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Wolfgang Lauinger ist gestorben. Zeit seines Lebens wurde er als verfolgter Schwuler nicht entschädigt

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Behörden und Verbände sind tief betroffen: „Die Chance dieses Unrecht wieder gut zu machen, hat die Bundesrepublik vertan.“

Der wegen seiner Homosexualität verfolgte Wolfgang Lauinger ist mit 99 Jahren in seinem Zuhause in Frankfurt am Main verstorben. Zeit seines Lebens wurde er nicht rehabilitiert. Dies sei sein größter Wunsch gewesen, sagte eine Vertraute gegenüber BuzzFeed News.

BuzzFeed News hatte Anfang Dezember über das Schicksal von Wolfgang Lauinger berichtet. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes war er einer der prominentesten Fürsprecher des Entschädigungsgesetzes und wurde zur Verabschiedung des Gesetzes in den Bundestag eingeladen. Das Gesetz wurde von Justizminister Heiko Maas vorgelegt und im Juni 2017 von der Bundesregierung verabschiedet.

Der Antrag von Wolfgang Lauinger auf Entschädigung wurde jedoch abgelehnt, da Lauinger "nur" in Untersuchungshaft saß und es zu keiner Verurteilung kam. Die Ablehnung traf ihn zutiefst.

„Wo liegt denn für einen normalen Menschen der Unterschied, wenn du fünf Monate im Gefängnis sitzt, ob du freigelassen wirst oder freigesprochen wirst?“, sagte er im Gespräch mit BuzzFeed News und bezeichnete das Gesetz als Farce: „Für mich geht das Spielchen so lange weiter, bis ich nicht mehr da bin.“

Zutiefst betroffene Reaktionen aus Politik, Behörden und Fachverbänden:

Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sagte BuzzFeed News:

„Die Nachricht vom Tod Wolfgang Lauingers hat mich sehr berührt. Es ist zutiefst traurig, dass er, der sich so lange für die Rehabilitierung der Opfer des §175 eingesetzt hat, nun gestorben ist, ohne selbst eine Rehabilitierung oder eine Entschädigung erhalten zu haben. Wir schulden es seinem Andenken, dafür zu sorgen, dass zumindest anderen, die wie er in Untersuchungshaft gesessen haben ohne verurteilt worden zu sein, die verdiente Wiedergutmachung zuteilwird.“

Mindestens zwei weitere Anträge wurden bislang abgelehnt, die Ablehnungsquote der Anträge lag somit Ende November bei etwa 10 Prozent.

Der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann sagte BuzzFeed News, er sei „sehr traurig und sehr wütend.“

„Wolfgang Lauinger hat unter homofeindlicher, staatlicher Gewalt zweier deutscher Systeme leiden müssen. Er hat so tapfer in den letzten Jahren seines langen Lebens um die Rehabilitierung gekämpft, die ihm durch eine Gesetzeslücke doch verwehrt blieb. Die Bundesregierung muss dringend einen Härtefallfonds für genau diese Fälle auflegen.“

René Mertens vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) teilt BuzzFeed News mit:

„Der LSVD ist vom Tod Wolfgang Lauingers sehr betroffen. Er war eines der ältesten Opfer des Paragrafen 175 und steht für eine Generation, die um ihre Jugend betrogen wurde. Es ist mehr als beschämend, dass der deutsche Rechtsstaat Lauinger nicht für die erlittene Untersuchungshaft entschädigte. Bis zuletzt hatte er um sein Recht gekämpft, endlich für die erlittenen Demütigungen Wiedergutmachung zu erfahren. Die Chance dieses Unrecht wieder gut zu machen, hat die Bundesrepublik vertan.“ René Mertens, LSVD-Bundesverband.

Der hessische Staatssekretär im Sozial- und Integrationsministerium, Kai Klose (Grüne), sagte, er sei „tief betroffen“ und „beschämt“, dass es dem Rechtsstaat nicht gelungen sei, Lauinger vor seinem Tod zu rehabilitieren und zu entschädigen. Wolfgang Lauinger habe mit seinem Einsatz der Demokratie einen wichtigen Dienst erwiesen, sein persönlicher Mut und seine Widerstandskraft seien beeindruckend gewesen.

Mehrere Fachverbände wie die Magnus Hirschfeld Stiftung, die Bundesinteressensvertretung Schwuler Senioren sowie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatten sich für eine Lösung im Sinne von Wolfgang Lauinger eingesetzt.

BuzzFeed News hatte Justizminister Heiko Maas mit dem Fall Lauinger konfrontiert. Er sagte, das Ergebnis empfinde auch er persönlich als „außerordentlich unbefriedigend.“ Er wollte Wolfgang Lauinger einen Vorschlag machen, wie man mit der Situation umgehen könne. Maas hatte außerdem zugesagt, Wolfgang Lauinger auf den Brief zu antworten, den er von dem 99-jährigen Ende Oktober erhalten habe.

Zeit seines Lebens hat Wolfgang weder eine Entschädigung noch ein Antwortschreiben erhalten.

Auf eine Anfrage von BuzzFeed News zum Tod Wolfgang Lauinger äußerte sich das Bundesjustizministerium bislang nicht. Eine Antwort werden wir gegebenenfalls hier nachtragen.

Anfang Dezember sprach Wolfgang Lauinger mit BuzzFeed News über seine Enttäuschung

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