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Diese russischen Hacker betreiben eine Bot-Armee, die massenhaft Pro-AfD-Tweets verbreitet

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BuzzFeed News hat mit einem Hacker der angeblich mehr als 30 Personen starken Bot-Fabrik aus Nischni Nowgorod gesprochen.

Eine Gruppe von 31 Hackern versucht die öffentliche Meinung auf Twitter zu beeinflussen und damit der AfD bei der Bundestagswahl zu helfen. Das zumindest behauptet einer dieser Hacker, den BuzzFeed News diese Woche ausfindig gemacht hat. Die Arbeit der Bot-Fabrik seien für die Partei kostenlos, da man „gemeinsame Interessen“ teile.

Am Freitag hat der Hacker in einem stundenlangen Gespräch mit BuzzFeed News auf dem russischen Netzwerk VK angeboten, noch vor der Wahl 15.000 „hochwertige Tweets“ zu verschicken und damit die Hashtags #AFD und #AFDwaehlen am Wahltag in die Top 10 der meistverbreiteten Themen auf Twitter zu bringen – zum Sonderpreis von 1090 Euro.

„Ich muss 80 Tweets pro Minute veröffentlichen, um Dich in Deutschland in die Top 10 zu bringen“, sagte Alexander, der mit seinen Kollegen nach unseren Recherchen von Nischni Nowgorod aus arbeitet, etwa 400 Kilometer östlich von Moskau. „Wie lange willst Du die Nummer 1 bei Twitter sein?“

Am Sonntagmittag verbreitete einer der Twitter-Bots aus Nischni Nowgorod einen offiziellen Wahlaufruf der AfD.

BuzzFeed.de © Screenshot BuzzFeed News

Der russische Hacker versprach BuzzFeed News hochwertige Twitter-Accounts, die unsere Botschaften zuverlässig verbreiten sollen. Er versprach dadurch einen stärkeren Einfluss auf die politische Debatte während der letzten Stunden vor der Wahl auf Twitter. Alexander bot uns auch an, Fake News auf Facebook zu verbreiten. Innerhalb von einer Stunde könnten die ersten Nachrichten draußen sein, passend zur Wahl.

Neben Alexander arbeiten noch 30 weitere Menschen in der Bot-Fabrik in Nischni Nowgorod, schrieb der Hacker, darunter sechs Manager, die die Beiträge prüfen, bevor sie veröffentlicht werden.

Vorbereitete Memes, um die AfD zu unterstützen

Um die AfD zu unterstützen verwendet Alexanders Team unter anderem vorbereitete Memes. BuzzFeed News hatte zuletzt darüber berichtet, wie AfD-Unterstützer in dem Netzwerk 4chan Memes sammeln, um einen koordinierten „Meme-Angriff“ auf die Diskussionen rund um die Wahl zu starten. Und wie sie in dem Netzwerk Discord diese Angriffe detailliert absprechen – wenn auch bisher mit relativ geringem Erfolg.

In den vergangenen Wochen hatten verschiedene Organisationen mehrere Berichte über den Einsatz von Pro-AfD-Bots auf Twitter veröffentlicht. Die Bots verbreiteten unter anderem Tweets, welche die AfD unterstützen sollen. In einer dieser Analysen von fearlessdemocracy.org stachen zwei Accounts besonders heraus: @gyroscope999 and @adjust_ps. Viele ihrer Tweets nutzten die Pro-AfD-Memes auf der Plattform 4chan. BuzzFeed News wollte wissen: Wer steckt dahinter? Und ist durch diese Recherche offenbar auf eine Bot-Fabrik in Russland gestoßen.

Über diese beiden Bot-Accounts haben wir die russischen Hacker gefunden.

BuzzFeed.de © Luca Hammer / FearlessDemocracy / Via fearlessdemocracy.org

Eine erste Analyse der Follower der beiden Accounts ergab, dass sie insgesamt 25 gemeinsame Follower haben. Viele dieser Nutzer sind ganz offenbar Bots, für einige fanden wir gefälschte Facebook-Accounts oder falsche Accounts auf der russischen Plattform VK. Nach längerer Suche stieß BuzzFeed News jedoch auf einen echten Account auf VK, der einem Alexander gehört und auf Nachrichten reagierte.

Vergleich der Follower der beiden Bot-Accounts

BuzzFeed.de © Henk van Ess / Via Twitter: @henkvaness

BuzzFeed News hat sich im Gespräch als „Jenny“ ausgegeben, aber in einer der ersten Nachrichten klargestellt, dass wir für BuzzFeed Deutschland arbeiten und die Antworten von Alexander zur Veröffentlichung genutzt werden. Es folgte ein stundenlanges Gespräch – über den Einsatz von Pro-AfD-Bots, den Preis für eine solche Bot-Attacke und konkrete Details der Umsetzung.

Unser Erstkontakt mit dem russischen Hacker Alexander.

BuzzFeed.de © Screenshot BuzzFeed News

Alexander sagte, die bisher durch das Bot-Netzwerk verbreiteten AfD-Tweets seien für die Partei gratis, da man „gemeinsame Interessen“ mit der AfD habe. Welches Verhältnis die AfD genau zu seiner Botfabrik hat, will Alexander auf Nachfrage nicht beantworten. Am Sonntag verbreitete einer der zentralen Bot-Accounts einen offiziellen Wahlaufruf der AfD auf Twitter.

Die AfD hat in der Vergangenheit beteuert, keine sogenannten Social Bots im Wahlkampf einzusetzen. Auf detaillierte Fragen von BuzzFeed News zu einem Einsatz von Bots im Wahlkampf und den Erkenntnissen dieser Recherche hat die AfD nicht reagiert. Sollte die AfD dies nachholen, werden wir die Antwort der Partei an dieser Stelle einfließen lassen.

”Wir haben gesehen, dass Du AfD-Infos tweetest und retweetest?“ – „Ja, was ist das Problem?“

BuzzFeed.de © Screenshot BuzzFeed News

Alexander bietet uns zunächst an, 15.000 Tweets für 2000 Euro zu verbreiten. Ja, das sei teuer, aber seine Accounts seien hochwertig. Später schreiben wir ihm „thanks for all your patience!! AfD rulez!!!!!“ und bitten um einen Rabatt. Alexander gibt nach, weil wir offenbar die gleichen Interessen unterstützen würden – jetzt kosten 15.000 Tweets nur noch 1090 Euro.

Es sei überhaupt kein Problem, die Tweets noch am Wahltag zu verbreiten. Innerhalb von einer Stunde nach Bezahlung würden die ersten Tweets verbreitet. „Wir würden die maximale Anzahl unserer Profile nutzen und würden auch denjenigen einsetzen, auf den ihr vorhin verlinkt habt“, schreibt Alexander auf russisch im Chat auf der Plattform VK. Und er werde nicht nur @gyroscope999 für uns einsetzen, sondern auch @adjust_ps Bescheid geben.

48 Stunden in den Trending Topics bei 80 Tweets in der Minute

Alexander verspricht, das mindestens 25 Prozent seiner Accounts „High-Quality“ seien, mit der Aktion würden wir 2500 bis 3000 Leute erreichen. Er könne zudem einen AfD-Hashtag für 48 Stunden in die Trending Topics auf Twitter bringen, dafür brauche er 80 Tweets pro Minute mit dem entsprechenden Hashtag.

Nach einigen Stunden Gespräch fragte BuzzFeed News nach anderen Möglichkeiten, online die Wahl zu beeinflussen. Fake News auf Facebook zu verbreiten sei kein Problem, sagte Alexander. Allerdings würde er keine Anzeigen schalten – das gleiche Ergebnis könne man auch haben, ohne zusätzliches Geld an Facebook zu überweisen. Gerne könne er uns auch hier ein Angebot machen.

Nachdem sich BuzzFeed News und Alexander auf einen Preis geeinigt hatten, sollten wir die 1090 Euro über QiWi überweisen, eine Art russisches PayPal. Alexander gab uns eine Handynummer mit der Vorwahl von Nischni Nowgorod, an die wir die Nummer NN.S101006 schicken müssen. Alexander bat uns, ihm den Beleg zu schicken. Bei der nächsten Bestellung würden wir dann 13 Prozent Rabatt bekommen. BuzzFeed News hat das Geld nicht überwiesen.

Handynummer, IP-Adresse und Skype: Nischni Nowgorod

BuzzFeed News hat Alexander gefunden, indem wir spezielle Software genutzt haben und die verschiedenen Angaben von Twitter-, Skype- und VK-Profilen per Hand und automatisiert miteinander verglichen haben. Die von Alexander für die Bezahlung angegebene Handynummer nutzen wir, um herauszufinden, dass er offenbar tatsächlich in der Nähe der russischen Stadt Nischni Nowgorod sitzt. Wir bringen Alexander dazu, einen Link in unserem gefälschten Online-Profil anzuklicken. Dadurch können wir herausfinden, wie seine IP-Adresse lautet – auch dieser Service zeigt uns die Region Nischni Nowgorod an, genauso wie das Skype-Profil von Alexander.

Über Alexanders Skype-Namen hat BuzzFeed News zudem herausgefunden, dass er nicht nur Pro-AfD-Nachrichten verbreitet. Er verkauft auch Autos, diskreditiert Putins bekanntesten politischen Gegner Alexej Navalny und bewirbt einen Escort-Service in Dubai. Im Gespräch mit BuzzFeed News sagte er, er programmiere auch Cheat Codes für Computerspiele, inklusive Counter Strike und World of Warcraft.

Auf anderen Online-Profilen bietet Alexander an, einen Server zu hacken.

BuzzFeed.de © Screenshot BuzzFeed News

Twitter- oder Facebook-Bots zu kaufen ist kein neues Phänomen. Erst kürzlich hatte die Webseite „The Daily Beast” darüber geschrieben, dass sie für 100 Dollar eine Bot-Armee gekauft habe. Und das Digital Forensics Lab des Atlantic Council in Washington DC hat es sich zur Aufgabe gemacht, Social Bots zu beobachten, die Wahlen und Politik beeinflussen wollen. Auch das Online-Recherche-Startup Bellingcat hatte über Russische Accounts geschrieben, die sich auf Facebook for Trump stark machen.

Wir haben unsere Recherchen Ben Nimmo vorgelegt, der für das Digital Forensics Lab Twitter-Bots analysiert. Nimmo sagt, dass Bots hauptsächlich nicht-offizielle AfD-Profile unterstützt hätten. Nimmo glaubt, dass die Twitter-Bots von Alexander vermutlich keinen großen Effekt gehabt hätten, hätte BuzzFeed News das Angebot angenommem.

Nur wenige Bot-Aktionen schaffen es aus der Filterblase raus

„Meine Erfahrung aus anderen Wahlen, vor allem der Frankreich-Wahl, ist, dass es relativ leicht ist, einen Hashtag trenden zu lassen – aber schwieger, aus ihm einen organischen Trend zu machen“, sagt Nimmo. „Die Herausforderung ist nicht, in die Trending Topics zu kommen, sondern andere Nutzer außerhalb der rechten Filterblase dazu zu bringen, den Hashtag zu benutzen. Nur ganze wenige Bot-Aktionen schaffen das.“

Der Preis war Nimmo zufolge sehr hoch. Billige Bot-Armeen können für 100 Dollar gekauft werden, wie die Webseite „The Daily Beast“ gezeigt hat. Der hohe Preis unserer Recherche könnte auch an der angeblich hohen Qualität der Bots gelegen haben.

Manche Bots und Fake Accounts helfen dabei, eine Nachricht zu verbreiten. Andere greifen politische Gegner an. Der Schlüssel für einen erfolgreichen Einsatz von Bots ist, dass man Bots nutzt, die seriös wirken und nicht auf den ersten Blick als Bots zu erkennen sind. Genau das hatte Alexander im Gespräch mit BuzzFeed News versprochen.

BuzzFeed News Reporterin Jane Lytvynenko hat an dieser Recherche mitgearbeitet.

Henk van Ess ist ein niederländischer Recherche-Trainer, spezialisert auf Social Media und Datenjournalismus. Henk schreibt Kolummnen für BBC, PBS und GIJN und arbeitet für das Online-Recherche-Startup Bellingcat. Hier könnt ihr Henk auf Twitter folgen.

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