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Angela Merkel wird die Rechte von LGBT* beim G20-Gipfel nicht ansprechen

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In vielen G20-Ländern werden LGBT* verfolgt, gefoltert und getötet. Trotzdem will Angela Merkel die Menschenrechte nach Informationen von BuzzFeed News nicht ansprechen.

Angela Merkel wird die Rechte von Schwulen und Lesben in anderen Ländern nicht zum Thema beim G20-Gipfel machen. "LGBT-Rechte sind nicht explizit Teil der Gipfelagenda", schrieb ein Regierungssprecher auf Anfrage von BuzzFeed News. Bundespolitiker und Aktivisten fordern von Merkel jedoch, genau das zu tun. Denn in vielen G20-Ländern werden LGBT* verfolgt oder sogar getötet.

"Wenn man Klimafragen verhandelt, gemeinsame Wirtschaftspolitik oder Friedenspolitik, ist es genauso wichtig, dass man auch die Menschenrechte mitverhandelt", sagte der queerpolitische Sprecher der SPD, Johannes Kahrs, im Telefonat mit BuzzFeed News. "Dafür ist der G20-Gipfel da." Auch Vertreter von Linken und FDP erwarten von Merkel eine klare Ansprache der Länder, welche die Rechte von LGBT* einschränken.

BuzzFeed.de © ILGA / Via ilga.org

In vielen der G20-Länder werden LGBT* von der Regierung diskriminiert und verfolgt. In Saudi-Arabien werden queere Menschen mit dem Tode bestraft, auch in Indien, China, Russland, Indonesien und der Türkei sind LGBT* verboten oder werden streng sanktioniert.

Wie Homosexuelle weltweit verfolgt werden, wurde in den vergangen zwei Monaten mehrfach deutlich. In Tschetschenien sorgte systematische Verfolgung, Verhaftung und Folter weltweit für Aufsehen. Angela Merkel ermahnte Russland Präsidenten Wladimir Putin deshalb bei einem Treffen in Sochi Anfang Mai. Vor wenigen Wochen wurden außerdem Videos aus Indonesien veröffentlicht, in denen zwei Männer wegen ihrer Homosexualität eine öffentliche Folterstrafe von je 85 Stockhieben ertragen mussten.

Erst Ende Juni verboten die türkischen Behörden die jährliche Gay Pride in Istanbul zum dritten Jahr in Folge. Als am 25. Juni trotzdem Aktivist*innen zusammenkamen, um zu demonstrieren, setzte die Polizei Gummigeschosse und Wasserwerfer ein und nahm Berichten zufolge 30 Menschen fest, darunter auch Presse.

Minderheiten-Rechte sind in der Regel kein Thema auf dem G20-Gipfel, doch mit dem Beschluss für die Ehe für alle hat sich der deutsche Bundestag klar zu den Rechten von LGBT* bekannt. Die Bundesregierung will dies zumindest beim Gipfel selbst dennoch nicht zum Thema machen. "Die Themen möglicher bilateraler Gespräche der Bundeskanzlerin mit anderen Staats- und Regierungschefs können wir nicht vorwegnehmen", schrieb ein Regierungssprecher auf Anfrage.

Der queerpolitische Sprecher der SPD, Johannes Kahrs, hatte Angela Merkel schon bei der Abstimmung zur Ehe für alle in der vergangenen Woche vorgeworfen, sich nicht für die LGBT*-Gemeinschaft einzusetzen.

Europa-Staatsminister und SPD-Bundestagsmitglied Michael Roth nutzte den anstehenden Gipfel, um am Mittwoch erneut auf die Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien hinzuweisen.

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Sowohl Linkspartei als auch die FDP erwarten von Merkel bei G20 eine klare Positionierung für die Rechte von LGBT*. "Ich erwarte von der Bundeskanzlerin, dass sie die Wahrung und den Schutz der Menschenrechte für LGBTI* auf dem G20-Gipfel in Hamburg, vor allem gegenüber Erdogan, Putin und den Vertretern aus China, Indien und Saudi-Arabien thematisiert", schrieb Harald Petzold, Medien- und queerpolitischer Sprecher der Bundesfraktion die Linke, auf Anfrage von BuzzFeed News.

"Unterdrückung und Diskriminierung von Minderheiten sind stets Angriffe auf die Freiheit der gesamten Weltbevölkerung", schrieb die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding in einer E-Mail an BuzzFeed News. "Deshalb müssen alle Länder angesprochen werden, die LGBTI-Rechte einschränken. Davon gibt es leider immer noch zu viele."

Auch Aktivisten wie der Lesben- und Schwulenverband LSVD fordern von Merkel mehr Einsatz für queere Menschen. "Der LSVD erwartet, dass Kanzlerin Merkel Präsident Putin erneut auf die Verfolgung von Homosexuellen in Tschetschenien anspricht und sich über den Stand der Ermittlungen durch die föderale Staatsanwaltschaft in Russland informiert", schrieb LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich auf Anfrage von BuzzFeed News. "Merkel muss auf lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse sowie die Strafverfolgung für Täter bestehen."

In Hamburg selbst organisiert sich die LGBT*-Gemeinschaft bei einem GAY20-Gipfel. Der Verein Hamburg Pride e.V. wird am Freitag eine Kundgebung abhalten. Dort sprechen unter anderem Volker Beck und eine Vertreterin des Istanbul Pride. Sie rechnen nicht damit, dass Merkel auf den Gipfelgesprächen LGBT*-Rechte ansprechen wird und wollen deshalb zivilgesellschaftlichen Druck aufbauen.

„Wir können und wollen zu all dem nicht schweigen, wenn die Repräsentanten all dieser Länder in unserer Stadt sind“, schrieb Stefan Mielchen, Erster Vorsitzender des Vereins. "Nach der Eheöffnung hierzulande kann Frau Merkel anderen Nationen umso deutlicher sagen, sich Deutschland zum Vorbild zu nehmen, wenn es um die Rechte von sexuellen Minderheiten geht."

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