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Diese junge Politikerin bekommt Vergewaltigungsdrohungen, weil sie vorschlägt, Klimaflüchtlinge nach Europa zu holen

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„Das ist ein krasser Fall von Frauenhass, der sich mit rechter Demokratiefeindlichkeit verbindet.“

Eine Bundessprecherin der Grünen Jugend bekommt derzeit massiv Hassnachrichten, darunter zahlreiche Vergewaltigungsdrohungen, weil sie öffentlich einen Vorschlag gemacht hat, um Klimaflüchtlingen zu helfen.

Das hat die Sprecherin Ricarda Lang nun in einem Facebook-Post öffentlich gemacht.

„In den letzten 24 Stunden wurde ich beschimpft, sexistisch beleidigt und bedroht. Ich wurde als Fotze, Hure, Miststück, Fettwanst und Bastard bezeichnet“, schreibt Lang auf Facebook.

„Mir wurde hunderte Male der Tod gewünscht, oft mit einer genauen Beschreibung, wie er aussehen soll [...]. Dass man Menschen wie mich mit den Flüchtlingen zusammen im Mittelmeer ertränken sollte. Dass ich mich bestimmt nur für Menschenrechte einsetze, weil ich will, dass ganz viele Vergewaltiger kommen, da mich ja sonst eh nie jemand ficken würde.“

Der Grund ist ein Vorschlag der jungen Politikerin, dass die Bundesregierung Menschen, die von Klimawandel bedroht sind, die Europäsche Staatsbürgerschaft anbieten solle. Lang wurde zusammen mit anderen Politikerinnen und Politikern vom Redaktionsnetzwerk Deutschland für einen Beitrag zum Thema politische Zukunft angefragt.

Dieses Zitat von Lang verbreiteten verschiedene Medien und die dpa. Kurz danach begann der Shitstorm.

Ricarda Lang ist 24 Jahre alt und studiert Rechtswissenschaften in Berlin.

Ihr sei bewusst, dass es sich dabei um einen kontroversen Vorschlag handele, sagt Lang BuzzFeed News am Telefon, sie sei bereit für eine offene Debatte. Mit dem Ausmaß an Hass habe sie jedoch nicht gerechnet.

Der Vorschlag eines Klimapasses ist übrigens nicht neu. Er stammt vom deutschen Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der darüber auf einer Bundesdelegiertenkonferenz im November 2017 sprach. Jeder, der wegen des Klimawandels seine Heimat verlassen müsse, solle in eines der Länder migrieren dürfen, die den Klimawandel hauptsächlich verursachen.

BuzzFeed News hat die Pressestelle des Institutes von Herrn Schellnhuber angefragt, ob er ähnliche Anfeindungen erlebt hat. Die Antworten werden hier ggfs. hier nachtragen.

Warum genau Lang jetzt so massiv angefeindet wird, sieht sie darin begründet, dass sie eine Frau ist. „Gerade linke, selbstbewusste Frauen machen genau diese Erfahrung“ so Lang. „Es handelt sich um einen organisierten Versuch, Frauen zu zerstören und politische Debatten mundtot zu machen.“

Erst vor einigen Wochen erhielt Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth tausende Hassmails, nachdem sie der AfD im Bundestag eine Schweigeminute gegen die getötete Susanna F. verweigerte. CDU-Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble kündigte daraufhin an, polizeiliche Schutzmaßnahmen für Roth zu prüfen.

Auch Roth machte den Hass in einem Post auf Facebook öffentlich.

Der Hass auf Frauen sei sehr viel größer als gegen Männer, sagt die Ricarda Lang gegenüber BuzzFeed News am Telefon. Das erkenne sie auch daran, dass sich der größte Teil der Hasskommentare gegen ihren Körper und ihr Gewicht richte. Von dem was sie in einem Monat esse, könne ja ganz Afrika ernährt werden, zitiert Lang das auf Facebook.

„Das wäre bei einem Mann mit dem genau gleichen Vorschlag bestimmt nicht passiert“, sagt sie gegenüber BuzzFeed News und ergänzt:

„Das ist auf jeden Fall ein krasser Fall von Frauenhass, der sich mit rechter Demokratiefeindlichkeit verbindet und eine explosive Mischung bildet“.

Bereits am Freitagmorgen, nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Zitats, hatten Lang hunderte Hassnachrichten über Facebook und Twitter erreicht. „In der Bundesgeschäftsstelle der Grünen haben Leute angerufen, und gesagt, sie wissen wo ich wohne und dass ich auf dem Nachhauseweg aufpassen solle“, erzählt Lang BuzzFeed News am Telefon. „Das war plötzlich sehr real und hat mir sehr viel Angst gemacht“.

Für einen kurzen Moment habe sie ihre Äußerung bereut und gedacht: 'Was habe ich getan?' – „Aber es wäre der größte Fehler, aus dieser Angst vor dem Hass nicht mehr zu diskutieren.“

Auf Facebook schreibt sie:

„Wir dürfen nicht darauf verzichten, über wichtige Zukunftsfragen zu diskutieren, weil sie für die Rechten verhetzbar sind, denn dann geben wir die Gestaltung der Zukunft auf. Und tragen damit genau zu dem Gefühl der politischen Ohnmacht und Alternativlosigkeit bei, den sie als Nährboden nutzen. Ihr Hass ist sowieso da, die Frage ist nur, ob wir es schaffen, ihm etwas entgegen zu setzen.“

In einer Email an das Büro der Grünen Jugend, die BuzzFeed News vorliegt, heißt es etwa: „Ihr ekelhaften Huren gehört mit Säure entstellt und dann im Kerker angekettet, bis ihr lebendig verfault.“ Die Absendeadresse der Emailadresse lautet adolf.hitler@nsdap.de.

BuzzFeed.de © BuzzFeed News

Die Hasskommentare gegen Lang kamen – in weniger extremer Form – teilweise auch von politischer Seite.

„Statt Forderung nach „Klimapass“: Chefin der Grünen Jugend sollte lieber weniger essen“, heißt es etwa in einer Pressemitteilung der Jungen Alternative Baden-Württemberg vom 3. August 2018.

BuzzFeed.de © Screenshot: BuzzFeed News / Via ja-baden-wuerttemberg.de

Die Junge Union München Nord teilte das Zitat mit dem Kommentar: „Gegenvorschlag: Wir schicken einfach die Grüne Jugend Sprecherin auf so eine Insel“. Die Grüne Jugend München schrieb auf Twitter, die Junge Union wolle die Politikerin „verrecken lassen“, die jungen CDU-ler kommentierten das als „Fake News.“

Die Bundespartei der AfD teilte eine Bild, auf dem steht: „Pfunds-Grüne fordert Asyl für Klimaflüchtlinge“.

Lang will nun konkrete Schritte gegen die Hasskommentare einleiten, sie werde zur Polizei gehen, sagt sie BuzzFeed News am Telefon. Derzeit sammele sie zusammen mit der Bundesgeschäftsstelle Kommentare und Emails und prüfe, welche davon justiziabel seinen. Dann werde sie Anzeige erstatten, gegebenenfalls auch gegen andere Parteiverbände. „Das muss in die Statistik eingehen um zu zeigen, dass es diesen Hass auf Frauen und diese rechte Hetze gibt“, so Lang.

Das ist der gesamte Post von Ricarda Lang

UPDATE

06.08.2018, 17:15

Der Beitrag des Redaktionsnetzwerkes Deutschland, für den Ricarda Lang angefragt wurde, handelte vom Thema politische Zukunft allgemein, und nicht nur vom Thema Migration, wie zuvor in diesem Beitrag beschrieben.

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