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Das sagt eine Masochistin über "Fifty Shades of Grey"

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Mittlerweile hat fast jeder von Fifty Shades of Grey gehört, dem Film über das graue Mäuschen Anastasia Steele, den selbstbewußten Millionär Christian Grey und ihre Fesselspiele. Ich habe mich mit Sabrina*, einer praktizierenden Masochistin, getroffen und mit ihr den Film geschaut. Das meint sie darüber. (*Name von der Redaktion geändert)

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BuzzFeed: Sabrina, wie hat Dir Fifty Shades of Grey gefallen?

Sabrina: Der Film war langweiliger als ich dachte. Er war nicht mal unfreiwillig komisch.

BuzzFeed: Hat Dir auch irgendwas richtig gut gefallen?

Sabrina: Das Ende, als Anastasia Steele Christian Grey endlich verlässt. Das fand ich gut. Leider weiß ich ja, dass es noch einen zweiten und dritten Teil geben wird, das also leider nicht das Ende war.

BuzzFeed: Wenn man mal von den BDSM-Elementen absieht, ist die Erzählung geradezu klassisch.

Sabrina: Genau. Da ist die kleine, unsichere Ana, dort der selbstsichere Millionär, den sie sich immer erträumt hat...

BuzzFeed: ... der ihr teure Sachen kauft...

Sabrina: ... und ganz schön übergriffig ist! Er verkauft einfach ihr Auto und schenkt ihr ungefragt ein Neues. Ständig kreuzt er unangekündigt in ihrer Wohnung, am Arbeitsplatz und bei ihren Eltern auf. Schrecklich! Aber eigentlich sollte ich sagen, was ich gut finde...

BuzzFeed: Wir können auch gerne darüber reden, was Du schlecht findest.

Sabrina: Der Film macht einen Zusammenhang zwischen Misshandlungen in der Kindheit und BDSM–Praktiken auf. Das hat mich extrem gestört. Ich finde sehr problematisch, dass seine Neigungen aus einem Trauma abgeleitet werden. Das ist ja leider ein Vorurteil, dem man immer wieder begegnet.

BuzzFeed: Denkst Du, dass der Film in dieser Hinsicht der BDSM-Szene schadet?

Sabrina: So eine Darstellung schürt natürlich noch mehr Vorurteile. Menschen, die damit nichts zu tun haben, denken doch, da laufen nur Gestörte rum. Ich finde es aber auch schwierig, weil Menschen, die so eine Neigung verspüren, den Eindruck bekommen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt.

BuzzFeed: Was hat Dir außerdem nicht gefallen?

Sabrina: Ihre Inszenierung als Unschuldswesen ist mir aufgestoßen. Ständig steht sie verloren und in weißen Schlüpfern herum. Wenn sie frontal gezeigt wird, hat sie immer diesen entsetzten Reh-Blick drauf. Jungfrau ist sie außerdem! Absurd.

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BuzzFeed: Was könnte positiv am Erfolg von Fifty Shades of Grey sein?

Sabrina: Vielen Menschen steht ihre Sexualität im Wege, auch weil eben nicht offen darüber gesprochen wird und da könnte so ein Film natürlich ein Impulsgeber sein, etwas über sich zu entdecken.

BuzzFeed: Würdest Du sagen, dass in Fifty Shades of Grey ehrlich über Sexualität gesprochen wird?

Sabrina: Nein. Das Fatale an dem Film ist doch, dass sie gezwungen wird, eine Sexualität und eine Beziehung zu leben, die in ihr gar nicht angelegt ist.

Es wird nur über seine Wünsche gesprochen.

BuzzFeed: Die beiden führen eine ganz klassische ungesunde Beziehung, in der er sie emotional misshandelt. Und sie möchte ihn retten.

Sabrina: Genau. Für mich wäre es ein lohnenderes Projekt, eine Frau zu zeigen, die selbstbewusst ist und trotzdem Masochistin. Anastacia erträgt die Schläge ja nur, weil sie denkt, dass diese Praktiken zu ihrer Beziehung eben dazu gehören und nicht, weil sie Lust empfindet oder neugierig ist.

"Fesselspiele, aber auch Schmerz können etwas Meditatives haben."

BuzzFeed: Im Kino waren 80 Prozent des Publikums weiblich. Die Männer, die dort waren, sind mit ihren Partnerinnen gekommen. Hast Du eine Theorie, warum gerade dieser Film bei Frauen so erfolgreich ist?

Sabrina: Die Geschichte lebt von der gängigen Fantasie, dass sie einen besseren Menschen aus ihm macht. Vielleicht wird er ja am Ende von Teil Drei gerettet und schmeißt sein BDSM-Spielzeug weg...

BuzzFeed: Ist es eigentlich problematisch, dass der Film es so darstellt, dass ein im normalen Leben eher dominanter Mensch auch im Schlafzimmer so funktioniert und andersherum?

Sabrina: Das fand ich gar nicht so unrealistisch. Es gibt in der BDSM-Szene Menschen, die eine tiefe Sehnsucht danach haben, jeden Tag in dieser Rolle zu bleiben und sich jemandem komplett zu unterwerfen.

BuzzFeed: Du auch?

Sabrina: Für mich selber kam das nie in Frage. Aber auch bei mir findet BDSM natürlich nicht nur auf einer rein sexuellen Ebene statt. Bestimmte Wünsche, Gedanken, Verhaltensmuster sind auch bei mir in den Alltag integriert. Das finde ich reizvoll. Aber ich glaube, das macht man auch, wenn man eine andere Form der Sexualität lebt. Keiner kann das komplett trennen. Und auch der Film erzählt das auf eine sehr ambivalente, fast absurde Weise: einerseits ist Christian Grey durchgehend dominant, andererseits braucht er in seiner eigenen Wohnung ein Spielzimmer, um diese Sexualität auszuleben. Die Sexualität also ein anderer, irgendwie abgetrennter Teil von ihm ist. Das ist ja schon klassischer Freud!

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BuzzFeed: Gab es Dinge im Filme, die gut recherchiert und richtig dargestellt waren?

Sabrina: Das Spielzeug im Spielzimmer! Das gibt es wirklich alles so. Und die Szene, in der er im Baumarkt einkaufen geht, hat mir gut gefallen. Gerade Menschen, die sich nicht in die einschlägigen Läden trauen, oder die sparen wollen, kaufen dort ein. Diese heftige Abschlussszene, in der er sie schlägt und sie zählt mit, das gibt es schon oft. Aber natürlich idealerweise konsensuell.

BuzzFeed: Gibt es solche Verträge - wie den, den Christian Grey mit Ana abschließen will - wirklich?

Sabrina: Ich persönlich habe davon noch nichts gehört.

BuzzFeed: Aber Absprachen gibt es doch schon?

Sabrina: Ja, natürlich. Aber bei weitem nicht so förmlich und auch nicht schriftlich fixiert.

BuzzFeed: Wie findest Du denn die Idee mit dem Vertrag im Film?

Sabrina: Nicht so gut. Wenn eine Beziehung gut läuft, und das gilt auch für BDSM-Beziehungen, dann wird viel kommuniziert. Die beiden im Film können das gar nicht und müssen sich vertraglich absichern, dass der eine die andere nicht verletzt.

BuzzFeed: Was war schlecht recherchiert?

Sabrina: Ich fand es ganz schlimm, dass alle BDSM-Praktiken im Film an Bestrafung gekoppelt waren. Es wäre ganz fürchterlich für mich, wenn ich für irgendetwas bestraft würde.

"Ständig steht sie verloren und in weißen Schlüpfern herum."

BuzzFeed: Aber Bestrafungen gibt es beim BDSM doch schon?

Sabrina: Das stimmt. Da spreche ich für mich. Ich bin Masochistin. Ich habe Spaß daran. Ich mache das nicht, weil ich für irgendetwas büßen muss. Aber ich kenne schon auch viele, die auf klassische Erziehungsspiele stehen. Da ist Bestrafung natürlich auch eine Komponente.

BuzzFeed: Gab es auch Momente, in denen Du Dich wiedergefunden hast?

Sabrina: Als Christian von seiner devoten Erfahrung erzählt hat. Er sagt, er habe sich noch nie so frei gefühlt. Das geht mir auch so.

BuzzFeed: Was genießt du daran?

Sabrina: Ich bin ein sehr verkopfter, sehr kontrollierter Mensch und ich habe eine Sehnsucht danach, loszulassen und mich fallen zu lassen. Das habe ich beim BDSM gelernt. Heute würde ich sagen, dass meine Sexualität und mein sonstiges Leben sich in einem Ying und Yang befinden. Das befruchtet sich gegenseitig.

BuzzFeed: Kannst Du ein Beispiel nennen?

Sabrina: Meine Sexualität wirkt einerseits wie ein Ventil. Fesselspiele, aber auch Schmerz können etwas Meditatives haben. Andererseits habe ich gelernt bei mir anzukommen. Ich bin selbstbewusster geworden. Mein eigenes Körperbewusstsein ist viel besser. Ich bin ausgeglichen, was vielleicht auch damit zu tun, dass ich sexuell befriedigt bin. Ich habe gelernt Grenzen zu setzen, aber auch mal mutig zu sein, meinen eigenen Wünschen nachzuspüren.

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BuzzFeed: Glaubst Du, die Gesellschaft kann etwas von BDSM lernen?

Sabrina: Ich glaube, es würde allen gut tun, ehrlich über ihre Fantasien und über Sex zu reden. Ich glaube, die wenigsten machen das und das ist doch sehr traurig.

BuzzFeed: Was hast Du selbst von BDSM gelernt?

Sabrina: Ich habe erst durch BDSM wirklich gelernt, meine Grenzen klar zu benennen.

BuzzFeed: Sind Feminismus und BDSM vereinbar für Dich?

Sabrina: Das war lange Zeit sehr schwierig für mich. Ich bin Feministin, aber ich wusste auch schon früh um meine Neigungen. Lange Zeit hatte ich Angst, dass ich mit meinen Vorlieben patriarchale Strukturen reproduziere. Ich hatte Angst, dass ich Fantasien auslebe, die sich Männer für Frauen ausdenken. Das totale Geschlechterklischee eben!

BuzzFeed: Wie hat sich das für dich weiterentwickelt?

Sabrina: Ich habe lange im Wechselbad der Gefühle gelebt. Wenn ich meine Neigung ausgelebt habe, ging es mir gut, aber danach kam das schlechte Gewissen.

BuzzFeed: Wie ist das heute?

Sabrina: Heute sehe ich das anders. Ich finde es durchaus feministisch, dass ich meine Bedürfnisse benenne und auslebe. Ich sage sehr genau, was ich möchte. Und auch was nicht. Ich bin auch als Masochistin niemandem willenlos ausgeliefert. Ich finde, BDSM ist in dem Sinne feministisch, dass Frauen, denen jahrhundertelang Lust aberkannt wurde, sich mit ihrer eigenen Lust auseinandersetzen können.

BuzzFeed: Hast du auch schon andere Erfahrungen gemacht?

Sabrina: Ich bin früher viel im Internet unterwegs gewesen und habe da oft Männer getroffen, die gezielt nach Frauen suchen, die keine Widerworte geben. Die suchen keine emanzipierten Frauen und geben Suchanzeigen auf, in denen so Formulierungen wie "klassisches Rollenbild" stehen.

BuzzFeed: Und hast Du das auch schon Mal außerhalb des Internets erlebt?

Sabrina: Ich bin viel im BDSM-Nachtleben unterwegs und da habe ich schon Paare gesehen, bei denen ich Sorge hatte, dass einer nicht so gerne wie der andere dort ist. Aber die sind in der Minderheit.

BuzzFeed: Warst Du schon mal in einer Situation, in der Du Dich bedroht gefühlt hast?

Sabrina: Glücklicherweise nicht. Ich bin mehr Masochistin als Devote. Ich will schon Schmerzen erleben. Diese Form der Sexualität habe ich deswegen bisher nur mit Männer gelebt, die mir sehr nahe stehen. Ich brauche schon großes Vertrauen. Das würde ich nie mit einem One-Night-Stand machen. Ich habe natürlich viel über Gefahren nachgedacht, gerade also ich noch mehr im Internet unterwegs war. Und ich habe mit der Zeit auch ein gutes Bauchgefühl entwickelt dafür was ich will und was ich nicht will. Und ich kann das auch ehrlich sagen.

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BuzzFeed: Auch die Queer-Szene interessiert sich immer mehr für BDSM. Ändert sich da durch was?

Sabrina: Alleine schon, weil die Variationen größer werden und auch die Dinge, die ausgehandelt werden müssen, verändern sich die Auseinandersetzungen damit, was Geschlecht und Sexualität eigentlich sind. Das gefällt mir sehr gut.

BuzzFeed: Glaubst Du, das gerade in dieser Hinsicht Fifty Shades of Grey kontraproduktiv ist?

Sabrina: Ja. Alleine schon, weil Christian der Dominante und Ana die Unterwürfige ist. Das könnte man in einem Film ja auch mal andersherum darstellen. Und weil die Definitionen im Film so klar sind. Ich würde mich auch nie so eindeutig definieren. Nur weil ich Masochistin bin, bin ich noch lange kein unterwürfiges Weibchen.

BuzzFeed: Hast Du schon Mal negative Erfahrungen gemacht, wenn du offen über Deine sexuellen Neigungen gesprochen hast?

Sabrina: Nicht wirklich. Ich gehe damit aber auch sehr vorsichtig um. Im Berufsleben würde ich gar nicht erzählen. Da hätte ich Angst vor einem Spießrutenlauf und auch davor, dass ich mir dann anzügliche Bemerkungen anhören muss.

BuzzFeed: Wissen Deine Freunde bescheid?

"Ich fand es ganz schlimm, dass alle BDSM-Praktiken im Film an Bestrafung gekoppelt waren."

Sabrina: Ich habe es nur ein paar wenigen erzählt. Meine Freunde nehmen mich sehr stark und sehr führend war. Ich habe Sorge, dass sie mich dann anders wahrnehmen, aber auch, dass sie sich Sorgen machen. Und egal wie offen im Freundeskreis über Sexualität gesprochen wird, über ihre Praktiken erzählen mir meine Freunde ja auch nichts. Warum muss ich dann drüber reden?

BuzzFeed: Andererseits macht die Sexualität ja auch einen großen und vielleicht auch bewussteren Teil Deines Lebens aus?

Sabrina: Das stimmt. Gerade am Anfang, als ich viele neue Erfahrung gesammelt habe, hätte ich gerne mit meinen Freunden gesprochen und habe mich oft nach jemandem gesehnt, mit dem ich jenseits von meinem Partner, mit dem ich das erlebe, darüber sprechen kann. Aber durch dieses Abtauchen in die Berliner Szene habe ich Menschen gefunden, mit denen ich beides teilen kann.

BuzzFeed: Was ist eigentlich der größte Mythos über BDSM?

Sabrina: Viele denken, gerade die Frauen, die das machen, sind dick und häßlich und finden sonst niemanden. Die Männer sind Patriarchen, die nur Frauen schlagen wollen. Wir tragen immer Lack oder Leder und haben auch immer unseren SM-Werkzeugkasten dabei. Und zum Lachen gehen wir in den Keller.

Fifty Shades of Grey läuft bereits im Kino. Weitere Information gibt es hier.

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