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Eine rechte Sabotage-Kampagne will ARD und ZDF zu Fall bringen

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Rechtskonservative, Neurechte und Rechtsextreme blasen zum gemeinsamen Angriff auf ARD und ZDF. Sie zahlen ihre Beiträge in Cent-Stücken und verlangen Auskunft über ihre Daten.

Die Kampagne, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Knie zwingen soll, beginnt im Dezember 2019 – mit einem Podcast der rechten Wutbürger-Initiative „Hallo Meinung“. Die außerhalb der Szene kaum bekannte Plattform lädt den Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel ein. Und der präsentiert eine neue Idee, wie endlich erfolgreich gegen die verhassten Sender gekämpft werden könne.

Ein juristischer Kampf gegen den Rundfunkbeitrag sei aussichtslos, sagt Steinhöfel. Eine politische Mehrheit für dessen Abschaffung gibt es auch nicht. Doch wenn genug Menschen mitmachen, sagt er, könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotzdem in die Knie gezwungen werden. Steinhöfel will Bürokratie mit Bürokratie bekämpfen.

„Wenn 100.000 Menschen in Deutschland aufhören, die Gebühren zu bezahlen“, sagt Steinhöfel, „müsste das öffentlich-rechtliche System 100.000 Verfahren einleiten, 100.000 Akten anlegen und gegebenenfalls 100.000 Verwaltungs- oder gerichtliche Vorgänge einleiten.“ Wer den Beitragsservice noch mehr beschäftigen wolle, der könne per Terminüberweisung mal zuviel, mal zu wenig und mal gar nicht zahlen.

Medienanwalt Steinhöfel vertritt schon länger Mandanten aus rechten Kreisen. Für das rechtskonservative Magazin „Tichys Einblick“ hat er zuletzt vergeblich gegen das Recherchezentrum „Correctiv“ und die Grünen-Politikerin Claudia Roth geklagt. Im Telefonat mit BuzzFeed News Deutschland bemüht Steinhöfel die Erzählung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als gesteuertem Staatsfunk, auch wenn er es nicht so direkt sagt.

Von der verfassungsrechtlich verlangten „Staatsfreiheit des Rundfunks“ könne man nicht ernstlich sprechen, sagt er. „Die Parteien organisieren die ganze Veranstaltung so, als sei sie ein Filialunternehmen des politischen Betriebs.“ Diesem „Machtapparat“ könne man „auf normalem rechtlichen Wege“ nicht beikommen, sagt Steinhöfel.

Die Aktionsidee sei deshalb „ziviler Ungehorsam, um darauf aufmerksam zu machen, dass einem die Struktur, so wie sie jetzt ist, nicht gefällt“, sagt Steinhöfel. Wenn genug Gegner des Rundfunkbeitrags sich daran beteiligten, sagt er zuvor im Hallo Meinung-Podcast, würde das „zu einem völligen Chaos führen, wie wenn man eine Bombe in das System der Finanzierungsflüsse wirft.“ Der Anwalt gibt sich sicher: „Wenn das 100.000 Menschen machen, dann kollabiert das System.“

Eine breite, rechte Koalition gegen ARD und ZDF

Schon seit Jahren kämpfen Menschen gegen ARD, ZDF und Deutschlandradio. Manche kritisieren die Struktur des Rundfunks, andere halten die Medien grundsätzlich für Lügner und Manipulatoren. Lange Zeit wurden diese Menschen von der Politik ignoriert. Sie wurden als Querulanten abgetan, ihr politischer Einfluss war gering. Doch das hat sich geändert.

Mittlerweile gibt es eine breite, rechte Koalition gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie besteht aus Rechtskonservativen, neurechten Publizisten und Influencern, Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen und der AfD. Angefeuert vom Shitstorm, den das satirische Umweltsau-Video des WDR ausgelöst hat, versuchen sie seit einigen Wochen ganz gezielt, den Beitragsservice der Rundfunkanstalten lahmzulegen – und die Sender mit bürokratischen Tricks zu sabotieren. Und auch wenn der Beitragsservice und die Rundfunkanstalten sagen, dass die Angriffe bisher kaum Einfluss haben – die neurechten Aktivisten sehen ihre Kampagne trotzdem als Erfolg.

BuzzFeed News Deutschland hat in den vergangenen Wochen die wichtigsten Akteure hinter dieser Kampagne recherchiert. Und zeigt wie sie zusammenarbeiten – und wie erfolgreich sie sind.

Honig-verschmierte Bargeld-Päckchen

Tatsächlich verfängt die Idee in rechten und rechtsextremen Kreisen. So unwichtig und unscheinbar sich Hallo Meinung für Menschen außerhalb rechter Kreise anhört, so wirkmächtig ist die junge Initiative mittlerweile in einem breiten Spektrum aus Rechtskonservativen, Neurechten und Rechtsextremen. Deshalb erreicht die neue Kampagne innerhalb weniger Wochen eine enorme Reichweite und findet ihren Weg bis auf die Bundesebene der AfD.

Sechs Tage nach dem Podcast, in dem Joachim Steinhöfels Idee zum Kampf gegen den Rundfunkbeitrag vorgestellt wird, veröffentlicht der Youtuber und rechte Nachwuchs-Influencer Niklas Lotz, alias „Neverforgetniki“, am 8. Dezember ein Video mit dem Titel „ANSAGE an Rundfunk-Millionäre“.

In seinem Video beschwert sich Lotz über hohe Gehälter in den Rundfunkanstalten, vermeintliche linke Propaganda und die Pflicht, den Rundfunkbeitrag zu zahlen. An seine Zuschauer gerichtet sagt er: „Lasst euch das nicht gefallen.“ Bis heute schauen das Video des 20-Jährigen rund 100.000 Menschen. Alleine auf Youtube hat Lotz 134.000 Abonnenten, bei Facebook folgen ihm mehr als 57.000. Lotz ist seit dem vergangenen Oktober Teil von Hallo Meinung. Als sein Youtube-Kanal im August 2019 gesperrt wurde, ließ er sich von Rechtsanwalt Steinhöfel vertreten, um den Kanal wiederherstellen zu lassen.

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Hallo Meinung verbreitet das Neverforgetniki-Video anschließend auf Facebook und verkündet dort den „Start der großen Aktion gegen die Zwangsgebühren von ARD und ZDF“. Auf ihrer Website bietet die Initiative seitdem Formulare zum Download an, mit denen Beitragszahler ihre Einzugsermächtigungen an den Beitragsservice kündigen können, außerdem Anleitungen zum unregelmäßigen Bezahlen der Beiträge. Hallo Meinung ist dabei sogar noch zuversichtlicher, als Joachim Steinhöfel. „Wenn 20.000 Menschen so schusselig werden und mitmachen, dann geht das System vor lauter Verwaltungsaufwand in die Knie“, heißt es auf der Website. Das wisse man angeblich „aus internen Quellen bei den Gebühreneintreibern.“

Insgesamt verbreitet Hallo Meinung drei Strategien, die Sender zu bekämpfen. Neben der Weigerung, die Beiträge regelmäßig zu zahlen, wollen die Gegner von ARD und ZDF mit massenhaften Datenschutzanfragen für noch mehr bürokratischen Aufwand sorgen. Nach der europäischen Datenschutzgrundverordnung muss der Beitragsservice Bürgern auf Wunsch mitteilen, welche Daten er über sie gespeichert hat. Auch dafür bietet Hallo Meinung einen Vordruck an.

Wenige Wochen später kommt noch eine dritte Strategie dazu: Mit weiteren Formularen sollen möglichst viele Menschen beantragen, ihren Rundfunkbeitrag in Bar bezahlen zu können. Bislang kann der Beitrag lediglich per Lastschrift oder Überweisung bezahlt werden. Joachim Steinhöfel und Hallo Meinung halten das für rechtswidrig. Der Beitragsservice sieht das anders. Nachdem zwei Wohnungsinhaber aus Hessen in mehreren Instanzen gegen den Hessischen Rundfunk geklagt haben, soll der Europäische Gerichtshof die Frage abschließend klären.

Der Kampagne von Hallo Meinung geht es jedoch nicht um eine rechtliche Klärung, sondern um Sabotage, um organisiertes Querulantentum als Protestform. Manche der Rundfunkbeitrags-Gegner beantragen die Barzahlung deshalb nicht nur, sondern schicken gleich ganze Päckchen voller Cent-Stücke an den Beitragsservice in Köln. So etwa der rechte Youtuber und Hallo Meinung-Unterstützer Thomas Grabinger, der sich „Digitaler Chronist“ nennt.

In einem Video sitzt Grabinger, weiße Haare, graues Sacko, auf einem Bürostuhl und spricht in die Kamera. Im Hintergrund ist der Bundestag eingeblendet, mit wehender Deutschlandfahne. „Mein lieber Sohn und ich haben einen kleinen Clip produziert, um zu zeigen, dass wir auch selber zur Tat schreiten“, sagt er. Auf seinem Schreibtisch hat Gräbinger abgezählte Centstücke in kleinen Türmchen gestapelt. Diese schiebt er dann mehr als drei Minuten lang in einen Briefumschlag.

Andere Beitrags-Gegnerinnen zeigen auf Facebook, wie sie Kupfergeld in kleinen Stapeln einzeln verpacken oder in eine Honig-verschmierte Tüte füllen, damit das Zählen für den Beitragsservice besonders unangenehm wird.

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Auch die rechte Youtuberin Lisa H., alias Lisa Licentia, beteiligt sich mit einem Video an der Kampagne zum „GEZ-Boykott“. Im Selfiemodus ruft sie ihre Fans am 22. Dezember von einem Weihnachtsmarkt aus dazu auf, Datenschutzanfragen an den Beitragsservice zu schicken. „Müllt die mit Briefen zu!“ ist das Video übertitelt.

Lisa H. war bis zum Sommer 2019 in der rechtsextremen Identitären Bewegung aktiv, die sie laut eigenen Angaben unter anderem wegen deren Frauenfeindlichkeit verließ. In rechtsextremen Kreisen bewegt sie sich jedoch weiterhin. Im Oktober 2019 nahm sie beispielsweise an einer Demonstration von Rechtsextremen und Reichsbürgern in Berlin teil.

Mit dem Oma-Gate nimmt die Kampagne richtig Fahrt auf

Als Lisa H. ihr Video hochlädt, ist die Sabotage-Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in rechten Internetkreisen bereits bekannt. Richtig Fahrt nimmt sie jedoch erst wenige Tage später auf, als ein satirisches Video des WDR-Kinderchors einen Shitstorm und eine Welle an Hasskommentaren, Bedrohungen und mehreren Demonstrationen gegen den Sender auslöst.

Rechte und rechtsextreme Accounts verbreiten das Video unter anderem auf Twitter, verbinden Kritik an der Satire mit der Ablehnung des vermeintlichen Staatsfunks. Immer mehr Medien berichten darüber, die Politik schaltet sich ein. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet twittert, der WDR habe mit dem Lied „Grenzen des Stil [sic] und des Respekts gegenüber Älteren überschritten.“

Der Leiter des Kinderchors wird derweil im Internet bedroht. Nach einem polemischen Tweet tauchen Neonazis vor dem Haus der Familie eines freien WDR-Mitarbeiters auf. Hallo Meinung und die Initiative „Rundfunk-Frei“ rufen gemeinsam zu Kundgebungen in Köln auf.

Durch den Umweltsau-Skandal wird die Sabotage-Kampagne einer noch jungen rechten Initiative und eines Rechtsanwalts schließlich zu einer größeren Angelegenheit für das ganze rechte Spektrum. Im AfD-nahen „Deutschlandkurier“ schreibt der ehemalige Spiegel-Journalist Matthias Matussek über den „Gebührenboykott als Akt der Moral“. Die Aktion von Hallo Meinung empfiehlt er als „listige[n] bürokratische[n] Guerilla-Kampf“.

Der FAZ-Korrespondent Philip Plickert wirbt am 31. Dezember auf Twitter für Steinhöfels Barzahlungsidee. Im rechtsextremen und islamfeindlichen Blog „PI-News“ empfiehlt der vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtete Michael Stürzenberger am Tag darauf die Kampagne. Der rechte Blog „Journalistenwatch“ verbreitet ebenfalls einen Aufruf zur Demonstration vor der WDR-Zentrale und zur Teilnahme an der „Gebühren-Aktion“ von Hallo Meinung.

Auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung unterstützt die Kampagne. In Köln hängt eine Gruppe von Identitären ein Banner mit dem Aufruf „GEZ sabotieren” an ein WDR-Gebäude. Der österreichische Identitären-Chef Martin Sellner sagt in einem Youtube-Video: „Die IB hat sich damit mit der Aktion von Hallo Meinung solidarisch erklärt.“

Das rechtsextreme „Compact“-Magazin macht den „GEZ-Boykott“ im Februar sogar zum Titelthema. Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer wirft den öffentlich-rechtlichen Medien in einem Artikel Hetze gegen die Pegida-Bewegung und ein „Wegschauen bei Migrantengewalt“ vor. In einem zweiten Artikel wirbt der Compact-Autor Karel Meissner für die Aktions-Idee von Steinhöfel und Hallo Meinung. In einem Infokasten wird ein Musterschreiben zum Barzahlungs-Antrag abgedruckt.

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Der Identitären-Aktivist Mario Alexander Müller stellt auf einer Doppelseite fünf Journalist*innen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten, und den Satiriker Jan Böhmermann an den Pranger. Überschrift: Steckbrief der Schande. Darin erwähnt Müller die sexuelle Orientierung der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Nemi El-Hassan, die für das junge ARD-und ZDF-Angebot Funk gearbeitet hat, unterstellt er einen „Migrantenbonus“. Jede der sechs angeprangerten Personen war in der Vergangenheit schon mehrfach Ziel rechtsextremer Anfeindungen und Bedrohungen.

Die Kampagne schafft es, verschiedenen Akteur*innen und politischen Strömungen, von Rechtskonservativen bis Rechtsextremen, einen gemeinsamen Feind und eine gemeinsame Aktionsform zu geben.

Initiativen wie Hallo Meinung haben mit der AfD längst auch eine Vertreterin im Bundestag und allen 16 Landesparlamenten. In ihrem Bundestagswahlprogramm forderte die Partei 2017: „Der Rundfunkbeitrag ist abzuschaffen, damit in Zukunft jeder Bürger selbst und frei entscheiden kann, ob er das öffentlich-rechtliche Angebot empfangen und bezahlen will.“

So ist es nur logisch, dass die Aktion gegen den Beitragsservice nach ein paar Wochen auch die AfD erreicht. Seit dem 10. Februar bietet die Partei – mutmaßlich nach dem Vorbild von Hallo Meinung – ebenfalls Formulare zum Download an, mit denen Einzugsermächtigungen widerrufen, Barzahlung beantragt und Datenschutzauskünfte verlangt werden können.

Das ist der Mann hinter „Hallo Meinung“

Für Hallo Meinung ist die Kampagne ein voller Erfolg. Hinter der Initiative steht der 65-jährige Bauunternehmer Peter Weber aus Schwarzenbruck bei Nürnberg. Seit 2018 veröffentlicht Weber, der zeitweilig Mitglied der rechtskonservativen CDU/CSU-Splittergruppe Werteunion war, Videos auf Facebook und Youtube. Dort beklagt er sich über die Politik der Bundesregierung. Mit einem Video auf seinem privaten Facebookprofil landet er im September 2018 nach eigenen Angaben gleich einen viralen Hit. Er solidarisiert sich darin mit rechtsextremen Demonstranten in Chemnitz, die er größtenteils zu Unrecht verunglimpft sieht. Er fordert nicht nur gegen rechte, sondern auch stärker gegen linke Straftäter vorzugehen. Und er spricht ausführlich über Kriminalität von Geflüchteten und Migranten.

In dem Video sitzt Peter Weber an seinem Schreibtisch und nimmt einen ausgedruckten Online-Artikel nach dem anderen in die Hand. Er hangelt sich durch die Gesprächsthemen der rechten Szene. Geflüchtete sind in seiner Erzählung kriminell, Medien und Politik belügen das Volk. Was er sagt, seien Fakten, erklärt er. „Bin ich deshalb rechts? Nein.“ In weiteren Videos wirft Weber die Frage auf, ob „wir Marionetten einer vermeintlich elitären Schicht“ sind, mobilisiert gegen den UN-Migrationspakt und behauptet, die ARD wolle „uns einer Gehirnwäsche unterziehen“.

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Auf Youtube wie auf Facebook gibt es eine Vielzahl von Männern über 50, die sich vor der Kamera über die Bundesregierung, die Flüchtlingspolitik oder die Antifa beklagen. Peter Weber will jedoch mehr sein. Darum gründet er im Oktober 2019 die „Hallo Meinung – Interessenvertretung Bürgerforum gGmbH“. Keinen Verein, sondern eine gemeinnützige Firma, die laut ihrer Satzung „im vorpolitischen Raum tätig“ sein und „den offenen Diskurs der Bürger zu Fragen von allgemeinem Interesse“ fördern will.

Heute folgen Hallo Meinung auf Facebook mehr als 80.000 Menschen, Peter Weber selbst sogar mehr als 112.000. Täglich veröffentlicht er dort nicht nur Videos von sich selbst, sondern auch eingesandte Videos und Texte von seinen Sympathisanten und Fördermitgliedern. Angeblich gibt es davon bereits mehr als 30.000, die mindestens 36 Euro im Jahr an Hallo Meinung spenden. Falls das stimmt, hat Peter Webers Initiative bereits ein Jahresbudget von mehr als einer Million Euro.

Mit diesen Einnahmen will er nun eigene Journalist*innen einstellen, die es anders machen, als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Mehrere in der Szene bekannte Namen hat er bereits verkündet: Vera Lengsfeld etwa, die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, Grünen- und CDU-Politikerin und heutige neurechte Publizistin. Oder den ehemaligen Russland-Korrespondenten des Focus, Boris Reitschuster, der mittlerweile für Tichy’s Einblick schreibt. Auch der Historiker und ehemalige Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, ist nun für Hallo Meinung tätig. Geleitet werden soll das „redaktionelle Netzwerk“ von dem Journalisten Klaus Kelle.

Peter Weber stand trotz zweimaliger Nachfrage nicht für ein Interview mit BuzzFeed News Deutschland zur Verfügung.

Der Beitragsservice scheint gut gewappnet

Die Sabotage-Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der erste große Aufschlag von Hallo Meinung. Peter Weber und seine Mitstreiter*innen behaupten, ihre Initiative habe bereits Erfolg. Mitte Januar verkündet Hallo Meinung auf Facebook, eine interne Quelle „bei der GEZ“ habe von abertausenden Schreiben, E-Mails „und auch viele[n] Briefe[n] mit Bargeld“ berichtet, die sich dort stapelten. Joachim Steinhöfel schreibt in einem Blogbeitrag, die Strategie scheine „erste Früchte zu tragen.“ Denn: „Wie anders liesse [sic] es sich erklären, dass der „Beitragsservice“ sogar in einer Pressemitteilung einräumen muss, dass das System extrem herausgefordert ist?“

Tatsächlich findet sich auf der Website des Beitragsservice ein Hinweis auf eine „längere Bearbeitungsdauer durch erhöhtes Vorgangsaufkommen.“ Dieser Hinweis steht dort jedoch bereits seit April 2019. Der Grund: Nach einem Meldedatenabgleich im Jahr 2018 schrieb der Beitragsservice viele potentielle neue Beitragszahler an. Auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018, nach dem Nebenwohnungen vom Rundfunkbeitrag befreit werden können, sorgte für mehr Anträge, wie die Faktenchecker von Correctiv berichteten. Mit der aktuellen Kampagne hat der Hinweis laut Beitragsservice hingegen nichts zu tun.

Die Auswirkungen der Kampagne seien sehr gering, schreibt der Pressesprecher des Beitragsservices, Christian Gärtner, auf Anfrage von BuzzFeed News. „Wir sind technisch und organisatorisch gut aufgestellt, um damit umgehen zu können.“ Dass Menschen Bargeld einschicken, sei ein „absolutes Randphänomen.“

Lediglich die Zahl der Datenschutzanfragen habe sich zum Jahreswechsel vorübergehend erhöht. Angestiegen sei sie jedoch schon seit Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung im Mai 2018. „Im Verhältnis zu den rund 46 Mio. Beitragskonten bewegt sie sich jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau. Auch unter den Datenschutzanfragen sind gelegentlich Musterschreiben aus dem Internet.“

Und wie steht es um die Anzahl der Rundfunkgebühren-Verweigerer? Hallo Meinung behauptet: „Fast 4 Millionen Menschen verweigern bereits ihre Zwangsgebühren!“ Tatsächlich waren laut dem Jahresbericht des Beitragsservice Ende 2018 fast 3,5 Millionen Beitragskonten im Zahlungsverzug. Der Grund seien erfahrungsgemäß überwiegend finanzielle Umstände, schreibt der Pressesprecher des Beitragsservice. „Die Zahl der Beitragskonten im Mahnverfahren des Beitragsservice (knapp 8 Prozent aller Beitragskonten) entspricht ziemlich genau der Zahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland.“

Offenbar kollabiert das System doch nicht so einfach, wie Joachim Steinhöfel sich das im Dezember 2019 vorgestellt hatte. Im Telefonat mit BuzzFeed News rudert Steinhöfel Ende Februar zurück. „Dass man damit nicht das öffentlich-rechtliche System zum Einsturz bringt, das ist doch naheliegend“, sagt Steinhöfel. Seine Formulierungen seien sicher etwas optimistisch und überspitzt gewesen.

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