1. BuzzFeed
  2. Recherchen

Rechte Aktivisten haben sich Tricks von YouTubern abgeschaut – und das wird immer gefährlicher

KommentareDrucken

Eine kleine Gruppe rechter Aktivisten hat herausgefunden, wie man die Medien mit viralen Aktionen manipuliert. Dazu gehört auch die Identitäre Bewegung.

BuzzFeed.de
BuzzFeed.de © Sian Butcher / BuzzFeed / Via Lauren Southern / YouTube

Letzten Monat startete eine Kanadierin von einem kleinen Boot auf dem Mittelmeer vor der Küste Italiens aus einen Livestream auf Periscope. In einem körnigen vierminütigen Video berichtet sie ihren Twitter-Followern von ihrer Mission: Gemeinsam mit italienischen, österreichischen und französischen Rechten will sie ein Schiff stören, das auf See festsitzende Flüchtlinge rettet.

„Wenn die Politiker die Boote nicht stoppen, dann stoppen wir eben die Boote“, sagt Lauren Southern, eine 22-jährige Journalistin, die zur Aktivistin wurde und in den vergangenen Monaten bei rechten Online-Communitys an Beliebtheit gewonnen hat.

Southerns Livestream schaffte es auf 1000 aktive Zuschauer, als sie und die Mitglieder der Identitären Bewegung, einer rechten Jugendgruppe, auf ein Schiff mit dem Namen the Aquarius zusteuerten. Das über 75 Meter lange Schiff wird von einer Wohltätigkeitsorganisation namens SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen betrieben, die mit ihrer Arbeit Flüchtlinge und Migranten auf dem Mittelmeer retten. Southern und ihre Crew zündeten Fackeln an und entrollten ein großes rotes Banner mit der Aufschrift „KEIN WEG FÜR MENSCHENHANDEL“. Alle wurden von der italienischen Küstenwache wegen zivilen Ungehorsams festgenommen.

„Wir konnten uns ihnen mit unserer Flagge, unseren Fackeln in den Weg stellen“, erklärte Southern BuzzFeed News bei einem Interview in London. „Wir wollten dieses Bild des Trotzes, um uns größere Projekte finanzieren lassen zu können.“

Die Aktion hat funktioniert. Sie machte internationale Schlagzeilen, was dem Projekt Defend Europe der Identitären Bewegung zu Bekanntheit verhalf. Im Juni hatte die Crowdfunding-Kampagne mehr als 60.000 US-Dollar eingebracht. Die Aktion richtet sich gegen die Arbeit von Organisationen wie MSF, denen sie vorwerfen „Teil eines internationalen Rings für Menschenhandel und das Geschäft mit Migranten“ zu sein. Southern sagte, sie wolle als eine Brücke zwischen den rechten europäischen Gruppen hinter dem Projekt und den rechten Communities in den Vereinigten Staaten agieren, die durch den Präsidentschaftssieg von Donald Trump ermutigt wurden. Southerns Auftritt war allem Anschein nach ein Erfolg: Tausende von Klicks, Tausende von Tweets, Dutzende von 4chan-Threads und Berichterstattung in den Mainstream-Medien.

Southern filmte ihre Aktion letzten Monat per Periscope aus dem Mittelmeer. © Lauren Southern / Periscope

Southern ist Teil eines sich ausdehnenden neuen Universums rechter Internet-Persönlichkeiten, die sich an einer politischen Jugendbewegung in den USA orientieren, die sich "New-Right oder "Alt-Right" oder "New Far-Right" nennt, so etwas wie die Neue Rechte in Deutschland. Diese Gruppe ist nun dabei, sich mit anderen rechten Fraktionen im Ausland zu verbinden, um ihr Online-Trolling in die echte Welt zu bringen.

„Ich denke nicht, dass die Alt-Right mich als Alt-Right bezeichnen würde. Sie nennen mich für gewöhnlich Alt-Lite. Ich sehe mich selbst als Nationalistin oder Traditionalistin“, sagte Southern. „Auch wenn [Trump] nicht funktioniert hat – er hat Syrien bombardiert – war er dennoch das Chaos, das wir wollten, um unsere Macht zu beweisen.“

Southerns Protest auf dem Mittelmeer gehört zu einer Reihe von Real-Life-Aktionen, die die extreme Rechte kürzlich durchgeführt hat: Im Mai führte White Nationalist und Alt-Right-Gründer Richard Spencer einen Protest gegen die Entfernung eines Konföderierten-Denkmals in Charlottesville, Virginia, an. Jack Posobiec, rechter Schriftsteller und Internet-Persönlichkeit, unterbrach eine New Yorker Produktion von Julius Caesar mit einem Donald-Trump-Double.

„Hier findet eine Bewegung statt“, sagte Southern.

Southern kommt viel rum. Sie war kürzlich in Frankreich, dann in Italien und London und reist als nächstes nach Kalifornien, um dort eine Rede mit dem Titel „Die Rückkehr traditioneller Frauen“ an der California Polytechnic State University zu halten.

Auf den Punkt zu bringen, was genau Southern macht, ist nicht einfach. Sie verwendet den Begriff Journalistin, aber gibt zu, dass sie keine Journalistin im traditionellen Sinne ist. „So ähnlich wie Hunter S. Thompson, wissen Sie?“, sagte sie in einem kürzlich geführten Interview.

In einem anderen Leben, so Southern, würde sie wohl als Nachrichtenoffizier beim kanadischen Militär arbeiten. Nach zwei Jahren an der University of the Fraser Valley, brach sie ihr Politikstudium ab. Aber eine zufällige Begegnung auf einer Konferenz mit Ezra Levant, dem Gründer von Rebel Media, der kanadischen Antwort auf Breitbart, sollte alles verändern. Southern sagte, dass er sie bat, ein paar YouTube-Videos für sein Start-Up zu erstellen. So tauchte sie schnell komplett in die Video-Produktion ein. Ihre Videos haben regelmäßig Millionen von Zuschauern auf YouTube und Facebook.

Binnen kurzer Zeit wurde Southern zu einem der bekanntesten Gesichter der Upside-Down-Medien der neuen amerikanischen Ultrarechten. Sie hat in etwa so viele Follower bei Twitter wie die rechte Social-Media-Persönlichkeit Mike Cernovich, mit dem sie gut befreundet ist. Vor drei Monaten hat sie ihren Job gekündigt und einen Patreon-Account erstellt. Seitdem lässt sie sich als Rednerin engagieren und sammelt Spenden.

Southern hat rund 300.000 Follower auf Twitter, 60.000 Follower auf Instagram, 10.000 weitere auf Periscope, einen YouTube-Kanal mit 200.000 Abonnenten und eine öffentliche Facebook-Seite mit 95.000 Likes. All das wird gestützt durch ihre Patreon-Seite mit rund 600 Patreons, von denen sie insgesamt rund 5000 US-Dollar im Monat bekommt.

„Wir haben so getan, als wären wir Journalisten verschiedener Organisationen … sie haben sich richtig gefreut, uns all diese Informationen geben zu können.“

Southern sagte, sie fand ihre Nische im Jahr 2015, als sie für Rebel Media arbeitete und Videos mit dem früheren Breitbart-Redakteur Milo Yiannopoulos produzierte. Sie zog viel Aufmerksamkeit auf sich, als sie verschiedene SlutWalk-Demonstrationen störte, sich über Teilnehmerinnen lustig machte und die Highlights ihrer Aufnahmen auf dem YouTube-Kanal und der Facebook-Seite von Rebel Media veröffentlichte. Southern beschreibt das als Offenbarungserlebnis. Es war der Punkt, an dem ihr klar wurde, wie sich all ihre Social-Media-Accounts auf ein Event fokussieren könnten, um einen maximalen Effekt zu bewirken.

„Man könnte das für Aktivismus halten – wir gehen da hoch und protestieren gegen das, was passiert, oder? Aber wir haben auch eine Menge darüber gelernt, wie diese feministischen Demonstrantinnen auf Leute reagieren, die ihnen widersprechen“, sagte sie. „Sie haben uns angegriffen, sie haben unsere Schilder zerstört, sie haben uns geschubst. Wir haben alles auf Film und wir können uns ansehen, wie es ist, bei der Demo zu sein und ihnen Widerstand zu leisten.“

Seitdem hat sie diesen Ablauf für ihre Aktionen im Außeneinsatz beibehalten – sie taucht mit einer Kamera auf, feindet Leute an, baut es auf Social Media als Live-Event auf, das ihre Fans von zu Hause verfolgen können, und veröffentlicht am nächsten Tag eine Zusammenfassung auf YouTube. Ihre Videos sind raffiniert. Das ihrer Aktion in Italien trägt den Titel „HABE ICH DEN VERSTAND VERLOREN?“ und beginnt damit, dass sie für 20 Minuten auf einem Boot voller Fackeln fährt, während im Hintergrund Dubstep spielt.

Southern beschreibt ihre Arbeit als „Gonzo-Journalismus“ – sie sagt, sie habe in Italien die regierungsunabhängigen Organisationen der Gegend angerufen und sie mit einem Trick dazu gebracht, ihr und den Mitgliedern der Identitären Bewegung Informationen darüber zu geben, wann die MSF Missionen zur Flüchtlingsrettung durchführen werden.

„Wir haben so getan, als wären wir Journalisten verschiedener Organisationen, die nur nach Informationen über diese Schiffe fragen, und sie haben sich richtig gefreut, uns all diese Informationen geben zu können“, sagte sie. „An einer Stelle habe ich allerdings aus Versehen ‚Migranten‘ statt ‚Flüchtlinge‘ gesagt und ich glaube da wurden sie misstrauisch.“

Ein Sprecher von MSF teilte BuzzFeed News mit, dass Southerns Beschreibung der Vorfälle keinen Sinn ergäbe. „All diese Informationen stehen öffentlich auf Seefahrts-Websites zur Verfügung“, sagte der Sprecher. „Sonst haben wir nichts zu der Sache zu sagen, da wir nicht Teil eines Medienkrieges mit rechten Aktivisten werden wollen.“

Ein Standbild aus Southerns Video über ihren MSF-Protest in Italien. © Lauren Southern / YouTube

In der Nacht, als Southern ihr Live-Video über Periscope ins Netz gestellt hat, sind in den rechtsgerichteten sozialen Medien die Diskussionen über sie in Fahrt gekommen. Es war ihre ehrgeizigste Aktion bisher, wenn auch im Grunde nicht so viel anders als ihre übliche Masche. Anstatt ein Schild mit der Aufschrift „‚Rape Culture‘ und Harry Potter … beides Fantasy“ zu einer Demo gegen sexuellen Missbrauch mitzunehmen, hat sie in einem Boot ein Schild mit der Aufschrift „Kein Menschenschmuggel“ hochgehalten und sich so in den Weg eines MSF-Schiff gestellt.

Southerns Eskapaden haben sie in der 4chan-Politik-Community, besonders beliebt gemacht. In den Tagen vor und nach ihrem Auftritt in Italien gab es bei 4chan so viele Threads über sie gleichzeitig, dass sich User schon darüber beschwert haben. Anfangs hatte die 4chan-Community allerdings Bedenken, dass sie kein echter White Nationalist sei. Dann, als klar wurde, dass sie es ernst meint, haben ein paar User versucht, Leute dazu zu kriegen, sich zur Unterstützung des Defend-Europe-Crowdfunding zusammenzutun. „Verdammt, ich fange an, diese blonde kanadische Shitposting-Jüdin zu lieben“, so ein User.

Gegen Ende der Aktion war die 4chan-Community völlig von ihrem Projekt überzeugt, obwohl 4chan sonst stets misstrauisch Frauen gegenüber ist, die für etwas einstehen wollen. „Hilf mit, Europa zu verteidigen, und gewinne ein Date mit Lauren Southern“ lautete der Titel eines riesigen Threads über ihre Arbeit mit der Identitären Bewegung.

„4chan ist zu Dingen hingezogen, die der Community das Gefühl geben: Vielleicht können wir durch Trolling den Journalisten davon abhalten, diese Story zu schreiben, vielleicht können wir diese Schiffe wirklich finden und für Veränderung sorgen, vielleicht können wir wirklich diese Flagge finden“, so Southern. „Ob es nun darum geht, einen Journalisten in Vergessenheit zu trollen, bis er seinen Twitter-Account löscht, oder ein Schiff zu finden.“

BuzzFeed.de © 4chan
BuzzFeed.de © 4chan

Screenshots von 4chan-Threads über Southern während ihrer Aktion in Italien.

Mit „diese Flagge finden“ bezieht sie sich auf die Monate andauernde Fehde der 4chan-Community mit Shia LeBeouf. LaBeouf hatte einen 24-Stunden-Livestream in New York City eingerichtet, um gegen die Amtseinführung von Donald Trump zu protestieren. Der Plan war es, ihn während der gesamten Präsidentschaft von Trump laufen zu lassen. Das Ganze endete damit, dass 4chan-Mitglieder LaBeoufs Kunstaktion sabotiert und den Schauspieler und seine Unterstützer in dem Maße belästigt haben, dass der ursprüng-liche Livestream abgeschaltet wurde. Die Kunstakttion wurde an einem anderen unbekannten Ort fortgeführt. Der Livestrean zeigte dann nur noch eine Flagge mit der Aufschrift "He Will Not Divide Us". Diese wurde jedoch bald von 4chan-Usern ausfindig gemacht, entwendet und durch eine "Make America Great Again"-Flagge ersetzt. Die Ausstellung hat dreimal den Ort gewechselt, aber wurde jedes Mal durch 4chan gestört.

In den vergangenen sechs Monaten hat Southern nach Dingen gesucht, auf die die User auf Reddit, 4chan oder Twitter sich bequem von ihren Bildschirmen aus stürzen können. Sie war im Januar auf dem Deploraball in Washington, DC, im April bei der Battle for Berkeley, im Mai bei den jüngsten Wahlprotesten in Frankreich und erst kürzlich wurde sie mit „Pisse oder irgendeinem Gift“ auf einer Anti-Sharia-Demo in New York beworfen.

Seit der Wahl von Präsident Trump ist eine ganze Reihe neuer, einflussreicher Personen entstanden. Allerdings haben Leute wie Southern, Tim „Baked Alaska“ Treadsone (ein früherer BuzzFeed-Mitarbeiter), Richard Spencer, Cassandra Fairbanks und Mike Cernovich jetzt mit einem Teufelskreis zu kämpfen, der Persönlichkeiten in den neuen Medien bereits seit fast einem Jahrzehnt quält. Sie gewinnen online an Einfluss und ziehen in den Krieg gegen die Mainstream-Medien, die sie als alt und realitätsfremd betrachten, bis dann für gewöhnlich die Community implodiert, weil interne Kämpfe darum stattfinden, wie der neu gewonnene Ruhm am effektivsten genutzt werden kann.

Milo Yiannopoulos war auf Twitter bereits permanent gesperrt worden, weil er Ghostbusters-Star Leslie Jones belästigt hatte, aber konnte weiterhin für Breitbart schreiben und sich schließlich einen vielversprechenden Vertrag als Autor bei Simon & Schuster sichern. Doch als ein Clip von Yiannopoulos ans Licht kam, in dem er sagt, dass Beziehungen „zwischen jüngeren Jungen und älteren Männern … sehr positive Erfahrungen sein können“, verlor er er sowohl seinen Job bei Breitbart als auch seinen Autorenvertrag. Jetzt betreibt er eine Facebook-Seite, auf der seine Videos nur mit Mühe eine Million Aufrufe erreichen. Alex Jones, der berüchtigte Moderator von Infowars, hat sich als Quoten-Desaster für Megyn Kelly herausgestellt, als sie die umstrittene Entscheidung traf, am Vatertag ein Interview mit ihm bei NBC News auszustrahlen.

Southern und anderen rechten Einflussnehmern wie ihr ist es gelungen, in relativ kurzer Zeit eine große Zahl junger Leute zu erreichen. Aber aufgrund ihrer Inhalte gibt es keine Social-Media-Plattform, die es ihnen ermöglicht, damit Geld zu machen. YouTube hat die Monetarisierung von Southerns Kanal eingestellt und sie sagt, dass in ihren Videos keine Werbung mehr gezeigt wird.

„Eine lange Zeit wollt ich wirklich nicht auf Patreon gehen und es einfach nur selbst schaffen. Und wisst ihr was, das hätte ich auch, aber YouTube hat es uns mit der Werbung vergeigt“, sagte sie.

Seitdem nutzt sie andere Social-Media-Dienste wie Facebook und Twitter, um Spenden zu sammeln und hat die reale Welt in ihre Monetarisierungsplattform verwandelt. Jede Woche gibt es ein neues Event im Stil von He Will Not Divide Us für ihre Follower.

Sie glaubt außerdem, dass sie sich dadurch, dass sie mit ihrer Arbeit in die Welt geht, von denen unterscheiden kann, die keine echten Aktivisten sind.

„Ich weiß ganz sicher, dass es eine Menge Leute gibt, die [mit der Rechten] Geld machen wollen“, sagt sie. „Und sie begnügen sich damit, den ganzen Tag in ihrem Keller oder ihrem Studio zu sitzen und Videos zu machen, nur damit sie so viel Geld wie möglich aus der Empörung der Rechten ziehen können.“

„Das ist ein bisschen wie wenn Kevin Spacey in House of Cards zum Bildschirm redet, versteht ihr?“

Ein weiterer Rebel-Media-Schüler, der kürzlich Schlagzeilen gemacht hat, indem er sein rechtes Trolling offline weiterführte, ist Jack Posobiec. Posobiec und eine Rebel-Media-Journalistin namens Laura Loomer waren bei einer umstrittenen modernen Produktion von Shakespeares Julius Caesar mit einem Donald-Trump-Doppelgänger in der Titelrolle anwesend. Loomer – die mit dem Handy in der Hand einen Periscope-Livestream übertrug – ist auf die Bühne gestürmt, während Posobiec aus dem Publikum „Goebbels wäre stolz“ rief. Posobiec bezeichnet solche Aktionen als „Durchbrechen der vierten Wand.“

„Das ist ein bisschen wie wenn Kevin Spacey in House of Cards zum Bildschirm redet, versteht ihr? Also direkt mit dem Zuschauer spricht“, sagt Posobiec BuzzFeed News. „So ungefähr sehe ich das, aber in einem Social-Media-Modus.“

Posobiec hat Rebel Media letzten Monat verlassen und vor kurzem ein Buch veröffentlicht. Er hat einen Patreon-Account, aber ist noch nicht zu Southerns Crowdfunding-Modell übergegangen. Loomer, Posobiecs Partnerin bei der Julius-Caesar-Aktion, nutzt gerade Crowdfunding, um ihre Verteidigung gegen Klagen wegen widerrechtlichen Betretens und zivilen Ungehorsams zu bezahlen. Posobiec sagt, dass es für ihn bei dieser Art des „Durchbrechens der vierten Wand“ darum geht, seine Nachricht zu vermitteln.

„Ich hätte in einem Kino oder jedem beliebigen – egal was hier in New York aufspringen können. Das hätte nicht den selben Effekt gehabt, weil es nicht den Kontext des Shakespeare-Stücks gehabt hätte, des sogenannten ‚Trump-Attentat-Stücks‘“, sagte er. „Es ist also dieser Kontext, der bei allem die Schlüsselrolle spielt. Es geht darum, diese Botschaft zu verdrängen, die sie dort senden. Im Grunde haben sie ihre Geschichte, wir haben unsere Gegengeschichte.“

Ein Standbild aus einem Twitter-Video, das Posobiec aus dem Publikum einer New Yorker Shakespeare-in-the-Park-Produktion von Julius Caesar aufnahm. © Jack Posobiec / Twitter

Southern und Posobiec hoffen, dass „das Brechen der vierten Wand“ mit realen Kontroversen ihnen helfen wird, ihre Botschaft besser zu verbreiten – dieselbe Strategie mit der YouTuber Etayyim „E.T.“ Etayyim und sein jüngerer Bruder Mohammed im Jahr 2014 erfolglos versucht hatten, zu Internet-Ruhm zu finden.

Die beiden Brüder hatten „Hood Prank“-Videos und Social Experiments produziert. Sie waren mit einer Kamera in vorwiegend schwarze Communitys in Brooklyn gegangen und hatten dort die Anwohner angefeindet. In einem ihrer umstrittensten Videos mit dem Titel „Time Check Prank in the Hood“ hatten sie versucht, Leuten ihre Handys aus der Hand zu reißen.

Genau wie Southern von Anti-Trump-Demonstranten mit Eiern beworfen und von Antifaschisten mit Urin aus Flaschen bekippt wurde, sowie sie sich von der italienischen Küstenwache festnehmen lassen musste, wurden die Etayyim-Brüder zu Boden geworfen, geschlagen und von lokalen Persönlichkeiten und der NYPD verurteilt. Nachdem der Schockwert ihrer Videos verblasste, sind die Etayyim-Brüder jedoch schnell aus dem Blickfeld verschwunden. Ihr Prank-Kanal wurde seit fast einem Jahr nicht mehr richtig aktualisiert.

Southern sagt, dass die Unverfälschtheit ihrer Videos dazu beitragen wird, dass Leute ihre Arbeit unterstützen und dafür spenden. Sie sagt, dass die direkte Veröffentlichung in den sozialen Medien die beste Art sei, um andere Leute zu finden, die ihre rechte Ideologie teilen und um allen, die es nicht tun, die „rote Pille“ zu verabreichen – oder sie durch Memes zu radikalisieren.

„Ich versuche mich mit den Menschen zu umgeben, die wirklich daran glauben, etwas zu verändern, die wütend darüber sind und für Veränderungen sorgen wollen und einen Unterschied machen wollen und bereit sind“, sagt sie. „Und diese Menschen sind oft jene, die auch gleich den ersten Schritt machen.“

„Es gibt viel mehr Leute, die rechts sind, auf der normalen Seite von YouTube als die Leute denken.“

Posobiec teilte Southerns Überzeugung, dass die Community der rechten Influencer eine echte Chance hat, Menschen zu vereinen. „Ich versuche, mehr und mehr Menschen in diese Art von Online-Bewegung einzuführen, diese nationale Bewegung sozusagen. Ich heiße das willkommen und will mehr davon“, sagte er.

Aber es zeigen sich bereits Risse in dieser neuen Gruppe rechter Influencer. Diesen Monat hat Posobiec seine Beteiligung an der DC Freedom of Speech Rally angekündigt. Dann wurde angekündigt, dass auch Richard Spencer sprechen würde, weshalb eine Reihe gemäßigterer Redner die Teilnahme abgesagt haben, darunter auch Posobiec, der sich nicht als Alt-Right identifiziert. Jetzt plant Posobiec seine eigene Kundgebung in DC, am selben Tag.

Ähnliche interne Kämpfe finden auch unter den neuen rechten Influencern in Europa statt. Paul Joseph Watson, ein britischer Autor für Infowars, befindet sich derzeit in einer YouTube-Video-Schlacht mit Martin Sellner von der Identitären Bewegung, nachdem Watson Sellner ein „identitäres Bürgerwehrmitglied“ genannt hat. Sellners Videos werden nicht monetarisiert und seine Gruppe hat sogar Probleme, eine Bank zu finden, die mit ihr zusammenarbeiten will. Watson schreibt in Vollzeit für Infowars und auf seinem YouTube-Kanal wird Werbung gezeigt.

Trotz allem ist Southern weiterhin überzeugt, dass sie als Social-Media-Influencerin für rechten Aktivismus auf dem richtigen Weg ist. Sie freut sich über die neusten Kontroversen, etwa dass YouTube und Disneys Maker Studios den Videogame-YouTuber PewDiePie wegen antisemitischer Witze fallen lassen haben. Oder dass YouTube-Comedian JonTron Interviews mit Breitbart und dem rechten YouTuber Sargon of Akkad führt. Oder dass Sexualkunde-Vloggerin Laci Green in ihren Videos mit Alt-Right-Themen spielt. Für Southern sind das Zeichen dafür, dass sie auf der richtigen Seite steht.

„Laci Green scheint ein bisschen zu denken: Vielleicht war ich im Unrecht, vielleicht hab ich mehr von der roten Pille geschluckt als ich dachte. Jeder ändert seinen Standpunkt, wenn sich die Zeiten ändern“, sagt Southern. „Ich habe Freunde auf der normalen Seite von YouTube. Und es gibt viel mehr rechte Leute auf der normalen Seite von YouTube als die Leute denken. Viel mehr.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.

Auch interessant

Kommentare