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Diese Gewaltaufrufe zeigen, dass die Polizei wissen musste, dass sie zu wenig Beamte in Chemnitz hatte

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Rechte Seiten aus ganz Deutschland – und sogar Polen – riefen zum Kampf auf. Hier dokumentieren wir die Beiträge.

Die Polizei Sachsen war auf der „Pro Chemnitz“ Demonstration mit 591 Beamten im Einsatz. Diese Beamten standen nach eigenen Angaben rund 6.000 Demonstranten und 1.500 Gegendemonstranten gegenüber. 18 Demonstranten wurden verletzt.

Gegenüber der Deutschen Presseagentur hatte die Polizei bereits Montagabend eingeräumt, dass sie die Zahl der Demonstranten unterschätzt und nur mit einigen hundert Menschen gerechnet hatte.

Dabei hätte die Polizei wissen können, dass zahlreiche gewaltbereite Rechtsextreme auf dem Weg nach Chemnitz sind. Auf Facebook und Twitter war viele Stunden vorher einsehbar, dass die Aufrufe zur Demonstration tausendfach geteilt wurden – häufig von Nazigrößen oder extrem rechten Gruppen, kommentiert mit Gewaltaufrufen. BuzzFeed News Deutschland hat einige dieser Gewaltaufrufe beispielhaft zusammengetragen.

Bereits am Montagmittag schrieb der freie Journalist Johannes Grunert:

Auf der rechten Facebook-Seite „Heimat und Tradition Erzgebirge“ wurde der Aufruf über tausendmal geteilt, unter anderem durch andere Seiten mit vielen tausend Followern, wie „Sachsen stellt sich quer, Asylmissbrauch stoppen“, „Politikversagen“ und „Zeig Flagge - Deutschland“. Auch auf der rechten Seite Blog.Halle-Leaks.de fand er Verbreitung.

Aufrufe von Nazigrößen und rechten Organisationen aus ganz Deutschland

Im Vorfeld der Demonstrationen hatten Organisationen und Parteien wie „Die Rechte“, der „Dritte Weg“, die NPD, rechte Facebook-Gruppen wie „Wir für Deutschland“, die „Jungen Nationalisten“ und verschiedene rechtsradikale Kameradschaften auf ihren Webseiten und in sozialen Medien mobil gemacht. Am Montagnachmittag schrieb die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ auf ihrer Homepage:

„Die mörderische Ausländergewalt hat das Faß zum Überlaufen gebracht – Jetzt reicht es, jetzt wird Widerstand geleistet! Heute wird Geschichte geschrieben – Auf nach Chemnitz!“

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Auf Facebook rief der sächsische AfD-Politiker Bernhard Wedlich zum „Kampf“ auf.

Wedlich gehört einer Gruppierung namens „AntiAntifa“ an, die laut einer kleinen Anfrage der Grünen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. © Screenshot: BuzzFeed News

Unter einem anderen Post von Wedlich wurde am Samstag dazu aufgerufen, das Rathaus zu stürmen.

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Auch ein Landtagsabgeordneter der AfD in Mecklenburg-Vorpommern sprach davon, die „Heimat gegen die zu verteidigen, die hier nicht hingehören“.

Auch dieser Post wurde hundertfach geteilt und geliked. © Screenshot: BuzzFeed News

Sogar auf Polnisch wurde zur „Jagd“ auf Migranten gerufen. Man solle ein „Kampfoutfit“ anziehen.

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Der Aufruf „Wir holen uns Chemnitz zurück“ wurde in zahlreichen – für Gewalt bekannten – rechten Gruppen und Facebook-Seiten verbreitet und häufig hundertfach geteilt. Darunter von der Facebook-Seite „Schutzzone“ und der Partei „Die Rechte“. Die Facebook-Seite von „Die Rechte-Bund“ war am Dienstagmorgen für BuzzFeed News nicht aufrufbar.

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Auch namhafte Neonazis machten auf ihren Seiten für die Demonstration mobil, darunter Sebastian Schmidtke von der NPD Berlin und Tommy Frenck, ehemaliger NPD-Politiker. Frenck berichtete später auf Facebook live über die Demonstration, mehr als 200.000 Menschen schauten ihm dabei zu.

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In den Kommentaren unter Frencks Post kündigten sich auch rechtsextreme Kameradschaften aus Sachsen an.

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Auch der bekannte Neonazi Sascha Krolzig rief auf Twitter zur Demo auf.

Krolzig kommt aus der Kameradschaftsszene in NRW und wurde bereits wegen Körperverletzung und Volksverhetzung angeklagt. © Screenshot: BuzzFeed News

Die „Autonomen Nationalen Groß-Gerau“ sprachen in ihrem Aufruf von Bürgerkrieg.

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Andere Facebook-Nutzer schrieben davon, dass die Wetterverhältnisse ideal zum Schießen seien.

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Nächste Demonstration für Donnerstag angekündigt

Schon jetzt gibt es erste Aufrufe für erneute Demonstrationen in den kommenden Tagen. Die Partei „Pro Chemnitz“ hat zu einer Versammlung am Donnerstag aufgerufen, wie Fraktionsgeschäftsführer Benjamin Jahn Zschocke gegenüber BuzzFeed News telefonisch bestätigte. Am Donnerstag um 19 Uhr treffen sich Ministerpräsident Michael Kretschmer und die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig mit Bürgern und Bürgerinnen zum sogenannten „Sachsengespräch“ im Stadion Chemnitz.

„Wir halten es für angebracht, dem Ministerpräsident zu zeigen, was die Chemnitzer Bevölkerung von der Flüchtlingspolitik halten, nämlich nichts“, so Jahn Zschocke über die geplante Demonstration. Die Partei rechne mit ähnlichen Teilnehmerzahlen wie am Montagabend, als „Pro Chemnitz“ mehrere Tausend rechte und rechtsextreme Menschen mobilisiert hatte.

Die Polizei war für BuzzFeed News am Dienstag telefonisch nicht zu erreichen. In ihren Veröffentlichung hat sie bislang nicht bekannt gegeben, welche Lehren Sie aus den Auseinandersetzungen am Montagabend in Chemnitz zieht oder wie sie ihre Vorbereitung auf mögliche weitere Auseinandersetzungen in den kommenden Tagen anpassen will.

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