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8 Gründe, warum drei Jahre NSA-Untersuchungsausschuss nichts gebracht haben

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Nicht nur hat der Ausschuss kaum etwas rausgefunden – es wird heute auch mehr überwacht als vorher.

1. Die deutsche Regierung hat Angst vor den USA.

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Dass wir alle überwacht werden, wissen wir nur wegen Snowden. Dass die USA sich rechtfertigen muss: Snowdens Schuld. Dass es den NSA-Untersuchungsausschuss überhaupt gibt: japp, ebenfalls wegen Snowden. Kein Wunder also, dass Edward Snowden als erster Zeuge vom Ausschuss geladen wurde. Die Einladung kam übrigens von CDU, SPD, Linken und Grünen gemeinsam. Doch die Bundesregierung hat das verhindert – auf Druck der Amerikaner.

2. Die wichtigen Leute wurden gar nicht erst gefragt.

"5 Eyes" – so heißt das Spionagebündnis, um das es im NSA-Ausschuss drei Jahre lang ging. Hier arbeiten die Geheimdienste von Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und der USA zusammen. Und der NSA-Untersuchungsausschuss hat in der ganzen Zeit exakt wie viele Politiker oder Geheimdienstler aus einem der "5 Eyes"-Staaten befragt? Genau: Null. Keinen. Niemanden. Nicht einen.

3. Und die reichsten Leute auch nicht.

Ohne Apple, Facebook, Google und Microsoft wäre die ganze Überwachung nicht möglich. Eigentlich wollte der Ausschuss deshalb auch deren Chefs befragen. Die aber sind einfach nicht gekommen. Was der Ausschuss dagegen tun konnte? Genau: nichts.

4. Stattdessen gab es ständig Sprechverbote.

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Meistens wurden im Ausschuss ohnehin nur Überwachungs-Programme besprochen, die schon wieder vorbei sind. Sie heißen zum Beispiel "Glotaic" oder "Monkeyshoulder". Aber nichtmal die durfte man beim Namen nennen. Streng geheim! Streng verboten! Amerikanern und Briten war das so wichtig, dass sie sogar gedroht haben: wenn so ein Name auch nur fällt, beenden wir die Zusammenarbeit mit den Deutschen.

5. Und selbst die größten Skandale hat nicht der Ausschuss selbst rausgefunden.

"Ausspionieren unter Freunden geht gar nicht." Das hat die Kanzlerin gesagt. Na gut, mit ein paar Ausnahmen.

Also: alle Botschaften und Diplomaten in Deutschland. Den französischen Außenminister. Das gesamte israelische Parlament. So ziemlich jede europäische Regierung. Die EU-Kommission, den Europäischen Rat und die EU-Beamten. Die UNO. Den Internationalen Währungsfonds. Die Weltgesundheitsorganisation. Die UNICEF. Das Rote Kreuz. Oxfam. Die Welthungerhilfe. Banken. Journalisten von BBC, New York Times und Reuters. Alles in allem: rund 40.000 "Freunde".

Aber bis auf die paar Ausnahmen geht das gar nicht.

Übrigens, sehr sehr ärgerlich: den US-Außenminister John Kerry haben die deutschen Geheimdienstler wohl nur deswegen nicht abgehört, weil eine falsche Vorwahl in den Computer eingegeben wurde.

Was das mit dem Ausschuss zu tun hat: wenig. Denn der durfte unsere abgehörten Freunde noch nichtmal einsehen. Wer die 40.000 sind, weiß offiziell nur einer: der Vertrauensmann der Bundesregierung.

6. Der BND durfte sich fragwürdige Theorien ausdenken.

Über den BND kam so einiges ans Licht. Vor allem aber das: Ziemlich viel von dem, was der BND tat oder tut, ist illegal.

Weil das natürlich nicht schön ist, hat der BND begonnen, sich eigene, passende Rechtstheorien auszudenken, die er im Ausschuss auch noch verbreiten durfte. Die besten kommen hier:

* Die Weltraum-Theorie: Der BND sagt: wenn Daten von uns gesammelt werden und dabei sind Satelliten im Spiel, dann gilt das Grundgesetz nicht. Denn der Satellit sei schließlich im All – und damit in einem rechtsfreien Raum. Etliche Juristen haben darauf hingewiesen, dass die Antennen zum Abhören natürlich auf deutschem Boden stehen, aber die BND-Leitung sagt: egal!

* Die Theorie des virtuellen Auslands: Der BND darf nur im Ausland spitzeln. Die Amerikaner wollten von den Deutschen aber Daten aus dem Inland. Was tun? Einfach deutsche Gebiete zum "virtuellen Ausland" erklären. Die überwachten "Transit-Kabelstrecken", die durch Deutschland laufen, beginnen und enden ja schließlich im Ausland. Damit liege, so der BND, technisch gesehen auch der Abschnitt des Kabels im Ausland, der durch Frankfurt läuft. Und in Frankfurt ist der Knoten der Deutschen Telekom AG. Die hat munter alle Daten herausgegeben – illegal, wie der Untersuchungsausschuss nun festgestellt hat. (s. hierzu: S. 1419 des Abschlussberichts)

* Die Funktionsträger-Theorie: Grundrechte heißen Grundrechte, weil sie immer gelten. Man kann sie nicht verlieren. Für den BND ist es schwierig, jemanden komplett zu belauschen, wenn das Grundgesetz dessen Handys und Computer schützt. Was also tun? Der BND erklärt solche Menschen einfach zum "Funktionsträger". Wer im Ausland kriminelles tut, also zum Beispiel für eine Terrorgruppe eine gewisse Funktion einnimmt, den erklärt der BND einfach zum "Funktionsträger". Und wer Funktionsträger ist, kann kein "Grundrechtsträger" mehr sein - findet der BND. Auch wenn das gar nicht geht.

7. Und statt strengerer Gesetze gab es mehr Spielraum für den BND.

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Natürlich ist vieles von dem, was der BND tut, illegal. Aber das muss ja nicht so bleiben. Man kann ja auch einfach die Gesetze anpassen – so geschehen 2016 mit dem neuen BND-Gesetz. "Alles, was der BND macht, wird einfach legalisiert", schrieb damals netzpolitik.org

Übrigens hat der BND als Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen auch mehr Geld bekommen. Viel mehr Geld. Und bekommt – schon vor Jahren beschlossen – eine neue Zentrale: den größten Neubau in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Der ganze Snowden-Ärger hat sich am Ende also sogar gelohnt für den Geheimdienst. Und das ist nicht neu. "Historisch betrachtet sind alle größeren Geheimdienstaffären in der Bundesrepublik zugunsten der Dienste ausgegangen", sagt der Historiker Josef Foschepoth.

8. Der Ausschuss-Vorsitzende schreibt ein Buch – noch vor dem Abschlussbericht

Wenigstens für Patrick Sensburg von der CDU haben sich die drei Jahre Arbeit als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses gelohnt. Sensburg hat ein Buch geschrieben – und veröffentlicht, noch bevor der der Ausschuss mit seiner Arbeit fertig war. "Unter Freunden" heißt es.

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Fazit: Der NSA-Untersuchungsausschuss hätte viel bewirken können – wenn man ihn denn gelassen hätte. Aber die Große Koalition hat das verhindert. Wer übrigens den Abschlussbericht lesen will, findet ihn, ohne die meisten der lästigen Schwärzungen, direkt bei netzpolitik.org

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