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12 Fakten über Pfefferspray, die du vor deiner nächsten Demo wissen solltest

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Pfefferspray ist im Krieg verboten, verstößt gegen das Tierschutzgesetz, ist offiziell eine Waffe – und trotzdem wird es von der deutschen Polizei bei vielen Demos versprüht. Auch jetzt wieder, gegen G20-Demonstranten.

1. Soldaten dürfen kein Pfefferspray benutzen...

Die sogenannte „Biowaffenkonvention“ von 1971 verbietet den Einsatz von Pfefferspray in internationalen bewaffneten Konflikten.

Im Inland gilt das nicht. Ob das rechtmäßig ist, sollte das Bundesverfassungsgericht entscheiden: ein Fußballfan hatte dort Beschwerde eingereicht . Das Gericht aber hat die Beschwerde nicht angenommen. Inzwischen werden im Stadion mehr Personen durch Pfefferspray verletzt als durch Pyrotechnik, schreibt die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze.

2. ...aber die deutsche Polizei darf es einsetzen.

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In eigentlich strengen Ausnahmefällen ist der Polizei Pfefferspray erlaubt. Das heißt:

* im Notfall und zur Selbstverteidigung

* wenn andere Mittel versagt haben oder nicht helfen

* und um die Angreifer auf Abstand zu halten

Zur Räumung von Demos, Straßen oder Parks war die Waffe Pfefferspray eigentlich nie gedacht.

Außerdem muss zuvor der sogenannte "Einsatz unmittelbaren Zwangs" angedroht werden. Eigentlich. Viele Videos, die man von Pfefferspray-Einsätzen der Polizei findet, lassen erhebliche Zweifel aufkommen, ob das immer eingehalten wird. Auf jeden Fall gilt: was Soldaten im Krieg nicht dürfen, ist für Polizisten erlaubt.

3. Pfefferspray darf nicht an Tieren getestet werden...

Was Polizisten auf Demonstranten, Fußballfans und Aktivisten sprühen, darf an Tieren nicht getestet werden. Die Wirkung ist so stark, dass das Tierschutzgesetz das verbietet.

4. ...und ist offiziell eine Waffe.

In Industrie und Politik gibt es Menschen, die Pfefferspray aus dem Waffengesetz streichen wollen. Dafür allerdings müssten Tierversuche mit dem Wirkstoff durchgeführt werden. Und das ist – siehe Nummer 3 – verboten.

5. Pfefferspray ist 1000 Mal so scharf wie eine Jalapeno...

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Der Name "Pfefferspray" führt außerdem komplett in die Irre. Der Grund ist ein Übersetzungsfehler. Das englische Pepper kann für Pfeffer stehen, aber auch für Chili. In Chili steckt der Wirkstoff Capsaicin – und der ist gefährlich. Trotzdem hat man sich bei uns für die Bezeichnung "Pfefferspray" entschieden, obwohl das mit dem Pfeffer aus unserer Küche nichts zu tun hat.

Das Ganze kann man auch messen: mit der Scoville-Skala. Die misst Schärfe. Eine Jalapeno kommt auf 5.000 Scoville, reiner Cayennepfeffer auf bis zu 50.000 Scoville – und polizeiliches Pfefferspray auf bis zu 5,3 Mio. Scoville.

6. ... und wirklich gefährlich.

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Die Augen brennen extrem stark. Die Lider verschließen sich krampfartig. Man kann vorübergehend erblinden – bis zu 30 Minuten.

Für Menschen mit Kontaktlinsen wird es richtig schlimm. Der Wirkstoff setzt sich dort ab und sammelt sich. Weil man wegen des Krampfs und der Schmerzen aber die Augen nicht öffnen kann, drohen dauerhafte Schäden an der Hornhaut. Kontaktlinsenträger brauchen also unbedingt Hilfe beim Entfernen der Linsen.

Pfefferspray löst Hustenanfälle, Krämpfe, Erbrechen aus. Man hat das Gefühl, zu ersticken. Auf der Haut kommt es für mehrere Stunden zu einem Brennen.

All das sorgt für einen Schock, Panik und Orientierungslosigkeit.

Für Menschen mit Asthma, Allergien, Medikamenten- oder Drogeneinfluss besteht sogar Todesgefahr. Diese Dinge sind für einen Polizeibeamten auf den ersten Blick nicht erkennbar.

Ob es in Deutschland zu Toten nach Pfeffersprayeinsätzen kam, ist nicht bekannt, weil keine Statistiken geführt werden. Recherchen des Spiegel zufolge gab es allein 2009 drei Tote.

7. Die Polizei weiß das alles...

Diverse Gutachten und Untersuchungen haben dafür gesorgt, dass das Thema in den letzten Jahren kritisch betrachtet wurde. Auch die Polizei musste nicht nur einmal auf Kritik reagieren. Es gibt ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestags, ein weiteres Gutachten der linken Bundestagsabgeordneten Karin Binder, etliche "Kleine Anfragen" in den Landesparlamenten. Mit anderen Worten: die Gefahren sind kein Insider-Wissen mehr.

Der Einsatz wird also nicht nur gewollt, er wird auch systematisiert: die neuen Wasserwerfer haben der Polizei haben 120 Liter des umstrittenen Stoffs an Bord und erlauben es, den direkt dem versprühten Wasser zuzumischen.

8. ...und trotzdem darfst du dich gegen Pfefferspray nicht schützen.

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Man könnte natürlich Skibrille, Schwimmbrille, ein feuchtes Tuch vor der Nase oder eine Atemmaske tragen, um sich vor der Waffe Pfefferspray zu schützen. Nur droht dann eine hohe Geldstrafe oder sogar Jahr Gefängnis. So will es das Versammlungsgesetz.

Polizei und Justiz finden nämlich, dass diese Sachen „als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren“.

9. Anträge gegen Pfefferspray werden seit Jahren gestoppt.

Viele Politiker haben offenbar kein Interesse daran, an der Situation etwas zu ändern. Eine 2011 eingebrachte Petition im Bundestag wurde vom Petitionsausschuss abgelehnt. Auch als Piraten und Linke in Berlin gemeinsam den Einsatz von Pfefferspray auf großen Veranstaltungen und Demonstrationen unterbinden wollten, fand das keine Zustimmung. Ebenso 2011 in NRW, wo ebenfalls die Linkspartei den Einsatz stoppen wollte.

10. Nur dank eines Tricks kannst du Pfefferspray kaufen.

Erlaubt ist Pfefferspray nur Dank einer doppelten Trickserei. Wer in Deutschland Pfefferspray verkaufen will, muss einfach nur „Tierabwehrspray“ auf die Packung schreiben. Wer es kaufen will, muss einfach nur sagen, dass er Spray nur gegen Tiere und nicht gegen Menschen einsetzen will. Mit diesen beiden Kniffen ist das eigentlich Verbotene plötzlich erlaubt.

11. In anderen Ländern aber ist Pfefferspray verboten.

Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, die Niederlande oder Island haben Pfefferspray komplett verboten. In vielen anderen Ländern ist der Besitz nur nach einer Registrierung und mit einer Waffenbesitzkarte erlaubt.

12. Niemand kann genau sagen, wie groß (oder klein) das Problem ist.

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Egal, wie man zum Einsatz von Pfefferspray steht: Statistiken gibt es keine. Weder dokumentiert die Polizei, wann sie Pfefferspray benutzt hat, noch warum oder wie viel. Genau jene Innenpolitiker, die mit dem "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten"-Argument seit Jahren für mehr Überwachung eintreten, sperren sich gegen solche Statistiken. Dabei könnte eine saubere Statistik vor allem auch eines: die Polizei von unfairen Anschuldigen entlasten.

Der G20-Gipfel ist am Freitag und Samstag, 7. und 8. Juli, in Hamburg. BuzzFeed News wird hier, auf Facebook und Twitter darüber berichten.

Erste-Hilfe-Maßnahmen gegen Pfefferspray und Reizgas findet ihr hier.

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