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Wir ziehen vor das Bundesverfassungsgericht – für mehr Informationsfreiheit aller Bürger

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Mit Hilfe des Deutschen Journalistenverbandes wollen wir Akten des Bundesrechnungshofes wieder zugänglich machen.

Akten des Bundesrechnungshofes bleiben seit Jahren unter Verschluss. Das wollen wir ändern.
Akten des Bundesrechnungshofes bleiben seit Jahren unter Verschluss. Das wollen wir ändern. © Andreas Rentz / Getty Images

Vier Milliarden Euro gibt Deutschland jedes Jahr für Forscher aus, die nicht an Universitäten arbeiten, also zum Beispiel für die Max-Planck-Gesellschaft. Und die Behörden kontrollieren nicht ausreichend, was mit den Milliarden passiert. Das bemängelt der Bundesrechnungshof in seinem aktuellsten Bericht. Doch an welchen Instituten gibt es Probleme? Wer ist verantwortlich? Auf welchen Dokumenten basiert die Kritik? Das alles bleibt unter Verschluss.

Das ist kein Einzelfall. Der Bundesrechnungshof prüft alle Einnahmen und Ausgaben der Bundesregierung, jedes Jahr gut 600 Milliarden Euro. Er ist Anwalt der Bürger und soll dafür sorgen, dass die gezahlten Steuern nicht verschwendet werden. Die Berichte sind oft brisant, aber nur teilweise öffentlich. Vieles bleibt geheim.

Deshalb gehen wir jetzt mit Hilfe des Deutschen Journalisten Verbandes vor das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Die Geschichte unserer Klage beginnt schon 2011

Die Geschichte dieser Klage beginnt vor sieben Jahren. Damals, im Sommer 2011, recherchierten der freie Journalist Niklas Schenck und ich, damals auch freier Journalist, zur Förderung der deutschen Sportverbände. Wir wollten wissen: Wird das Geld im deutschen Sport gerecht verteilt? Oder gibt es Machtmissbrauch? Wir stießen auf zahlreiche Ungereimtheiten – auch dank des Informationsfreiheitsgesetzes, das jedem Bürger Zugang zu Dokumenten von Behörden ermöglicht.

2011 beantragten wir Akten des Bundesinnenministeriums. Damit begann unser Streit mit den Behörden.
2011 beantragten wir Akten des Bundesinnenministeriums. Damit begann unser Streit mit den Behörden. © Pinkomelet / Getty Images

Mit Hilfe des Gesetzes hatten wir zahlreiche Akten aus dem Bundesinnenministerium beantragt. Viele dieser Akten hat uns das Ministerium – gegen hohe Gebühren – zur Verfügung gestellt. Einige Akten, darunter auch Prüfberichte des Bundesrechnungshofes, hielt das Ministerium jedoch zurück. Und dabei auf ein Gesetz verwiesen, das der Bundestag im Juni 2013, nachts, um 0.25 Uhr klammheimlich geändert hatte: Paragraph 96, Absatz 4 der Bundeshaushaltsordnung.

Politiker verhindern Transparenz

Ende 2012 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass der Bundesrechnungshof die Akten, die er bei seinen Prüfungen führt, nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes offen legen muss. Einige Bundestagsabgeordneten wollten jedoch verhindern, dass die Öffentlichkeit mehr über die Verwendung ihrer Fraktionsfinanzen erfährt.

Über den Haushaltsausschuss des Bundestages sorgten die Politiker deshalb gemeinsam mit dem Bundesrechnungshof für eine Änderung der Bundeshaushaltsordnung. Sie wollten den Bürgern den Zugang zu den Akten wieder versperren. Mitte 2013 nahm der Bundestag nach einem tatsächlich in hohem Maße intransparenten Gesetzgebungsverfahren den Vorschlag an. Seitdem gibt es mit § 96 Abs 4 BHO eine Informationssperre für Prüfungsakten des Rechnungshofes.

Vor fünf Jahren haben wir das erste Mal gegen das Bundesinnenministerium geklagt.
Vor fünf Jahren haben wir das erste Mal gegen das Bundesinnenministerium geklagt. © Micha Chodyra / Getty Images

Dieser Paragraph ist also ein Sondergesetz, das verhindern soll, dass Bürger und Journalisten Einblick in die Unterlagen des Bundesrechnungshofes bekommen. Experten wie der Verwaltungsrechtler Friedrich Schoch halten das Gesetz für verfassungswidrig.

Wir haben vor rund fünf Jahren erstmals gegen das Bundesinnenministerium geklagt, um diesen Zugang zu Prüfberichten für uns und alle anderen Bürger trotzdem zu erzwingen. Der Deutsche Journalisten Verband unterstützt uns seit Beginn dabei, weil er die Klage über den Einzelfall hinaus als wichtig empfindet. Unsere Klage gegen die Entscheidungen des Bundesinnenministeriums wurden bislang in drei Instanzen zurückgewiesen – zuletzt im März 2018 vom Bundesverwaltungsgericht. Deshalb haben wir Anfang August Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt.

Darf der Staat erteilte Rechte wieder einschränken?

„Die verfassungsrechtlich entscheidende Frage ist: Wie weit reicht der Schutz des Artikels 5 Grundgesetz, die Grundlage der Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit? Darf der Staat einmal erteilte Informationsrechte so ohne Weiteres wieder einschränken?“, fragt Anwalt Wilhelm Mecklenburg, der den Prozess für uns führt. „Wenn Informationsrechte eingeschränkt werden, muss die Verhältnismäßigkeit dieser Einschränkung geprüft werden, was im Falle des § 96 Abs 4 BHO nicht geschehen ist. Wir sind der Ansicht, dass die Rücknahme der Informationsrechte durch diese Sondervorschrift zu Gunsten des BRH nicht verhältnismäßig ist“, sagt Mecklenburg. „Es braucht dieses scharfe Sondergesetz zum Schutz des Bundesrechnungshofes nicht. Auch, weil es im Informationsfreiheitsgesetz schon zahlreiche Einschränkungen gibt, die diesen Bereich mit abdecken.“

Das Bundesverfassungsgericht soll nun entscheiden, ob diese Vorschrift mit der Verfassung vereinbar ist. Sollte dem nicht so sein, müsste die Gesetzesänderung aufgehoben werden. Alle Bürger hätten wieder die Möglichkeit, die Akten des Bundesrechnungshofes einzusehen.

„Wie weit reicht die Informationsfreiheit?“

„Wir Bürger sind ja der Staat und wir als Journalisten sorgen für gezielt aufbereitete Journalisten für alle. Dazu gehört auch, dass wir an die entsprechenden Informationen kommen“, sagt der Vorsitzende des DJV NRW, Frank Stach. „Aber immer wieder gibt es offenbar mächtige Gruppen, die mündigen Bürgern Informationen vorenthalten wollen. Das darf aus unserer Sicht natürlich nicht sein und dafür gehen wir dann bis vor das Bundesverfassungsgericht und helfen da unseren Mitgliedern sehr gerne.“

„Im Interesse der Pressefreiheit und der Transparenz ist es dem Deutschen Journalisten-Verband ein wichtiges Anliegen zu klären, wie weit die Informationsfreiheit nach dem Grundgesetz reicht“, sagt Stefan Endter, Geschäftsführer des DJV Hamburg. „Deshalb unterstützen wir das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gern.“

Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist voraussichtlich nicht vor 2020 zu rechnen.

Hier findet ihr die von uns eingereichte Verfassungsbeschwerde in voller Länge.

Wer sich in der Zwischenzeit selbst mit seinem Bürgerrecht auf Information auseinandersetzen will, kann dies über die Seite fragdenstaat.de tun. Dort wird Bürgern und Bürgerinnen geholfen, Informationen bei Behörden zu beantragen. Hier gibt es zudem einen kostenlosen Ratgeber zum Informationsfreiheitsgesetz sowie zum Presseauskunftsrecht.

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