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Wenn Richter den Beklagten ihre pflegeleichten Lieblingsanwälte zur Seite stellen – und dabei nicht kontrolliert werden

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Wer sich seinen Verteidiger nicht selbst aussucht, bekommt einen Pflichtverteidiger. Mancher Richter entscheidet sich für Anwälte, die wenig Aufwand machen. Schlecht für die Angeklagten.

Wer in Deutschland warum welchen Pflichtverteidiger bekommt, unterliegt keinen Regeln. Und so ordnen manche Richter immer wieder die Anwälte bei, die ihnen am wenigsten Probleme bereiten.

Gleich zwei Studien fanden Hinweise auf systemische Probleme in der deutschen Justiz – in geschlossenen Räumen ist sogar von „Gerichtsnutten“ und „Palliativanwälten“ die Rede. Auch erfahrene Juristen berichten im Gespräch von solchen Problemen in ihrer Region.

Die betroffenen Angeklagten hingegen merken oft zu spät, wenn ihr Anwalt nicht das nötige Fachwissen mitbringt, dafür aber mit dem Richter im selben Tennisverein spielt. Und einen einmal beigeordneten Pflichtverteidiger zu wechseln ist oft gar nicht so einfach.

Die Bundesregierung könnte diese Probleme im Zuge einer EU-Richtlinie angehen. Eine historisch einmalige Chance. Doch bleibt die offenbar ungenutzt. Dabei machen andere Länder längst vor, dass man die Justiz bei der Auswahl von Pflichtverteidigern kontrollieren kann, ohne ihr die Unabhängigkeit zu nehmen.

Dies ist eine gemeinsame Recherche von Legal Tribune Online und BuzzFeed News Deutschland.

BuzzFeed.de © Tobias Schwarz - AFP / Getty Images

„Ich hatte letztens einen Mandanten, den habe ich gefragt: 'Wie sind Sie denn auf mich gekommen?' Und der sagte dann: 'Ich habe hier im Umkreis von 70 Kilometern ganze zwei Fachanwälte für Strafrecht, und die sind beide mit dem Richter im selben Tennis-Club.'“

Udo Vetter ist seit 24 Jahren Strafverteidiger und sagt: „Es ist schon so, dass manche Richter ihre Lieblingsanwälte haben. Früher sagte man immer: Das sind diese Anwälte, die da in der Gerichts-Kantine rumlungern.“

Wer in Deutschland vor Gericht steht und sich keinen Anwalt leisten kann, bekommt einen Pflichtverteidiger, wenn mehr als ein Jahr Gefängnis drohen könnten. Den darf man sich frei aussuchen. Doch die meisten Menschen, die sich plötzlich in einer Zelle wiederfinden, sind damit überfordert.

Welchem Anwalt will ich vertrauen? Wer bringt welche Qualifikation mit? Wer hat wie viel Erfahrung? Für solche Fragen interessieren sich die meisten Menschen erst, wenn es zu spät ist. Wer in einem solchen Moment weder einen eigenen, guten Anwalt bezahlen kann, noch weiß, wie er einen findet oder wie die eigenen Rechte aussehen, der gehört ohnehin zu einer Gruppe ohne Lobby.

Wer sich seinen Anwalt nicht selbst aussuchen kann oder will, dem sucht das Gericht einen Verteidiger aus. Aber wie?

Legal Tribune Online und BuzzFeed News haben darüber mit Strafverteidigern im gesamten Bundesgebiet gesprochen. Es ist nicht immer der berühmte Tennis-Club, aber vergleichbare Geschichten kennen sie alle.

Udo Vetter zum Beispiel weiß von einem Strafverteidiger-Stammtisch im Rheinland, „wo man jeden Vormittag wartet, was so reinkommt“.

Vetters Kollege Florian Eder erzählt, im Amtsgerichtsbezirk Freilassing, an der Grenze zu Österreich, sei es ein offenes Geheimnis, dass Richter drei „Lieblingsanwälte“ hätten: „Diese Verteidiger kommen einfach rein, unvorbereitet, kennen die Akte nicht und raten ihrem Mandanten zum Geständnis.“ Eder, immerhin Fachanwalt für Strafrecht mit einem juristischen Master- und Doktorabschluss, habe auch selbst schon von einem Richter gesagt bekommen: „Sie kann ich nicht bestellen, sonst wird das ja nie was mit dem Urteil.“

Ähnlich auch der erfahrene Strafverteidiger Marc Wandt aus dem Sauerland: Wer als Pflichtverteidiger in Essen oder Hagen bestellt werden wolle, sagt er, der müsse „als netter Gesprächspartner am Richtertisch in der Kantine bekannt sein – oder aus der Gerichtsfußballmannschaft.“ Er habe den Eindruck, das Gericht bestelle immer die gleichen Verteidiger. Nämlich „die Kollegen, die nicht für eine konfrontative Verteidigung vor dem Gericht bekannt sind.“

Viele Verteidiger wollen sich nicht offen äußern. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit mehr als 900 Strafverteidigern aus ganz Deutschland aber wird klar, wie groß der Ärger ist. „Vertragsanwälte“, „Festangestellte“ oder „Palliativanwälte“ werden die Dauer-Pflichtverteidiger dort genannt. Und immer wieder ist auch das zu lesen: Wer zu robust verteidigt, riskiere, in Zukunft eben keine Fälle mehr zu bekommen.

Der Dresdner Strafverteidiger Andreas Boine schätzt, dass das Problem im Osten der Republik sogar noch größer sei, weil hier noch mehr Anwälte wirtschaftlich auf die Honorare für eine Pflichtverteidigung angewiesen seien.

Ein altes Dilemma: Wer überwacht die Überwacher?

Fragt man jedoch nicht die Anwälte, sondern die Richter und Staatsanwälte, klingt die Sache etwas anders.

Reiner Hüper zum Beispiel, ehemaliger Oberstaatsanwalt und zuständig für große Korruptionsverfahren. Heute engagiert er sich bei Transparency International, leitet dort die Arbeitsgruppe Strafrecht. Einer seiner Fälle war ein ehemaliger Jugendrichter aus Neumünster: „Der hat folgendes gemacht: Der hatte zwei oder drei Verteidiger, die hat der immer als Pflichtverteidiger beigeordnet. Die haben gesagt, was rauskommt. Und er konnte ein abgekürztes Urteil schreiben.“

Die Regel seien solche Fälle aber nicht. „Ich will nicht leugnen, dass es nicht auch Freundschaften gibt. Und ich würde auch grundsätzlich nicht für jeden Kollegen die Hand ins Feuer legen. Aber ich würde das nie als ein System sehen.“

Eine ehemalige Strafrichterin sagt:
„In der Tat gibt es Verteidiger, die man lieber bestellt.“

Eine ehemalige Strafrichterin an einem Amtsgericht, die mit Hinweis auf ihr Amtsgeheimnis anonym bleiben möchte, wird da schon konkreter. „In der Tat gibt es Verteidiger, die man lieber bestellt.“ Das habe aber nichts mit Sympathie oder Harmonie zu tun, sondern mehr damit, dass man Angeklagten keine schlechten Verteidiger beiordnen wolle.

„Die Anwälte, die es dem Gericht mit Konfliktverteidigung schwer machen, schaden in aller Regel auch den Angeklagten und dem Verfahrensablauf, sprich der Wahrheitsfindung selbst. Wenn es irgendwie geht, habe ich vermieden, diese Anwälte zu bestellen. Aber nicht, um mir das Leben leichter zu machen. Sondern, weil die meisten Konfliktverteidiger ihren Mandanten mehr schaden als nutzen.“

Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung

Matthias Jahn kennt das alles. Jahn ist nicht nur Strafrechts-Professor an der Goethe-Universität Frankfurt/Main und Richter am Oberlandesgericht Frankfurt. Er hat 2014 auch eine der wenigen Untersuchungen zum Thema veröffentlicht. Er sagt: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung der Beteiligten klaffen auseinander. Während in der Anwaltschaft viele meinen, dass hier „einiges schief geht“, würden Richter fast immer antworten: „Das ist alles in Ordnung.“

Jahns Studie war die bisher „umfangreichste Erhebung bei Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Das zeigt auch, wie wenig man über mögliche Probleme bei der Bestellung von Pflichtverteidigern eigentlich weiß. Es wird wenig darüber geredet und noch weniger dazu geforscht.

Legal Tribune Online und BuzzFeed News haben die Justizministerien aller Bundesländer zur Bestellung von Pflichtverteidigern und möglichen Problemen befragt. Alle Bundesländer antworteten: Wie sich Richter für Pflichtverteidiger entscheiden, das werde nicht erhoben. Es gibt keine Vorgaben dafür. Keine Statistiken. Und niemand überprüft die Richter.

Während in der Anwaltschaft viele meinen, dass hier „einiges schief geht“, würden Richter fast immer antworten: „Das ist alles in Ordnung.“

Dafür gibt es gute Gründe. Die richterliche Unabhängigkeit in Deutschland ist ein hohes Gut, abgeleitet aus den schlechten Erfahrungen deutscher Diktaturen, in denen Richter nicht unabhängig, sondern politisch entschieden. Richter in der Bundesrepublik arbeiten daher in ihrem Zuständigkeitsbereich vollkommen selbstständig. Man kann ihnen keine Weisungen erteilen. Nur Gerichte dürfen Gerichte überprüfen.

Dass das wichtig ist, findet auch Matthias Jahn. Aber es sei auch „ein Argument, das immunisiert gegen Kritik.“ Strafrechtler Florian Eder drückt das so aus: die „Unzugänglichkeit liegt im Problem selbst, und darum ist das alles so schwierig zu recherchieren.“

Man weiß, dass man noch nichts weiß

Jahn jedenfalls ist sich sicher: es gibt Fragezeichen. Diese These wird von einer neueren Studie aus dem Jahr 2016 gestützt: von der Doktorarbeit des Strafrechtlers Sven Schoeller. Schoeller hat dafür die Akten von 678 Verfahren ausgewertet – und ist am Ende bei ähnlichen Fragen gelandet.

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass es „systemische Probleme“ gibt. Sogar Bezeichnungen wie „Robenständer“ oder „Gerichtsnutten“ kursierten an Gerichten, kann man bei Jahn lesen. Die Strafverteidigervereinigungen sprechen von einer „Schattenpraxis“ an deutschen Gerichten. Ähnliche Kritik kommt auch vom Deutschen Anwaltverein (DAV) und der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK).

Dabei, so glaubt es Matthias Jahn, seien meist weder Klüngelei noch böse Absichten das Problem, sondern einfach fehlende Handhabungskriterien. Die Gerichte hätten einfach keine klaren Anhaltspunkte, nach welchen Regeln sie sich für Pflichtverteidiger entscheiden sollten.

Die Sache mit den Listen

Einer der häufigsten Vorschläge, um dem Problem zu begegnen: Die Gerichte sollten einfach Listen abarbeiten, damit jeder Pflichtverteidiger einmal dran ist. Doch löst das nur auf den ersten Blick die Probleme. Wenn sich hinter dem Buchstaben „A“ ein ausgewiesener Profi verbirgt, hinter „B“ als erstes aber das genaue Gegenteil davon – mit welchem Recht soll der erste Beschuldigte dann zufällig bessere Karten im Verfahren haben als der zweite?

Folglich antworteten auch sämtliche Landesjustizministerien auf die Anfrage von LTO und BuzzFeed News: Ob die Gerichte Listen führen und wenn ja, wie die aussehen, sei entweder nicht bekannt oder Sache der Gerichte. Darum gäbe es auch keine Regeln für solche Listen. Beschuldigte könnten jedoch auf öffentliche Anwaltslisten der örtlichen Rechtsanwaltskammern zurückgreifen.

Dass auch diese öffentlichen Listen das Problem nicht lösen, zeigt sich beim Blick auf die Listen der Kammern: Die meisten führen lediglich Namen und Kontaktdaten – keine Erfahrungen, keine Fremdsprachenkenntnisse, keine Informationen über Spezialgebiete, Fortbildungen, Ausbildungen oder Erfahrungsstand. Betroffene, die sich unter Druck anhand einer solchen Liste einen Anwalt wählen sollen, können sich lediglich am Namen orientieren.

Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass an den Gerichten selbst weitere Listen existieren. Offiziell sind die nicht. Doch nicht nur die Studien von Matthias Jahn und Sven Schoeller haben das bestätigt, auch ehemalige Richter und erfahrene Verteidiger berichten im Gespräch davon.

Einerseits gibt es jene internen Listen, die mit fachlichen Hinweisen versehen sind, auf denen also Sprachkenntnisse, Wochenendbereitschaften oder auch der Ausschluss bestimmter Straftaten wie zum Beispiel Sexualdelikte vermerkt seien.

Hinzu kommen dann aber noch jene Listen, die eher in den Köpfen der Richter existieren: Verteidiger, die dafür bekannt sind, dass sie die Dinge nicht unnötig verkomplizieren – aus Sicht des Gerichtes. Und deren Namen man schon einmal empfohlen bekomme, wenn man als junger oder neuer Richter frisch an ein Gericht wechselt. Wenn man mit denen arbeite, ginge die Sache schneller, heißt es dann von den erfahrenen Richtern.

Warum „eine historisch einmalige Chance“ nun wohl ungenutzt bleibt

Fakt ist jedenfalls eins: Das Thema wird akut. Und zwar bis spätestens 25. Mai 2019. Denn bis dahin muss Deutschland die „EU-Richtlinie 2016/1919“ in nationales Recht umsetzen.

Die EU regelt damit die Bestellung von Pflichtverteidigern neu. Oder besser gesagt: Sie will sie europaweit auf einen einheitlichen Standard bringen.

Mit der Richtlinie wird einer der größten Kritikpunkte am deutschen System beseitigt: Das Recht auf einen „Verteidiger ab der ersten Stunde“ wird eingeführt. Das bedeutet: kein Verhör ohne Anwalt mehr. Ein Verteidiger kann dann schon bei der allerersten polizeilichen Vernehmung anwesend sein, was natürlich dann auch für Pflichtverteidiger gelten würde.

Die müssten fortan also früher beigeordnet werden, was vor allem Nachts oder am Wochenende schwierig werden dürfte. Im Gespräch ist zum Beispiel eine Notzuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft. Dann aber würde die Anklagebehörde auch den Verteidiger bestellen. Eine Vorstellung, die so gar nicht zur modernen Gewaltenteilung passen mag.

Die Frage, nach welchen Regeln jemand zum Pflichtverteidiger wird, könnte sich also sogar noch ausweiten: von den Gerichten auf die Staatsanwaltschaften und vielleicht sogar auf Polizeibeamte.

Was also tun?

Zunächst bleibt die nüchterne Feststellung: Deutschland muss zwar die EU-Richtlinie umsetzen. Doch in den Entwurf für ein neues Gesetz zur notwendigen Verteidigung wurde die Frage, ob man die Auswahl von Pflichtverteidigern transparenter gestalten könnte, gar nicht erst aufgenommen. Auch hat keines der von LTO und BuzzFeed News befragten Bundesländer signalisiert, eine solche Änderung vorschlagen zu wollen.

Von den relevanten Vereinigungen und Verbänden hat bislang ebenfalls niemand das Thema auf den Tisch gebracht. Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein bereiten ihre Stellungnahmen noch vor. Und die Strafverteidigervereinigungen haben zwar ein „Policy Paper“ zur „Neuordnung der Pflichtverteidigerbestellung“ vorgelegt, konkrete Vorschläge darin aber nicht unterbreitet.

Für Matthias Jahn ein großer Fehler: „Die Strafverteidiger haben eine historische Chance verstreichen lassen“, findet der Frankfurter Professor. „So eine Gelegenheit kommt nur alle paar Jahrzehnte.“

Das findet auch Ralf Neuhaus vom Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Neuhaus arbeitet an der Stellungnahme der BRAK zum Entwurf für das neue Gesetz - und auch er kritisiert die Zurückhaltung der Kammern. Die Gelegenheit, die Auswahl eines Pflichtverteidigers weg von den Richtern und hin zu den Kammern zu verlegen, sei einmalig gewesen. Man hoffe jetzt darauf, rollierende System einführen zu können:

Ein ähnliches System gibt es bereits in den Niederlanden. Doch Neuhaus sagt auch: Für ihn ist das nach der verpassten Chance „nur die zweitbeste Lösung“.

Neue Ideen finden sich beim Blick über die Grenze

Dabei muss man bei der Frage nach konkreten Vorschlägen gar nicht so weit suchen. In Belgien und der Schweiz zum Beispiel gibt es nicht nur ein transparenteres Auswahlverfahren. Pflichtverteidiger werden dort auch besser bezahlt als in Deutschland, so dass sich nicht nur jene Anwälte um Pflichtmandate bemühen, die wirtschaftlich darauf angewiesen sind.

In Österreich trifft die Anwaltskammer die eigentliche Auswahl des Pflichtverteidigers. Das Gericht übernimmt dort nur noch den formalen Akt der Beiordnung. Das funktioniere gut, sagt Matthias Jahn.

Die Niederlande und Litauen haben gleich eine eigene Einrichtung mit der Auswahl des richtigen Verteidigers betraut, sogenannte Legal-Aid-Boards. Das sind kleine Verwaltungseinheiten bei den jeweiligen Justizministerien, die nur eine Aufgabe haben: sicherzustellen, dass Menschen schnell einen geeigneten Verteidiger bekommen.

Man arbeitet dort per Rotationsprinzip und mithilfe eines Computersystems. Wird ein bestimmter Verteidiger benötigt, erhalten alle interessierten und passenden Anwälte automatisch eine Anfrage. Sie haben dann 45 Minuten Zeit, diese zu- oder abzusagen. Bei einer Zusage müssen sie anschließend binnen 2 Stunden auf dem Polizeirevier erscheinen. Solange erfolgt kein Verhör.

Ob all das auch so in Deutschland machbar ist – mit viel mehr Anwälten, viel mehr Gerichten und viel mehr Bundesländern – ist zwar fraglich, aber zumindest bisher wird noch nicht einmal darüber diskutiert.

Mögliche Reformen könnten auch konkretere Vorgaben für die Erstellung der Listen beinhalten, zum Beispiel mit ausgewiesenen Qualifikationen. Oder eine Verlagerung der Auswahl zu den Rechtsanwaltskammern.

„Es muss im demokratischen Rechtsstaat wenigstens eine Art Kontrolle geben.“

Ein Punkt zumindest setzt sich nach und nach durch: Wenn die erste Beiordnung eines Pflichtverteidigers in Eile geschehen ist – oder in einer Drucksituation –, dann sagen mehr und mehr Richter, dass diese erste Beiordnung nicht in Stein gemeißelt ist. Die Tendenz, dann später eine sogenannte „Umbeiordnung“ vorzunehmen, ist da – mit der Folge, dass zwar zwei Verteidiger vergütet werden müssen, der Beschuldigte aber auch dann noch einen Anwalt freier Wahl erhalten kann, wenn vom Gericht schon einer bestellt ist.

„Die weitaus meisten Pflichtverteidiger machen ja keinen schlechten Job“, sagt Strafverteidiger Udo Vetter. „Aber wenn das von Richtern so vollkommen freihändig vergeben wird, ist das eine Sache, wo man im 'normalen' Auftragsrecht oder in der freien Wirtschaft heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Ich rede jetzt nicht davon, dass da eine Ausschreibung erforderlich wäre oder so. Aber es muss ja im demokratischen Rechtsstaat wenigstens eine Art Kontrolle geben.“

BuzzFeed News und LTO werden weiter zu dem Thema recherchieren. Ihnen sind Missstände bekannt? Sie haben Dokumente oder Unterlagen, die solche belegen? Oder Sie haben das Gefühl, Ihr Pflichtverteidiger hat Ihnen geschadet?

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