1. BuzzFeed
  2. Recherchen

Der MDR fragt, ob man „Neger“ noch sagen darf – und muss daraufhin eine ganze Sendung absagen

KommentareDrucken

Eingeladen hatte der Sender unter anderem Frauke Petry – aber keine schwarze Person. Nun hat das Ganze ein Nachspiel im Rundfunkrat.

Eine Sendungsankündigung des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) sorgt auf Twitter für heftige Kritik. Der MDR hatte eine Sendung angekündigt, in der er über politisch korrekte Sprache diskutieren wollte – und das mit der Frage „Darf man heute noch "Neger" sagen?“ eingeleitet.

Daraufhin schlug dem Sender dort nicht nur heftige Kritik entgegen – zwei der vier angefragten Gäste sagten auch ihre Teilnahme an: Kerstin Köditz, die für die Linkspartei im Sächsischen Landtag sitzt, und der Politikwissenschaftler Robert Feustel. Mittlerweile hat der MDR die ganze Sendung abgesagt. Und das Thema wird im Rundfunkrat eine Rolle spielen.

Viele Nutzer fanden nicht nur den Tweet empörend, sondern auch das zunächst recht forsche Antwortverhalten des MDR.

Auch die Tatsache, dass in der geplanten Diskussionsrunde niemand sitzen sollte, den das Thema unmittelbar selbst betrifft, traf auf Unverständnis.

„Das wird auf jeden Fall ein Nachspiel haben“

Unter Mitgliedern des MDR-Rundfunkrates ging der Tweet schon gegen Mittag herum. „Das hat auf jeden Fall ein Nachspiel. Und auch eins, wo wir sehr intensiv nachfragen werden“, sagte Rundfunkrat Sandro Witt vom Deutschen Gewerkschaftsbund Thüringen-Hessen in einem Telefonat mit BuzzFeed News. Die öffentlich-rechtlichen Medien seien dafür da, Aufklärung zu betreiben, so Witt weiter. Dazu gehöre aber auch, sich nicht in Diskurse hineinziehen zu lassen, die von populistischen Parteien wie der AfD getrieben würden. „Diese Wortwahl ist ja eine, die völlig daneben ist. Aus meiner Sicht versucht der MDR da, in dieser Logik mitzuspielen und genau so mit Emotionen von Menschen zu spielen. Und das halte ich für falsch.“

Witt forderte im MDR eine stärkere Sensibilisierung für die Belange von Minderheiten. „Medien, auch der MDR, sollten dieses Thema nicht so treiben, dass noch mehr Ressentiments geschürt werden“, sagte Witt. „Auch ein MDR muss in der Lage sein, Mitarbeiter so weit zu sensibilisieren, dass so etwas nicht passiert, sondern dass man sich von den freiheitlichen Grundgedanken – so sagt das die Intendantin immer – leiten lässt.“

Dirk Panter, Fraktionsvorsitzender der SPD im sächsischen Landtag und ebenfalls Mitglied im MDR-Rundfunkrat, findet die umstrittene Sendungsankündigung „nach Aufmerksamkeit heischend, unbedacht und übers Ziel hinausgeschossen. Die Antwort auf die selbstgestellte Frage liefert die Diskussion unter dem Tweet“, antwortet Panter auf eine Anfrage von BuzzFeed News. Die gewählte Zusammenstellung der Diskussionsrunde findet er „langweilig“: „Was letztlich Ergebnis der Diskussion hätte sein sollen erschließt sich mir jedoch nicht“, so Panter weiter, der sich ebenfalls im Rundfunkrat für eine Diskussion über den Vorfall einsetzen will: „Einmal aufgrund der Meldung selbst, aber auch aufgrund der ersten - ziemlich seltsamen - Reaktionen der Online-Redaktion.“

Antje Feiks, als Landesvorsitzende der Linken in Sachsen im MDR-Rundfunkrat, antwortete auf Anfrage von BuzzFeed News, sie halte es für ungeeignet, „wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender mit rassistischen Äußerungen wirbt. Solches Vorgehen ist einzig und allein dafür geeignet, weiter zur Verrohung beizutragen, statt sich differenziert mit einem Thema auseinanderzusetzen. Gerade bei den öffentlichen Anstalten sollte nicht der Grundsatz gelten, dass hohe Klickzahlen allein entscheiden, sondern journalistische Grundsätze und Ansprüche das Primat haben.“

Feiks äußerte Zweifel daran, ob das Thema in einer Diskussionsrunde angemessen behandelt werden könne: „In einer Talkshow sehe ich die Gefahr, dass es zum verbalen Schlagabtausch kommt, aber eine thematische Aufarbeitung ist nur schwer möglich“, sagte die sächsische Linken-Chefin. Sie gehe weiterhin davon aus, dass der Direktor des Landesfunkhauses das Thema im Rundfunkrat selbst anspreche – andernfalls werde die Landesgruppe Sachsen das tun.

Auch Nicole Anger, ebenfalls Mitglied des Rundfunkrats, äußerte deutlich Kritik: „Verwendete Sprache ist immer auch Ausdruck der Verfasstheit einer Gesellschaft. Und es ist die Frage, ob wir eine Gesellschaft des 21. oder des 19. Jahrhunderts sein wollen. Die Sendungsankündigung in der vom MDR kommunizierten Form lehne ich deutlich ab. Der MDR ist gut beraten, diese Sendung weder unter diesem Titel noch mit den geplanten Gästen heute oder an einem anderem Tag zu senden. Mein Anspruch an Qualitätsjournalismus misst sich an respektvollen und verantwortungsbewussten sowie sensiblen Umgang auch bei schwierigen Debatten. Das ist hier in keinster Weise gelungen.“ Anger schrieb weiter, es sei unerlässlich, das Thema auf die Tagesordnung des kommenden Rundfunkrats zu setzen.

Empörte Nutzer schlagen weitere Themen vor

Nachdem Nutzer auf Twitter dem MDR weitere Themen vorschlugen, twitterte der Sender schließlich eine Entschuldigung.

MDR zeigt sich selbstkritisch

Der Direktor des Landesfunkhauses Sachsen, Sandro Violi, erklärte:

„Die rhetorische Einstiegsfrage in dem Ankündigungstweet war eine unzumutbare Zuspitzung, die wir bedauern und für die wir uns bei Twitter entschuldigt haben. Vor allem auch deswegen, weil das Konzept der Sendung viel weiter gefasst sein sollte, als es nun wahrgenommen wird, (...). Die Verkürzung in sozialen Medien auf Rassismus wird dem Konzept daher nicht gerecht.

(...) Inzwischen haben zwei der Studiogäste abgesagt. Dadurch sehen wir unsere journalistischen Ansprüche an die Sendung nicht mehr als gewährleistet. Wir haben uns daher entschlossen, die Sendung abzusagen. (...) Eine Nachbereitung innerhalb der Redaktion erfolgt natürlich auch selbstkritisch.“

+++ Anmerkung der Redaktion: BuzzFeed News würde aus freier Entscheidung die Bezeichnung „das N-Wort“ benutzen. Im vorliegenden Fall allerdings handelt es sich um ein Zitat. Würden wir das Wort hier dadurch ersetzen, würde das den Sinn des Zitats verfälschen. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, es hier dabei zu belassen. +++

Auch interessant

Kommentare