Sanktionen zu umgehen, schreibt der Analyst, die Führung der Bank sei zudem mit politisch stark vernetzten Personen besetzt und Russland ohnehin ein Hochrisikoland mit viel Geldwäsche, organisierter Kriminalität, wuchernder Korruption. Außerdem unterstütze Russland das Assad-Regime und den Krieg in Syrien. Das Mutterunternehmen der SVIAZ-Bank, die russische Staatsbank VEB, hatte stets bestritten, das Assad-Regime zu unterstützen.

Trotz all dieser – lange bekannten – Vorwürfe macht die Commerzbank mit der verdächtigen SVIAZ-Bank rege Geschäfte: Zwischen Oktober 2010 und September 2013 verkaufen Commerzbank-Filialen in Deutschland und den USA der Bank Dollarnoten im Gesamtwert von fast 1,1 Milliarden Dollar. Zurück kauft die Commerzbank von der russischen Staatsbank gerade einmal 126 Millionen Dollar.

Der Verdacht des Analysten: Weil die Commerzbank sich auf den Handel mit Dollarnoten in dieser Größenordnung eingelassen hat, könnte sie die Umgehung von Sanktionen ermöglicht und es der russischen Regierung einfacher gemacht haben, das Regime von Baschar al-Assad zu stützen. Der Verkauf der Dollarnoten hänge offenbar mit den zu der Zeit immer härter werdenden Sanktionen gegen Syrien zusammen, schreibt der Analyst. Auch andere russische Banken hätten zu der Zeit ähnliche Geschäfte getätigt – also begehrte Dollarnoten gekauft.

„Die Syrer könnten ohne russisches Geld diesen Krieg nicht führen.“

Als in der Commerzbank erstmals jemand die Verkäufe in Frage stellt, ist es Anfang April 2013. Damals fragt ein Mitarbeiter der New Yorker Niederlassung auch bei der zuständigen Abteilung in der Zentrale in Frankfurt an, ob man dort mehr zu den Hintergründen dieser Verkäufe sagen könne. „Die Antwort war im Wesentlichen, alles entspreche der üblichen Geschäftspraxis“, schreibt der Analyst in seiner Verdachtsmeldung.

Mehr als seinen Bericht fertigzustellen kann der Analyst nicht tun. Also zitiert er unter anderem einen Artikel des Wall Street Journal aus dem August 2012: Das Assad-Regime plane, russische Banken zu nutzen, um europäische und amerikanische Sanktionen zu umgehen. Er verweist auf den US Senat, der „zahlreiche Berichte“ vorliegen habe, wonach die russische Staatsbank VEB, Mutterfirma der SVIAZ-Bank, syrische Waffenkäufe erleichtert habe. Und er schreibt ein Zitat von US-Senator Richard Blumenthal in seinen Bericht: „Die Syrer könnten ohne russisches Geld diesen Krieg nicht führen.“

Trotz zahlreicher Hinweise darauf, dass die Commerzbank hier möglicherweise über Jahre die Finanzierung des Assad-Regimes zuließ, beendet die Commerzbank das Banknotengeschäft mit der SVIAZ-Bank erst fünf Monate später, im September 2013.

Fall 3: Enorme Summen aus Kasachstan

Wenn das britische „Serious Fraud Office“ (SFO) eine Untersuchung startet, dann geht es fast immer um komplexe, große, besonders harte Betrugsvorwürfe. Gut 30 Jahre gibt es die Behörde in London nun schon, die rund 500 Mitarbeiter*innen sind auf besonders schwere Fälle fokussiert. So auch Ende April 2013, als die Briten eine Untersuchung starten: Diesmal gegen die Firma Eurasian Natural Resources Corporation Limited (ENRC), eine der größten Minenfirmen der Welt. Betrug, Bestechung und Korruption stehen als Vorwürfe im Raum. Die Minenfirma gehört zu 40 Prozent dem kasachischen Staat und zu 60 Prozent drei Privatleuten mit engen Verbindungen zu Nursultan Nasarbajew, der damals seit 1990 Präsident Kasachstans ist. ENRC hat in der Vergangenheit stets jegliches Fehlverhalten abgestritten und verklagt derzeit das SFO und seine eigenen früheren Anwälte.

Gut dreieinhalb Jahre später, im November 2016, verschickt ein Analyst der New Yorker Niederlassung der Commerzbank einen Report. Zwischen Ende April 2014 und Ende April 2016 entdeckt er Überweisungen der kasachischen Minenfirma im Gesamtwert von mehr als 830 Millionen Dollar – Transaktionen, von denen der Analyst schreibt, sie seien möglicherweise verdächtig. Ihr Konto hat die Firma bei der Commerzbank AG in Frankfurt.

In dem Bericht ist von „verdächtigen Überweisungen“ ohne „erkennbaren ökonomischen, geschäftlichen oder rechtlichen Zweck“ die Rede. Mitarbeitern der New Yorker Commerzbank erschienen die Überweisungszwecke – angebliche Kredit-Rückzahlungen – als dubios.

„Die Commerzbank New York hält die Aktivitäten für potenziell verdächtig, weil die Transaktionen ein Hochrisiko-Gebiet betreffen, das für Geldwäsche und Korruption bekannt ist“, schreibt der Analyst. Und weiter: „Darlehensdokumente erscheinen nicht seriös, Zahlungen am selben Tag oder an aufeinander folgenden Tagen sind für Darlehenszahlungen ungewöhnlich.“ Das Fazit: „In Anbetracht der Vorwürfe könnten die Transaktionen mit öffentlicher Korruption in Verbindung stehen.“

Es gibt bei der Commerzbank noch mehr „ungewöhnliche“ Geldflüsse mit Verbindungen nach Kasachstan. Zum Beispiel: über Konten von Bergey Ryskaliev. Ryskaliev ist ehemaliger Gouverneur und wird im Herbst 2012 von der kasachischen Justiz beschuldigt, dutzende Millionen Euro veruntreut zu haben. Er soll Freunden und Verwandten öffentliche Aufträge vermittelt haben. Und er soll über falsche Konten ungerechtfertigte Geschäfte abgerechnet haben. Angeblich verursacht Ryskaliev so fast eine halbe Milliarde Dollar Schaden. Ryskaliev sagt, die Vorwürfe seien politisch motiviert. Im Januar 2013 ordnet ein Gericht die Beschlagnahmung von Vermögenswerten an, die Ryskaliev gehören: darunter 36 Grundstücke, 63 Gebäude, 197 Fahrzeuge und elf Bankkonten. Im Januar 2019 wurde er in Abwesenheit zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt.

Rund ein Jahr nach der Anklage und ein halbes Jahr nach der Beschlagnahmung durch die kasachische Justiz bekommt eine seiner Firmen trotzdem noch sechs Überweisungen – und zwar über ein Commerzbank-Konto. Gesamtsumme: rund 3,2 Millionen Dollar. Zwei Monate später friert die Schweiz Ryskaliyevs Konten ein.

Heute ist Ryskaliyev auf der Flucht, angeblich lebt er mit seiner Familie in London. Doch so richtig untertauchen scheint er nicht zu wollen: 2019 hat er einen Lobbyisten in DC und langjährigen Republikaner beauftragt, für ihn zu lobbyieren. Sogar Verbindungen zu den Plänen für einen Trump Tower in Moskau gibt es.

Auch die Geschichte der Temirbank aus Kasachstan könnte deutlicher kaum sein: Innerhalb von fünf Jahren wird die Bank von der kasachischen Regierung vier Mal bestraft, immer wieder wegen verschiedener Betrügereien. Schon 2007 muss die Bank das erste Mal eine Strafe zahlen, so steht es in den FinCEN-Files, weil sie an der Börse manipuliert haben soll. Trotzdem hat die Commerzbank, das zeigen die Recherchen, die Temirbank danach, im Sommer 2012, noch als Kunden aufgenommen – und ihr als allererste Transaktion gleich 15 Millionen in Bar durchgehen lassen.

Einer der umstrittensten Namen aus Kasachstan aber ist Mukhtar Ablyazov – und auch hier spielt die Commerzbank eine Rolle. Als Vorstandsvorsitzender einer der größten kasachischen Banken BTA wird ihm vorgeworfen, rund fünf Milliarden Dollar veruntreut zu haben. Die Bank meldete im Jahr 2010 Insolvenz an. Mehrere europäische Gerichte befassen sich seit Jahren mit Ablyazovs Fall. Der beteuert seit Jahren seine Unschuld und behauptet, die Anklage sei politisch motiviert.

Trotz allem liefen mehrere mit Ablyazov verbundene Überweisungen über Konten der Commerzbank. So überwies die in Zypern registrierte Colligate Investments Ltd Anfang Oktober 2012 fast fünf Millionen Dollar auf ein Konto in Lettland. Colligate ist eines der Unternehmen, das angeblich von Ablyazov benutzt wurde, um Geld zu waschen. In einem weiteren Verdachtsreport taucht Alexander Volkov auf, der zum Zeitpunkt der Überweisung im März 2011 von mehreren Ländern mit Haftbefehl gesucht wird – wegen seiner Verbindungen zu Ablyazov. Die russische Commerzbank Eurasija hat mehr als 23 Millionen Dollar an Überweisungen an eine Firma möglich gemacht, die zu einem großen Teil Volkov gehört.

Von Drogen und Oligarchen…

Von diesen und ähnlichen Geschichten gibt es zahllose in den FinCEN-Files. Immer wieder beschreiben Analysten eine Vielzahl von Warnsignalen, immer wieder laufen die Zahlungen über Jahre weiter. Mitunter werden sie sogar dann noch fortgeführt, wenn gegen Firmen offiziell ermittelt wird, wenn sie auf Sanktionslisten stehen oder Geschäftsführer auf der Flucht sind.

So auch in einem Fall, den ein Analyst der Standard Chartered Bank im Sommer 2013 in eine Verdachtsmeldung schreibt. Es geht um 14 Millionen Dollar, aufgeteilt auf 201 Überweisungen. Der Analyst nennt zwei Konten der Afgan United Bank. Diese habe Konten der Commerzbank in Frankfurt und den USA genutzt, um Geld zu überweisen. Das Problem: Die Afgan United Bank stand zu diesem Zeitpunkt bereits unter dringendem Korruptionsverdacht. Zwei Jahre vorher hatten die USA Top-Manager der Bank offiziell als „Rauschgiftbosse" eingestuft und US-Bürgern jegliche Geschäftsbeziehung mit den Genannten untersagt. Damit steht der Verdacht im Raum, dass Geld der Afghan United Bank über mehrere andere Banken erst an die Commerzbank in Deutschland und dann an die Commerzbank in den USA geleitet wurde – möglicherweise, um diese Sanktionen zu umgehen.

In den Dokumenten findet sich ein weiterer Verdacht, der sich auf Drogenhändler in Afghanistan bezieht. Es geht um die Firma Watan Gas, hinter der zwei angeblich korrupte Verwandte des ehemaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karzai stecken. Die beiden sollen im großen Stil Drogen verkauft haben, bestreiten jedoch, Geld an die Taliban bezahlt zu haben. Zumindest einer der beiden saß in den USA fast zehn Jahre lang wegen Heroinschmuggels im Gefängnis. Die Bank of America sah in den folgenden Jahren bei Überweisungen über 3,5 Millionen Dollar gleich mehrere eindeutige Anzeichen für Korruption, darunter die Nutzung verschiedener Konten und Banken sowie von Offshore-Firmen – doch die Commerzbank hatte das Geld trotzdem durchgelassen.

Auch mit einigen der reichsten Menschen Osteuropas machte die Commerzbank über Jahre Geschäfte – trotz zahlreicher Alarmsignale. Einer davon: Oleg Deripaska, dem unter anderem Rusal gehört, die zweitgrößte Aluminiumfirma der Welt. Seit Jahren wird Deripaska mit Geldwäsche, Korruption und Erpressung in Verbindung gebracht. Seit April 2018 steht er auf einer Sanktionsliste der USA, sein Vermögen wurde eingefroren. Deripaska bestreitet, an Geldwäsche oder sonstigen illegalen Finanzaktivitäten beteiligt gewesen zu sein und verklagt die US-Regierung mit dem Ziel, gegen ihn verhängte Sanktionen zu beenden.

Den FinCEN-Files zufolge meldeten Compliance-Mitarbeiter der Commerzbank schon zwischen 2011 und 2016 Bedenken an: Sie hatten 22 Transaktionen in Verbindung mit Deripaska entdeckt, über insgesamt fast fünf Millionen Dollar, die über Banken abgewickelt wurden, mit denen die Commerzbank eine Korrespondenzbeziehung unterhält oder unterhielt.

Auch dem ukrainischen Geschäftsmann Dmitro Firtasch werden seit Jahren von Behörden verschiedener Staaten schwere Rechtsverstöße vorgeworfen – darunter Bestechung und Korruption, Geldwäsche sowie Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung: Er soll enge Verbindungen zur russischen Mafia haben. Als Mittelsmann für die Firma Gazprom schleuste er angeblich Geld in die Ukraine, um dort pro-russische Kandidat*innen zu unterstützen. Schon im März 2014 wurde Firtasch zum ersten Mal in Österreich verhaftet. Anwälte für Dmitro Firtasch schrieben auf Anfrage des ORF, einem der Medienpartner der FinCEN-Files-Recherchen, Firtasch werde sich nicht zu Inhalten unrechtmäßig erhaltener Suspicious Activity Reports äußern. Er habe jedoch bereits mehrfach öffentlich erklärt, dass er keine Verbindung zu dem russischen Mafiaboss Semyon Mogilevich habe.

Compliance-Mitarbeiter*innen der Commerzbank fielen den Dokumenten zufolge zwischen 2012 und 2015 ganze 25 Transaktionen im Zusammenhang mit Firtasch auf, im Wert von insgesamt mehr als 13,5 Millionen Dollar. Die Überweisungen wurden über Banken abgewickelt, mit denen die Commerzbank eine Korrespondenzbeziehung unterhält oder unterhielt.

… zu Online-Betrug und Porno-Business

Den FinCEN-Files zufolge machte die Commerzbank in der Vergangenheit auch Überweisungen für klassische Betrugsmaschen möglich. Seit Mitte der 90er Jahre half eine Gruppe kanadischer Firmen mutmaßlich dabei, ältere Menschen zu betrügen. Der Trick: massenhaft Briefe, die angebliche Preise und Geldgewinne versprachen. Gegen eine kleine Vorab-Gebühr wurden große Auszahlungen angekündigt, aber nicht eingehalten – so steht es zumindest in einer Anklage des US-Justizministeriums. Das erschlichene Geld der Rentner verteilte dann die Firma PacNet. Die kanadische Firma gründete mehrere Unterfirmen, betrieb Konten bei verschiedenen Banken – und wurde dabei offenbar selber reich. Zwei dieser betrügerischen Firmen waren „International Payouts Systems Inc“ und „Chexx America Inc“.

In der Compliance-Abteilung der Commerzbank New York waren Zahlungen von mehr als 100 Millionen Euro aufgefallen, zwischen Herbst 2013 und Herbst 2016, die unter anderem über Konten der Commerzbank AG in Frankfurt liefen. Dabei gab es in diesen Jahren schon zahlreiche Verdachtsmomente gegen die beteiligten Firmen. So war den Mitarbeiter*innen schon damals nicht klar, wer wirklich hinter den Firmen steckt. Empfänger von Überweisungen hatten ihren Sitz in Steuerparadiesen wie den Britischen Jungferninseln und kleinen Karibikinseln, es wurden zahlreiche Überweisungen am selben Tag und zwischen denselben Firmen getätigt und die Überweisungen hatten eine verdächtige Struktur – so dass beispielsweise viele Transaktionen knapp unter 10.000 Euro lagen. Zudem konnten die Compliance-Mitarbeiter*innen aus den Betreffs der Überweisungen nicht erkennen, wofür die Überweisungen eigentlich sein sollten. Die US-Behörden klagten die Hintermänner des Betrugs schließlich im Juni 2019 an.

Und schließlich gibt es in den Commerzbank-Berichten noch einen ehemaligen „Porno-König“. Der deutsche Investor dominierte vor einem Jahrzehnt die Porno-Webseiten im Internet. Ihm gehörte die vielleicht bekannteste Seite YouPorn, er kaufte mit einem Kredit der Investment-Bank Goldman Sachs zahlreiche große Produktionsfirmen – und hinterzog dabei massiv Steuern. Reporter der Welt berichteten damals über verdächtige Firmenkonstrukte und mögliche Steuerhinterziehung, im Dezember 2012 wurde der Porno-König in Belgien festgenommen. Nur gegen eine zweistellige Millionen-Kaution durfte er wieder gehen, später zahlte er mehr als 30 Millionen Euro und bekam eine Bewährungsstrafe.

Eine der Firmen, die der Mann den FinCEN-Files zufolge früher besaß, war die Bridco Trading Limited. Für diese Firma soll die Commerzbank AG in Hamburg insgesamt knapp elf Millionen Dollar transferiert haben. Geflossen sind die Gelder von November 2012 bis August 2014 und damit lange Zeit nachdem der Porno-König bereits wegen Steuerhinterziehung verhaftet worden war.

Die Commerzbank und die Behörden: Eine Geschichte mit vielen Kapiteln

Die FinCEN-Files sind nicht das erste Mal, dass die Commerzbank wegen offenbar mangelnder Bekämpfung von Geldwäsche in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Nachdem mehrere US-Behörden bereits seit 2010 gegen die Bank ermittelt hatten, hatte die Commerzbank im Jahr 2015 Gesetzesverstöße eingeräumt – und ein sogenanntes „Deferred Prosecution Agreement“ unterzeichnet, einen Deal mit der Anklage. Weil die Commerzbank darin bestimmte Vorwürfe einräumte, sich bereit erklärte, eine Strafe zu zahlen und bestimmte Anforderungen zu erfüllen, verzichteten die Behörden im Gegenzug auf Strafverfolgung.

Die Commerzbank hatte den Ermittlern zufolge unter anderem hunderte Millionen Dollar iranisches und sudanesisches Geld in die USA gebracht und dabei so getan, als komme dieses Geld gar nicht aus dem Iran und dem Sudan. Damit konnten zum Beispiel Schiffs- oder Ölfirmen die Sanktionen gegen den Iran umgehen. Angestellte der Commerzbank seien extra instruiert worden, was sie tun mussten, damit all das nicht auffällt: etwa bei Überweisungen Informationen wegzulassen oder Scheinrechnungen zu stellen, damit der Sanktionsbruch nicht auffällt.

Auch eine der uns vorliegenden Verdachtsmeldungen deutet darauf hin, dass die Commerzbank die Iran-Sanktionen umgangen haben könnte. Im Frühjahr 2014 schreibt ein Analyst der Bank of New York Mellon, er habe verdächtige Zahlungen über 109 Millionen Dollar entdeckt. Der Bericht listet zahlreiche Geldflüsse auf. Von diesen diversen Überweisungen ging eine Überweisung über 23,7 Millionen Dollar von einer Firma namens SAMCO ZETA LTD bei der DNB NOR BANK durch die Commerzbank. Das war am 28. September 2012 – da galten bereits Sanktionen der EU für den Iran.

Die Commerzbank hatte den Ermittlern gegenüber schließlich eingeräumt, dass ranghohe Mitglieder des Managements über die Praktiken informiert waren. Und dass die Bank nach den Iran-Sanktionen der US-Regierung und dem darauf folgenden Rückzug zahlreicher anderer Banken genau darin ein Geschäftsgelegenheit gewittert habe.

In dem Bericht heißt es:

"In July 2003, a Back Office employee emailed other employees explaining that two state-owned Iranian banks, Bank Melli and Bank Saderat, wanted to begin routing their entire USD clearing business through Commerz. The Back Office employee closed his email by writing, ‘If for whatever reason CB New York inquires why our turnover has increase [sic] so dramatically under no circumstances may anyone mention that there is a connection to the clearing o f Iranian banks!!!!!!!!!!!!!’ (emphasis in original). This Back Office employee sent the email at the direction of the Financial Institutions Group, a large group within Commerz responsible for servicing Commerz's financial institution clients, including the Iranian banks."

Als all das aufflog, zahlte die Commerzbank im Jahr 2015 insgesamt rund 1,5 Milliarden Dollar an verschiedene US-Behörden und sicherte zu, in Zukunft viel stärker gegen Geldwäsche vorzugehen. Sollte sich die Commerzbank in den kommenden zwei Jahren, also bis März 2017, nicht daran halten, so steht es in der Vereinbarung, gehen die Ermittlungen des Justizministeriums wieder los. Später wurde diese Frist nochmals verlängert. Ein von den US-Behörden extra eingesetzter Aufpasser hatte die Bank erst Anfang 2019 wieder verlassen.

Die an BuzzFeed News geleakten Unterlagen zeigen nun: Es gibt Zweifel daran, wie effektiv die Commerzbank in der Folge wirklich gegen Geldwäsche vorgegangen ist. Auch Unterlagen der Finanzaufsicht in London belegen, dass die Commerzbank noch nach 2015 Probleme mit der Prüfung möglicher Geldwäsche-Fälle hatte. So hatte die Londoner Filiale der Commerzbank Mitte 2016 nur drei Mitarbeiter, um mögliche Fälle von Finanzkriminalität ihrer Kunden zu prüfen. Das geht aus einem aktuellen Prüfbericht der britischen Finanzaufsicht FCA hervor. Zwischenzeitlich führte die Commerzbank eine Liste mit mehr als 2000 Kunden, deren Geschäfte längst hätten überprüft werden müssen, für deren Prüfung aber keine Kapazitäten vorhanden waren. Teilweise dauerte es Jahre, bis diese eigentlich vorgeschriebenen Prüfungen – sogenannte „Know-Your-Customer-Checks“ – nachgeholt wurden. Im Jahr 2017 stellte die Commerzbank schließlich rund 40 neue Leute ein, um gegen Finanzkriminalität vorzugehen.

Im Sommer 2020 zahlte die Commerzbank rund 40 Millionen Euro Strafe an die Briten. Die Strafzahlung war von den Behörden eigentlich niedriger festgesetzt, wurde allerdings explizit mit dem Hinweis darauf erhöht, die Bank habe bei verschiedenen Gelegenheiten auch in anderen Ländern mehrfach gesagt bekommen, was sie wie zu verbessern habe. In ihrem Abschlussbericht schrieb die britische Finanzaufsicht FCA letztlich, die Commerzbank sei eine „völlig andere Bank als noch vor drei Jahren“.

Aufsichtsgremien wollen prüfen

BuzzFeed News hat die die Commerzbank mit all den Vorwürfen und Ergebnissen der Recherche konfrontiert. Die Antwort der Bank: Alles Schnee von gestern. Die Vorwürfe seien bekannt „und beruhen vollumfänglich auf von der Commerzbank überwiegend im Zeitraum 2010 bis 2016 getätigten Meldungen an die zuständigen Behörden.“ Seit 2015 habe die Commerzbank die Geldwäsche-Bekämpfung „gezielt verstärkt, mehr als 800 Millionen Euro investiert und die Zahl der Mitarbeiter deutlich erhöht.“ Zu konkreten Kundenbeziehungen wollte sich die Commerzbank aufgrund des Bankgeheimnisses und des Geldwäschegesetzes nicht äußern.

Die FinCEN-Files und die Recherchen werden die Bank dennoch beschäftigen. „Die von Ihnen beschriebenen Vorgänge, die auf Meldungen der Bank beruhen, wurden mir von der Commerzbank bestätigt“, schreibt Jutta Dönges, die als Vertreterin des Bundes im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt. Dönges kündigte an, der Aufsichtsrat werde sich als Reaktion auf die Recherchen von BuzzFeed News mit den Vorgängen befassen. Die Recherchen würden zum Anlass genommen, um sich „vom heutigen Vorstand aktuell informieren zu lassen, inwieweit sichergestellt ist, dass derartige Vorgänge heute effizienter identifiziert und gemeldet werden.“

Auch das Bundesfinanzministerium erklärte, dass die Commerzbank ihre Geldwäsche-Bekämpfung seit 2015 verbessert habe, betonte aber auch: „Die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Commerzbank werden im Rahmen ihrer unabhängigen Mandatsausübung aufmerksam verfolgen, ob weitere Anpassungen des Compliance-Systems der Commerzbank erforderlich sind.“

Die für die Bankenaufsicht in Deutschland zuständige BaFin erklärte, die Commerzbank AG werde als eine der größten deutschen Banken von der BaFin mit besonderer Aufmerksamkeit beaufsichtigt. Innerhalb der Abteilung für Geldwäscheprävention sei dafür 2018 ein eigenes Referat für die Aufsicht über besonders große Kreditinstitute geschaffen worden. „Wir werden die vorgelegten Informationen näher prüfen und Hinweisen auf Defizite bei der Geldwäscheprävention bei der Commerzbank AG nachgehen“, so eine BaFin-Sprecherin weiter.


BuzzFeed News hat die FinCEN-Files mit mehr als 100 Redaktion weltweit geteilt. Wollen auch Sie uns vertrauliche Informationen senden? Melden Sie sich bei uns unter recherche@buzzfeed.com!

Bitte beachten Sie: Unverschlüsselte Mails können Informationen über Sie preisgeben, auch Dritten. Sichere und anonyme Möglichkeiten, uns zu erreichen, finden Sie hier. BuzzFeed News Deutschland berichtet weiter über Korruption und Machtmissbrauch. Wenn Sie uns dabei unterstützen wollen: Wir behandeln Ihre Hinweise vertraulich.