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Eine interne Umfrage an einem Max-Planck-Institut offenbart Mobbing und sexuelle Belästigung in der Wissenschaft

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Junge Wissenschaftler fordern sichtbare Konsequenzen für die Direktoren.

Junge Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching beklagen eine Atmosphäre der Angst, Mobbing und sexuelle Belästigung. Mehr als ein Drittel der befragten Forscher sagen in einer noch nicht veröffentlichen Umfrage, dass die Vorgänge am Institut ihre Lust auf eine Karriere in der Wissenschaft negativ beeinflusst hätten. Sie fordern schärfere Konsequenzen für die verantwortlichen Direktoren.

Die Umfrage ist eine Reaktion auf Mobbing-Vorwürfe gegen die international bekannte Astrophysikerin Guinevere Kauffmann. Kauffmann ist Direktorin des Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und soll nach Recherchen von BuzzFeed News Deutschland seit Jahren Studierende und Wissenschaftler mobben. Darüber hatte zuvor auch der Spiegel berichtet.

Die Max-Planck-Gesellschaft und das Institut reagierten nur auf Druck von Berichterstattung, veränderten aber aus sich heraus zu wenig, kritisieren die Wissenschaftler.

Die Umfrage soll offenbar kommenden Freitag im Institut vorgestellt werden, BuzzFeed News Deutschland veröffentlicht sie schon heute.

Die Max-Planck-Gesellschaft teilte BuzzFeed News in der vergangenen Woche mit, die Missstände seien abgestellt worden. Aktuelle Probleme gäbe es keine mehr. In der Umfrage geben allerdings drei Personen an, gemobbt worden zu sein. Konkret sei es dabei um Diskriminierung von Frauen und Beschimpfungen gegangen. Die Studierendenvertreter, die die Umfrage erstellt haben, sprechen insgesamt von einem „beunruhigenden Trend“ für Frauen am Institut.

Zwei weitere Befragte geben an, sexuell belästigt worden zu sein. Es heißt: „Die Betroffenen geben an, dass es zu ungewollten körperlichen Kontakt gekommen ist.“ Dies habe sowohl das berufliche, als auch private Leben der Personen belastet. Eine der Betroffenen gibt an, psychotherapeutische Behandlung benötigt zu haben. Auch dem Spiegel gegenüber hatten drei Wissenschaftlerinnen angegeben, von einem Professor am Institut sexuell belästigt worden zu sein.

BuzzFeed News hat die Max-Planck-Gesellschaft und das betroffene Institut für Astrophysik in Garching gebeten, die Ergebnisse der Umfrage zu bewerten. Die Pressesprecherin der Max-Planck-Gesellschaft, Christina Beck schreibt:

„Der Survey gibt uns leider keine Anhaltspunkte über den Zeitpunkt und die betroffene Abteilung oder Forschungsgruppe. Selbstverständlich nehmen wir die Vorwürfe sehr ernst. Für uns steht nun die Frage im Raum, wie wir zu einer Konkretisierung dieser Vorwürfe kommen können, damit wir verantwortungsvoll damit umgehen und angemessene Maßnahmen ergreifen können. Die ersten Schritte dazu sind in Vorbereitung.“

Dem Wissenschaftsmagazin Nature gegenüber sagte Beck in der vergangenen Woche, dass das Beschwerdesystem der Max-Planck-Gesellschaft versagt habe, falls die Umfrage bestätigt, dass es weiterhin zu Mobbing kommt. Sei dies der Fall, werde die Gesellschaft eine Anwaltskanzlei mit Untersuchungen beauftragen, so Beck in Nature.

Haben Sie während Ihrer Zeit am MPA Mobbing durch Ihren Chef oder Betreuer erlebt?

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In der Umfrage geben drei Personen an, von ihrem Chef oder Betreuer gemobbt worden zu sein. Die Betroffenen berichten von Beschimpfungen, Misstrauen und Diskriminierung weiblicher Forscherinnen. Am Institut herrsche eine „starke Atmosphäre der Angst“, die dadurch entstehe, dass junge Wissenschaftler mitbekommen, was anderen passiert ist.

Mehr als 60 Prozent de Befragten geben an, dass sie eine betroffene Person kennen oder vom Mobbing anderer gehört haben. Insgesamt wurden 120 Masterstudierende, Doktoranden und Post-Docs des Instituts angeschrieben, 61 nahmen an der Umfrage teil.

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Zwei Betroffene geben an, sexuell belästigt worden zu sein. Gleichzeitig haben 21 Prozent von sexueller Belästigung am Institut gehört oder kennen eine betroffene Person.

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Das bestätigt Aussagen von rund einem Dutzend Wissenschaftlern und Doktoranden, mit denen BuzzFeed News gesprochen hat und die Probleme mit Mobbing und sexueller Belästigung am Institut für Astrophysik als „offenes Geheimnis“ in der Astro-Community bezeichnen.

In der Umfrage finden sich noch weitere Hinweise darauf, dass sich Mitarbeiter am Institut für Astrophysik nicht wohl fühlen. Mehr als ein Drittel der Befragten geben an, dass die Zeit am Institut sich negativ auf ihre Pläne ausgewirkt habe, weiter in der Wissenschaft zu arbeiten. Mehr als 50 Prozent haben „manchmal“ oder „oft“ darüber nachgedacht, das Institut zu verlassen.

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Studierende fordern „sichtbare Konsequenzen“

BuzzFeed News gegenüber hatte die Pressesprecherin der Max-Planck-Gesellschaft mitgeteilt, dass die „Missstände abgestellt“ worden seien. Die ergriffenen Maßnahmen – ein Coaching für Guinevere Kauffmann – seien ausreichend gewesen.

Dem widerspricht die Umfrage deutlich. Ein Großteil der Befragten ist mit dem Umgang des Instituts und der Gesellschaft mit den Vorwürfen nicht zufrieden. Sie fordern eine gründliche interne oder externe Untersuchung und „sichtbare Konsequenzen“ für die betroffenen Direktoren.

Hier findet ihr die vollständigen Ergebnisse der Umfrage.

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