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So viele Kehrtwenden macht die SPD beim Abtreibungsparagrafen 219a

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Wollen die Sozialdemokraten das Informationsverbot nun abschaffen, reformieren oder doch eine ganz andere Lösung? Ein Überblick

Abschaffen, reformieren oder doch eine ganz andere Lösung? Noch immer wird der umstrittene Abtreibungs-Paragraf 219a heftig diskutiert. Inzwischen liegt ein erster Vorschlag der Bundesregierung vor. Wie konkret eine mögliche Gesetzesänderung aussehen soll, ist noch nicht klar.

Besonders die SPD ist in den vergangenen Monaten mit einem Schlingerkurs aufgefallen. BuzzFeed News hat die wichtigsten Kehrtwenden zusammengefasst.

Paragraf 219a verbietet es Ärztinnen und Ärzten, öffentlich darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen – es besteht ein Informationsverbot. Das schadet betroffenen Frauen, Ärztinnen und Ärzten – sagen Gegnerinnen des Gesetzes. Das sogenannte ungeborene Leben müsse durch ein Informationsverbot geschützt werden, halten die Befürworterinnen von 219a dagegen.

Alle Parteien haben sich in den vergangen Monaten zum umstrittenen Gesetz positioniert: Linke, Grüne und mitterweile die FDP sind für eine Abschaffung. AfD und CDU/CSU sind für eine Beibehaltung. Das Zünglein an der Waage ist deshalb die SPD, hin- und hergerissen zwischen eigener Haltung und Koalitionsloyalität.

1. Schritt nach vorne

16. September 2017: Für sexuelle Selbstbestimmung mit Berliner SPD-Bürgermeister

In Berlin findet der „Marsch für das Leben“ statt, zu dem rund 7000 christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegnerinnen und -gegner schweigend durch die Stadt laufen. Am Brandenburger Tor findet eine Gegendemonstration statt, organisiert vom „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ und unterstützt vom regierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD)

Etwa zur selben Zeit erfährt die Ärztin Kristina Hänel, dass ein Strafverfahren gegen sie eröffnet wird, weil sie öffentlich darüber informiert, Abtreibungen durchzuführen. Der Fall wird deutschlandweit bekannt, die Parteien befinden sich im Wahlkampf. Im Regierungsprogramm der SPD spielt das Thema Schwangerschaftsabbruch noch keine Rolle, indirekt wird das Thema in der dieser Passage aufgegriffen:

„Weiterhin wichtig sind [...] bezahlbare Medikamente sowie ein diskriminierungsfreier Zugang, gerade auch für Frauen und Mütter, zu erreichbaren Gesundheitsdienstleistern.“

24. November 2017: SPD-Bundestagsfraktion kündigt Initiative gegen das Informationsverbot an

Die Ärztin Kristina Hänel wird vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Webseite Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zum Download verlinkt hat. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl kündigt eine Initiative zu Paragraf 219a an und fordert, diesen „komplett zu streichen“.

BuzzFeed.de © Boris Roessler/dpa

28. November 2017: Die SPD plant einen Gesetzesentwurf, um das Informationsverbot abzuschaffen

Die SPD plant einen neuen Gesetzesentwurf, um 219a komplett zu streichen. Fraktionsvorsitzende Eva Högl sagt gegenüber BuzzFeed News:

„Es kann nicht sein, dass ein bloßer Hinweis auf legales ärztliches Handeln dazu führt, dass gegen Ärzte ermittelt wird und wie jetzt in diesem Fall sogar zu einer Verurteilung führt. Wie wir diese Unklarheit im Gesetz beseitigen, darüber sollten wir uns bald verständigen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits die Initiative ergriffen und wird einen Gesetzentwurf vorlegen, Paragraf 219a StGB komplett zu streichen.“

November/Dezember 2017:

Es gibt eine politische Mehrheit,

um den Paragraf 219a abzuschaffen

Die Medienberichterstattung über das Informationsverbot nimmt zu, immer deutlicher positionieren sich Parteien zu dem umstrittenen Gesetz. Grüne und Linke sind für eine Streichung des Paragrafen, die FDP für eine Änderung. CDU/CSU sind dagegen, ebenso wie die AfD. Eine Mehrheit im Bundestag für eine Abschaffung oder eine Reform des Gesetzes ist nur mit der SPD möglich.

Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker schreibt in einer Pressemitteilung vom 27. November, es dürfe kein Geschäftsmodell gefördert werden, das auf der Tötung ungeborenen Lebens beruhe. „Wer den §219a StGB ersatzlos aufheben möchte, muss in Zukunft mit offener Werbung im Internet, Fernsehen, Zeitschriften, etc. für Abtreibungen rechnen.“

1. Dezember 2017

Die SPD-Bundestagsfraktion wirbt für eine parteiübergreifende Initiative, um den Abtreibungsparagrafen zu reformieren oder abzuschaffen. Der amtierende SPD-Justizminister Heiko Maas nennt den Paragrafen ein Relikt aus der Nazi-Zeit.

2. Schritt nach vorne

5. Dezember 2017: Die SPD veröffentlicht einen Gesetzesentwurf

Einen Tag nach dem Beschluss veröffentlicht Fraktionsvize Eva Högl einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Darin heißt es:

[...] Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage. Darüber müssen Ärztinnen und Ärzte sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. [...] § 219a StGB soll aufgehoben werden.

BuzzFeed.de © BuzzFeed News / Via eva-hoegl.de

12. Dezember 2017: Die SPD-Bundestagsfraktion beschließt, den 219a ersatzlos zu streichen

Die SPD-Bundestagsfraktion entscheidet mehrheitlich auf einer abendlichen Sitzung, dass sie das Informationsverbot streichen will. Mehrere Bundestagsabgeordnete schreiben auf Twitter, dass sie diesen Schritt richtig finden.

3. Zögern

12. Dezember 2017: Die SPD sucht eine Mehrheit mit anderen Parteien

Zehn Wochen nach der Bundestagswahl sucht die SPD-Bundestagsfraktion nach einer Mehrheit für ihre Haltung. Dafür kündigt sie an, sich an einer interfraktionellen Initiative im Bundestag zu beteiligen.

Vor dem Bundestag übergibt die verurteile Ärztin Kristina Hänel eine Petition mit 150.000 Unterschriften an Mitglieder des Bundestages. Bei der Übergabe dabei sind etwa die SPD-Abgeordnete Eva Högl, die Grüne Frauenpolitikerin Ulle Schauws, die stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding und die Linken-Fraktionsvorsitzende Katja Kipping.

Eva Högl sagt, Frauen müssten das Recht haben, sich objektiv über Schwangerschaftsabbrüche informieren zu können. Auch eine Reform des Gesetzes sei als Kompromiss denkbar.

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4. Gegenwind

12. Dezember 2017: Das Bundesland Berlin schaltet sich ein

Das Bundesland Berlin bringt eine Bundesratsinitiative für die Streichung des Paragrafen ein. Ziel ist es, das Thema auf die Tagesordnung im Bundestag zu setzen. Am 15. Dezember wird die Initiative im Bundesrat besprochen. Erarbeitet wurde der Gesetzesantrag von der SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und Justizminister Dirk Behrendt (Bündnis90/Die Grünen). Die Initiative wird von Thüringen, Hamburg, Bremen und Brandenburg unterstützt.

13. Dezember 2018: Parteien treffen sich, um zusammen gegen das Werbeverbot zu arbeiten

Das erste mehrerer interfraktioneller Treffen aller Parteien außer der AfD findet im Bundestag statt, um eine gemeinsame Haltung zum Gesetz zu finden. Die SPD wird bis März an den Gesprächen teilnehmen. Die Union scheidet im Januar aus und spricht sich wiederholt für die Beibehaltung des Informationsverbotes aus.

Eine Fruchtblase in der siebten Schwangerschaftswoche

Eine Fruchtblase in der siebten Schwangerschaftswoche, aufgenommen nach einem Schwangerschaftsabbruch (zur Verfügung gestellt durch Kristina Hänel).
Eine Fruchtblase in der siebten Schwangerschaftswoche, aufgenommen nach einem Schwangerschaftsabbruch (zur Verfügung gestellt durch Kristina Hänel). © Verena Deutschmeyer/Kristina Hänel/dpa

19. Januar: Die SPD arbeitet weiter mit anderen Parteien zusammen

Die Koalitionsverhandlungen für eine Große Koalition laufen. Nach einem zweiten interfraktionellen Treffen am 19. Januar kommentiert die Grünen-Politikerin Ulle Schauws: „Der Dialog in der interfraktionellen Runde war erneut konstruktiv. [...] Gemeinsame Verabredung zwischen Grünen, SPD, FDP und Linken war heute, dass wir zeitnah in das parlamentarische Verfahren zum Paragrafen 219a StGB einsteigen und die jeweiligen Gesetzentwürfe einbringen wollen.“

Eva Högl hofft noch immer auf eine fraktionsübergreifende Lösung, in der sich die Parteien „beispielsweise in der Form eines Gruppenantrags verständigen können – unabhängig von eventuellen Koalitionsverhandlungen.“

Die Union positioniert sich erneut. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker sagt: „Ich sehe aktuell keinen Handlungsbedarf beim Gesetzgeber.“

5. Rückzieher

22. Februar 2018: Die SPD bringt ihren Gesetzentwurf nicht ein

Überraschend wird bekannt, dass die SPD Partei den Gesetzesentwurf doch nicht einbringen wird. Die Grünen-Politkerin Ulle Schauws nannte den Vorgang „verwunderlich“. Stefan Nachtwey vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung sagt auf einer Fachkonferenz am Freitagmittag: „Wir waren etwas irritiert, dass die SPD keinen eigenen Antrag einbringt.“

22. Februar 2017: Das Gesetz wird im Bundestag debattiert

Am selben Tag ist eine erste Lesung im Bundestag angesetzt. Noch am Vormittag demonstrieren Abgeordnete und das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung vor dem Bundestag für die Abschaffung von 219a. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl sagt: „Die SPD rückt keinen Millimeter von ihrer Position ab: Der 219a gehört gestrichen.“

Nach der ersten Lesung im Bundestag zeigt sich: Es gibt keine eindeutige Lösung für den umstrittenen Abtreibungsparagrafen. Die SPD wirbt deshalb für eine „Gewissensentscheidung“.

Der Grund dahinter ist einfach: So könnten einzelne Abgeordnete aus der Union und SPD-Mitglieder frei von ihrem Fraktionszwang für eine Änderung und Streichung des Gesetzes stimmen. Ein solches Vorgehen etwa gab es zuletzt bei der Abstimmung über die „Ehe für alle“, nachdem Angela Merkel die Frage zur Gewissensentscheidung erklärt hatte. Bislang lehnt die Union das jedoch für das Thema Schwangerschaftsabbrüche ab.

Die SPD bringt wie geplant ihren Gesetzesentwurf nicht zu ersten Lesung ein.

6. Richtungswechsel

2. März 2018: Die SPD will ein parlamentarisches Verfahren für ihren Gesetzesentwurf einleiten

Um eine gemeinsame Positionierung auszuloten, habe man zuvor Gespräche mit der Unionsspitze geführt, sagt Eva Högl der dpa. Laut Medienberichten habe es eine Absprache zwischen Andrea Nahles und Unionsfraktionschef Volker Kauder gegeben.

Die SPD will ihren Gesetzesentwurf für die Streichung von 219a nun doch in den Bundestag einbringen. Um eine gemeinsame Positionierung auszuloten, habe man zuvor Gespräche mit der Unionsspitze geführt, sagt Eva Högl der dpa. Laut Medienberichten habe es eine Absprache zwischen Andrea Nahles und Unionsfraktionschef Volker Kauder gegeben.

7. Gegenwind

7. März 2018: Berliner Senat plant Liste gegen 219a

Ähnlich wie bereits Hamburg plant auch der SPD-geführte Senat in Berlin, eine Liste mit Ärztinnen und Ärzten zu veröffentlichen, die Abtreibungen durchführen. Dies ist einerseits als Protestgeste gegen das Gesetz 219a zu verstehen. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery sieht darin jedoch auch eine mögliche Alternative, sollte keine gesetzliche Änderung zustande kommen.

9. März 2018: Die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles ist für eine Abschaffung

Auf einem Empfang zum Frauentag der SPD sagt die Fraktionsvorsitzende und designierte Parteichefin Andrea Nahles: „Aus meiner Sicht ist es klar notwendig, den Paragrafen #219a abzuschaffen.“

12. März 2018: Die SPD unterschreibt den Koalitionsvertrag

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8. Rückzieher

13. März 2018: Die SPD-Bundestagsfraktion zieht ihren Gesetzesentwurf zurück

Die SPD verkündet überraschend, den Gesetzesentwurf doch nicht in den Bundestag einzubringen. „Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihren Gesetzentwurf zu § 219a StGB jetzt nicht zur Abstimmung stellen, da die Union sich auf uns zubewegt“, heißt es in einem Statement auf Facebook.

Die SPD wird von Medien und Abgeordneten scharf kritisiert. Die Grünen-Politikerin Ulle Schauws, welche die politische Debatte im Bundestag maßgeblich mit initiierte, nannte das Verhalten der SPD „Einknicken per excellence“ und einen „Kniefall vor der Union“.

„Mir bleibt gegenüber der SPD langsam nur noch völliges Unverständnis übrig“, sagt auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

9. Kompromiss

14. März 2018: Die SPD will einen Kompromiss mit der Union suchen

SPD und Union wollen einen gemeinsamen Kompromiss für 219a finden. Andrea Nahles und Unionsfraktionschef Volker Kauder einigen sich, die neue Regierung mit einem Regelungsvorschlag zu beauftragen. Wie genau die neue Regelung aussehen kann, ist völlig offen. Möglicherweise könnte ein anderes Gesetz angepasst werden, etwa das Heilmittelgesetz, damit der 219a unangetastet bleibt. Beauftragt damit ist die neue Justizministerin Katarina Barley.

Der neue CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn sagt der Bild am Sonntag: „Mich wundern die Maßstäbe: Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.“ Katarina Barley kontert, es gehe nicht um Werbung sondern um das Recht auf Information.

10. Rückzieher

21. März 2018: Die Große Koalition verhindert eine Expertenanhörung im Bundestag

Am Morgen wird der Paragraf im Rechtsausschuss debattiert. Linke und Grüne fordern die Abschaffung des Paragrafen und wollen eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Bundestag durchsetzen. Diese wurde zwar beschlossen, doch die Große Koalition verhindert, dass ein Termin dafür zustande kommt.

Die SPD blockiert den Beschluss mit dem Argument, sie wolle erst einen möglichen Kompromiss der Großen Koalition abwarten. Das teilt Friedrich Straetmanns mit, der rechtspolitische Sprecher der Linken.

Am selben Tag fordert der Juso-Vositzende Kevin Kühnert, die Abstimmung im Bundestag als Gewissensentscheidung frei zu geben.

11. Widerstand

18. April 2018: Familienministerin Katarina Giffey ist für eine Neuregelung des Gesetzes

Auf Facebook plädiert die SPD-Politikerin dafür, das Werbeverbot bei Schwangerschaftsabbrüchen zu ändern. Sie bezieht sich dabei auf eine Äußerung von pro familia. Ärzte dürften nicht unter Generalverdacht stehen, sich strafbar zu machen.

12. Richtungswechsel

22. April 2018: SPD-Parteitag stimmt nicht über Paragraf 219a ab

Die SPD will auf ihrem Parteitag am Sonntag einen Beschluss zu 219a fassen. Das Thema wird nicht öffentlich aufgerufen, es kommt zu keiner öffentlichen Abstimmung. Parteimitglieder sind enttäuscht. Später wird bekannt, dass der Parteivorstand einen Beschluss gefasst hat. Das Ergebnis: Falls es nicht bald zu einem Gesetzentwurf der Großen Koalition oder Gespräche mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion komme, müsse mit den reformwilligen Fraktionen bzw. Abgeordneten nach einer Lösung gesucht werden. Etwa mit einem Gruppenantrag, wie er bereit seit Dezember verhandelt wird, der dann zur freien Abstimmung gestellt wird.

13. Widerstand

23. April 2018: Offener Brief der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, 219a aufzuheben

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Ein breites Bündnis verschiedener Organisationen veröffentlicht einen offenen Brief an die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD. Darin wird gefordert, 219a aufzuheben. Mit dabei: Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen.

14. Richtungswechsel

Am selben Tag setzt der SPD-Parteivorstand dem Koalitionspartner Union ein Ultimatum, wonach bis zum Herbst ein in der Bundesregierung abgestimmter Gesetzentwurf vorliegen muss.

„SPD und CDU/CSU sind sich in manchen Punkten einig, aber an vielen Stellen liegen wir noch deutlich auseinander. Das kann jetzt nicht mehr endlos so weitergehen. Wir müssen jetzt schnell zu einer gemeinsamen Lösung finden“, sagt SPD-Justizministerin Barley im Gespräch mit der Welt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt antwortet am Dienstag, Drohungen seien nicht akzeptabel.

24. April 2018: Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe ist für eine zügige Abschaffung von 219a

Immer mehr Mitglieder der SPD äußern sich öffentlich für eine Abschaffung, so etwa Daniela Kolbe, Bundestagsmitglied und Generalsekretärin der Sachsen-SPD.

15. Richtungswechsel

25. April 2018: Ein Krisentreffen mit der Union

Jens Spahn (CDU), Justizministerin Katarina Barley (SPD), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kommen nach der Kabinettssitzung zu einem Krisengespräch zu 219a zusammen. Barley will ihren Gesetzentwurf zu 219a „zeitnah vorlegen“.

Wie genau ein abgestimmter Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium aussehen kann, ist noch immer unklar. Medien schreiben vermehrt von Konflikten in der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Am Freitag, 27. April 2018, wird im Bundesrat über die Initiative verschiedener Bundesländer für die Streichung des Gesetzes abgestimmt. Sollte diese erfolgreich sein, debattiert erneut der Bundestag über das Gesetz. Noch ist offen, wie sich die SPD verhalten wird.

Ende April: ein Ultimatum an die Union

Das Ultimatum des SPD-Parteivorstands an den Koalitionspartner steht. Sollte bis Herbst keine Lösung zustande kommen, damit Ärztinnen und Ärzte Schwangere straffrei über Abtreibungen informieren können, werde man mit „reformwilligen Fraktionen“ im Bundestag sprechen.

16. Stillstand

Herbst 2018.

Es wird Herbst. Es ist unklar, was aus dem Ultimatum geworden ist.

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17. Zweifel

Oktober 2018: Zweifel am Kompromiss

Laut einem Bericht in der Zeit zweifeln Abgeordnete daran, dass es überhaupt einen Kompromiss geben wird. Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sagt, es gebe keinen Anlass für Optimismus, dass ein Entwurf der Regierungsparteien zustande komme.

18. Oktober 2018

Das Thema wird im Bundestag debattiert. Für die SPD sprechen Partei-Vizechefin Eva Högl und der rechtspolitische Sprecher Johannes Fechner. Eva Högl fordert eine moderne Regelung, um objektive Informationen zu ermöglichen und spricht sich für eine Änderung aus. Fechner sagte bereits im April des Jahres, seine Partei werde den Paragrafen ändern.

18. Widerstand und Streit

Anfang November 2018: Jusos veröffentlichen offenen Brief an Parteivorstand

Die Jusos rufen mit einem offenen Brief und einer E-Mail-Aktion die SPD-Bundestagsabgeordneten und den Parteivorstand dazu auf, den Paragrafen 219a zu streichen. Innerhalb kürzester Zeit unterzeichnen den Brief mehr als 1.600 Menschen, darunter die Juso-Landesvorsitzende, Europaabgeordnete und Chefin der sozialdemokratischen Frauen Maria Noichl.

Mitte November 2018: Druck aus den eigenen Reihen

Mehrere SPD-Abgeordnete, darunter Josephine Ortleb und Falko Mohrs, machen erneut Druck und fordern mit einem Antrag von der Union einen Lösungsvorschlag bis Ende des Monats.

1. Dezember 2018: Jusos fordern vollständige Legalisierung von Abtreibungen

Am 1. Dezember fordern die Jusos eine vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auf dem Bundeskongress in Düsseldorf stimmen die Delegierten mit einer deutlichen Mehrheit für einen Antrag des Juso-Vorstands. Die Paragrafen 218 und 219 sollen ersatzlos gestrichen werden sollen.

Auf dem Bundeskongress sagt Andrea Nahles erneut, sie persönlich befürworte die Streichung des Paragrafen 219a. Sie kenne niemanden in der Fraktion, der das anders sehe. Gleichzeitig ist sie für einen Kompromiss: „Es geht jetzt um die Frage, was die Koalition konkret umsetzen kann, um die Situation der Ärzte zu verbessern“, sagte sie.

19. Ultimatum

9. Dezember 2018

Der Abgeordnete Florian Post kritisiert in der Bild am Sonntag die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles und kündigt an: „Wenn Andrea Nahles nicht bis Dienstag eine Einigung mit der Union erreicht, die eine Änderung des Paragrafen 219a, eine Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte und freie Information für Frauen beinhaltet, werde ich mit einigen Kollegen in der Fraktionssitzung eine Gewissensentscheidung beantragen.“

Der Abgeordnete veröffentlicht zudem auf seiner Webseite eine Liste mit Arztpraxen und Kliniken, die Abtreibungen in Bayern durchführen.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz schließt sich am 9. Dezember der Forderung an, die Abstimmung als Gewissensentscheidung freizugeben.

SPD-Chefin Andrea Nahles sagt einen Kompromissvorschlag bis Montag zu.

10. Dezember 2018

Es ist Montag, ein Vorschlag liegt nicht vor.

20. Kompromiss

12. Dezember 2018: 219a soll bleiben, aber ergänzt werden

Die SPD einigt sich nach neun Monaten mit dem Koalitionspartner auf einen Kompromiss, meldet die Süddeutsche Zeitung. In einem Vorschlag der Bundesministerinnen Katarina Barley, Jens Spahn, Franziska Giffey und Helge Braun steht, dass der Paragraf 219a beibehalten aber ergänzt werden soll. Künftig sollen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Bundesärztekammer die Aufgabe übernehmen, Schwangere über Abtreibungsmöglichkeiten zu informieren.

Betroffene Ärztinnen wie die verurteilte Kristina Hänel kritisieren, der Vorschlag sei eine Nullnummer. Die Vorschläge der Bundesregierungen seien flankierende Maßnahmen, die bereits jetzt möglich seien. Wie die künftige Regelung genau aussehen soll, ist bislang offen. Ein ausformulierter Gesetzentwurf soll im Januar vorgelegt werden.

13. Dezember 2018: Debatte im Bundestag

Am heutigen Donnerstag soll das Thema erneut im Bundestag diskutiert werden. Die FDP fordert eine Gewissensentscheidung, bei der alle Parlamentarier frei abstimmen könnten. Auch der Parteivorsitzende Christian Lindner äußert sich mehrfach und prominent zu dem Thema und fordert eine Abschaffung des Paragrafen. Der Antrag zur Gewissensentscheidung wird auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt.

Januar und Februar 2019

Immer wieder kritisieren Abgeordnete von FDP, Grüne und Linke den Kompromissvorschlag scharf. Nahles spricht von einem „sehr guten Kompromiss“, auch wenn die SPD weiter für die Abschaffung des Paragrafen sei.

26. Januar 2019

Es findet ein bundesweiter Aktionstag in 30 Städten in Deutschland zur Streichung der Paragrafen 219a statt. In Berlin sprechen etwa die Abgeordneten Katja Kipping (Linke) und Annalena Baerbock (Grüne).

29. Januar 2019

Sie SPD und die CDU/CSU haben sich auf einen konkreten Gesetzentwurf geeinigt. Dieser sieht vor, dass Ärztinnen und Krankenhäuser künftig auf ihren Websites darüber informieren dürfen, dass sie Abtreibungen vornehmen, allerdings nicht über die genauen Methoden. Zudem soll die Bundesärztekammer eine zentrale Liste mit Einrichtungen und Ärztinnen führen, die Abtreibungen durchführen.

Trotz lauter Kritik von Ärztinnen und Oppositionsparteien verteidigen Abgeordnete der SPD den Kompromiss. Justizministerin Katarina Barley sagt, er verbessere die Situation der Betroffenen wesentlich.

Nach dem Kabinettsbeschluss für das Gesetz schreiben Ulle Schauws und Katja Keul von den Grünen in einer Pressemitteilung: „Wir fordern die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zu ändern. Unsere Hoffnungen liegen auf der SPD.“ Eine Mehrheit im Bundestag stehe für eine Streichung des Paragrafen bereit.

BuzzFeed.de © bundestag.de BuzzFeed News / Via bundestag.de

21. Februar 2019

Der Bundestag beschließt mehrheitlich das Gesetz der Großen Koalition zur „Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“. Sechs Mitglieder der SPD stimmen mit Nein.

Mehr zum umstrittenen Abtreibungsgesetz:

So manipuliert der Verein Pro Femina Frauen, damit sie sich für eine Schwangerschaft entscheiden

So häufig missbrauchen sogenannte „Lebensschützer“ den Nazi-Paragraf 219a

Diese Ärztin fordert die Presse dazu auf, realistische Bilder von Abtreibungen zu zeigen

Die SPD zieht ihren Gesetzesentwurf zu 219a zurück

Die Große Koalition verhindert eine Expertenanhörung zum Thema Abtreibung

Andrea Nahles will das Werbeverbot für Abtreibungen streichen

Warum BuzzFeed Deutschland bei §219a jetzt nur noch von einem Informationsverbot spricht

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