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Berlin richtet erstmals eine Beratungsstelle für berufskranke Menschen ein

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Viele kranke Arbeiter*innen bleiben ohne Entschädigung. Berlin ist jetzt das dritte Bundesland, das eine unabhängige Beratung fördern will.

Die Berliner Landesregierung will in den kommenden Monaten eine neue Beratungsstelle für Menschen einrichten, die durch die Arbeit krank geworden sind. Berlin wird damit das dritte Bundesland, das eine solche Beratung finanziert. „Wir müssen versuchen, den Leuten konkrete Hilfe anzubieten“, sagt Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales in Berlin. „Die Zahl der Verfahren ist gestiegen. Das ist ein Problem, auf das wir reagieren müssen.“

Jedes Jahr sterben in Deutschland gut 2.500 Menschen an einer Berufskrankheit, das sind fast so viele Tote wie im Straßenverkehr. 75.000 Menschen zeigen jedes Jahr eine Berufskrankheit an, nur gut ein Viertel bekommt danach eine Entschädigung. In anderen Ländern, wie Frankreich, Spanien oder Dänemark werden deutlich mehr Berufskrankheiten anerkannt.

Recherchen von BuzzFeed News Deutschland hatten im vergangenen Jahr gezeigt, dass es für berufskranke Menschen in Deutschland viele bürokratische Hürden gibt. So fehlen ihnen oft Belege, dass tatsächlich die Belastungen bei der Arbeit sie krank gemacht haben. Und oft sind Gutachter von den Berufsgenossenschaften abhängig und urteilen gegen die Betroffenen.

Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales.
Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales. © Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales

Häufig frustriert der Kampf mit den Berufsgenossenschaften jene Menschen, die sich fast ihr ganzes Leben für den Beruf aufgeopfert haben – und sich jetzt, wo sie krank geworden sind, ausgebeutet fühlen. Dabei sollen die Berufsgenossenschaften eigentlich kranken Arbeitern helfen. Fast jeder Deutsche ist bei ihnen gegen Unfälle und Krankheiten bei der Arbeit versichert.

„Das Thema Berufskrankheiten brennt“

Eine der zentralen Forderungen von Experten ist deshalb eine bessere und vor allem unabhängige Beratung für betroffene Menschen – damit diese sich in den oft langen Auseinandersetzungen mit den Berufsgenossenschaften besser zurecht finden. Und weil sich eine unabhängige Beratung für den Steuerzahler vermutlich rechnen würde: Jede zu Unrecht nicht anerkannte Berufskrankheit muss von Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- oder Pflegeversicherung aufgefangen werden.

In Berlin sollen sich in Zukunft in einer neuen Stabsstelle bis zu drei Mitarbeiter*innen um die Probleme von berufskranken Menschen kümmern. Sie wird voraussichtlich im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen und über die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zu erreichen sein.

Die Beratung des Landes Berlin soll zwar aus Steuergeld finanziert werden, aber trotzdem unabhängig sein: denn das Land Berlin ist nicht für die Entschädigung von Betroffenen zuständig. Mögliche Entschädigungen für Arbeiter*innen werden von den Berufsgenossenschaften bezahlt, die wiederum von allen Unternehmen in Deutschland finanziert werden.

„Wenn man durch die entsprechenden Gremien geht, dann sieht man relativ schnell, dass das Thema Berufskrankheiten brennt“, sagt Alexander Fischer von der Partei Die Linke, in Berlin Staatssekretär für Arbeit und Soziales. Deshalb sei eine Beratung für alle möglichen Probleme eines berufskranken Menschen nötig. „Es kann sein, dass er eine Krankheit hat und den Verdacht hat, es könnte eine Berufskrankheit sein. Es kann sein, dass er sich schon im Problem befindet beim Anerkennungsprozess“, sagt Fischer.

Beratung in Bremen, Hamburg und Berlin

Bisher gibt es unabhängige Beratungsstellen in Bremen und Hamburg. In Bremen kümmert sich ein kleines Team der Arbeitnehmerkammer um Betroffene. In Hamburg übernimmt das die Beratungsstelle Arbeit und Gesundheit. Die Hamburger Berater helfen Betroffenen als Einzige falls nötig sogar dabei, die Berufsgenossenschaft vor dem Sozialgericht zu verklagen. Das ist in Bremen und Berlin nicht möglich. „Das Ziel dieser Beratungsstelle ist es, die Leute so gut zu begleiten, dass möglicherweise Gerichtsverfahren nicht mehr nötig werden“, sagt der Berliner Staatssekretär Alexander Fischer.

Die Investitionen in eine unabhängige Beratung für Berufskranke sind in Deutschland bislang überschaubar. In Hamburg zum Beispiel wird weniger als eine Stelle für die Beratung finanziert. So konnte die Stelle in den vergangenen Jahren meist rund einem Dutzend Betroffenen helfen – bei mehreren Hundert Anträgen auf eine Berufskrankheit allein in Hamburg pro Jahr.

Ob die drei Stellen in Berlin ausreichen werden und wie das Angebot überhaupt angenommen wird, will Fischer in den kommenden beiden Jahren analysieren. Er hofft, dass weitere Bundesländer seinem Beispiel folgen. „Ich glaube, es ist bundesweit nötig, so etwas zu machen“, sagt Fischer.

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