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Parteien wollen zusammenarbeiten, um Paragraf 219a abzuschaffen

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Die verurteilte Ärztin Kristina Hänel hat dem Bundestag 150.000 Unterschriften übergeben, damit sie öffentlich über Abtreibungen informieren darf. Schon morgen früh gibt es darüber eine Debatte im Bundestag.

Die verurteilte Ärztin Kristina Hänel hat heute 150.000 Unterschriften gegen den umstrittenen Paragrafen 219a an den Bundestag übergeben. Der Paragraf stellt es unter Strafe, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben.

Mehrere Politikerinnen und Politiker nahmen die Unterschriften vor dem Reichstag entgegen und sprachen sich für eine Abschaffung des Paragrafen 219a aus. Dort demonstrierten auch etwa ein Dutzend Abtreibungsgegner.

Schon am Mittwochmorgen wird hierzu ein Gespräch im Bundestag stattfinden. Politikerinnen aus SPD, Grünen, Linke und FDP fordern eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit.

Kristina Hänel mit Bundestagsabgeordneten

Von links nach rechts: Eva Högl (SPD) Cornelia Möhring (Linke), Katja Kipping (Linke), Kristina Hänel, Ulle Schauws (Grüne), Renate Künast (Grüne). © BuzzFeed News

Die Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping sagte BuzzFeed News, die 150.000 Unterschriften seien „ein großer Erfolg und ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der wir eine kulturelle Konterrevolution erleben. Vieles, was von der Frauenbewegung erkämpft wurde, soll wieder rückgängig gemacht werden.“

Optimistisch stimme sie, dass Kolleginnen aus SPD, Grünen und FDP anwesend seien. Kipping nannte die derzeitige geschäftsführende Regierung eine besondere Situation: „Wir haben keinen Fraktionszwang. Das heißt wir können jetzt bei der Abschaffung des Paragrafen 219a fraktionsübergreifend zusammenarbeiten.“ Das sei nun notwendig.

Über das Urteil von Kristina Hänel habe sie sich sehr geärgert. „Ich habe das als Handlungsauftrag verstanden, dass wir die überfällige Streichung des Paragrafen politisch durchsetzen.“

Katja Kipping (Linke): „Wir müssen jetzt fraktionsübergreifend zusammenarbeiten.“

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Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte BuzzFeed News: „Wir zeigen heute Solidarität mit Kristina Hänel.“ Frauen müssten das Recht haben, sich objektiv über Schwangerschaftsabbrüche informieren zu können. Durch die Verurteilung von Hänel sei hier eine rechtliche Grauzone entstanden. „Der Gesetzgeber ist gefragt. Die SPD hat beschlossen, dass sie 219a aus dem Gesetzbuch streichen möchte.“ Dies hatte die SPD-Bundestagsfraktion am Montag beschlossen. Auch eine Reform des Gesetzes sei als Kompromiss denkbar, so Högl.

Eva Högl (SPD): „Wir zeigen heute Solidarität mit Kristina Hänel.“

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Die Grünen-Abgeordente Renate Künast sagte vor dem Reichstag, der 219a sei „eine unmögliche Regelung, die Frauen einfach nicht akzeptieren können.“ Frauen dürften nicht immer „das scharfe Schwert der Strafbarkeit im Nacken“ haben. Mit dem Paragrafen 218, der Abtreibungen während der ersten drei Monate, gebe es eine klare Regelung. „Und es kann nicht sein, dass der Paragraf 219a es bestraft, wenn ein Arzt faktisch darüber informiert.“

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen Ulle Schauws sagte BuzzFeed News, es gehe nicht darum, die Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen voranzutreiben. Deshalb müssten am Mittwoch auch mögliche Sanktionen gegen Werbung von Abtreibung geklärt werden. Dies müsse jedoch außerhalb des Strafgesetzes geschehen. „Ich bewundere den Mut und die Entschlossenheit von Kristina Hänel.“ Jetzt liege es in der Verantwortung des Bundestages, nicht auf eine Klage oder Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu warten. „Wir haben jetzt einen Job zu tun.“

Ulle Schauws (Grüne): „Wir haben jetzt einen Job zu tun.“

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Kristina Hänel sagte vor dem Reichstag: „Entweder der Bundestag oder das Bundesverfassungsgericht wird dafür sorgen, dass das Informationsrecht in der Realität umgesetzt werden kann.“

Am Mittwochmorgen findet im Bundestag eine fraktionsübergreifende Debatte über den umstrittenen Paragrafen statt. Die AfD wird nach Aussage der SPD-Abgeordneten Eva Högl nicht teilnehmen.

Kristina Hänel: „Wenn es einen faulen Kompromiss gibt, gehe ich vor das Bundesverfassungsgericht.“

BuzzFeed.de © change.org

SPD, Grüne und Linke haben bereits Gesetzesentwürfe für eine Reform beziehungsweise Abschaffung des Paragrafen vorgelegt. Auf Anfrage von BuzzFeed News an alle Bundestagsfraktionen könnte es eine politische Mehrheit für eine Reform oder Abschaffung geben. Die CDU/CSU ist gegen eine Abschaffung des Paragrafen.

Wichtig dürfte deshalb auch sein, wie sich die FDP zu einer möglichen Abschaffung des Paragrafen verhält. Katja Suding, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, sagte BuzzFeed News, sie sei für eine Abschaffung. „Ich möchte dass sich Frauen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, wenn sie eine Beratung über so eine Dienstleistung suchen, schnell und kompetent Hilfe finden.“

In ihrer Fraktion sei das Thema bislang nicht breit diskutiert worden. Die zuständigen Fraktionsvorsitzenden hätten sich nun darüber ausgetauscht. „Wir sind uns da einig und denken schon, dass wir klar eine Mehrheit organisieren können“.

Auch das Berlin hat mittlerweile einen Gesetzentwurf erarbeitet, der nun in den Bundesrat eingebracht werden soll, meldete am Dienstag die dpa.

Kristina Hänel hofft nun auf eine schnelle Abschaffung des Paragrafen. In einer Pressekonferenz im Anschluss an die Petitionsübergabe sagte sie, wenn es politisch zu einem „faulen Kompromiss käme", werde sie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Damit spielt sie auf eine mögliche Reform an, die beinhalten könnte, das Werbeverbot für Abtreibungen nur zu entschärfen, statt es ganz abzuschaffen.

Kristina Hänel mit der Unterschriftenkampagne und Politikerinnen und Politikern vor dem Reichstag.

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Die Ärztin verkündete außerdem, dass sie sich nun aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde und nicht weiter für Interviews zur Verfügung stehe. Sie bedankte sich bei der anwesenden Presse für die Berichterstattung. Nun sei die Politik gefragt. „Wir haben unsere Schuldigkeit getan“.

Kristina Hänel wurde am 24. November zu 6000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Webseite Informationen zum Schwangerschaftsabbruch verlinkt hatte. Laut Paragraf 219a ist das strafbar. Die Unterschriften hatte Kristina Hänel mit einer Petition des gemeinnützigen Vereins change.org gesammelt.

Unterstützerinnen am Dienstagmorgen vor dem Bundestag

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