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Rassisten, Neo-Nazis und Rechtsextreme strömten zu Konferenz nach Russland

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Am vergangenen Sonntag versammelten sich ultrarechte Gruppierungen in St. Petersburg zu einer gemeinsamen Front gegen Freimaurer, Schwule und Lesben und „dreckige Marionetten der Zionisten“.

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Der Europa-Abgeordnete und frühere NPD-Vorsitzende Udo Voigt spricht auf dem „Internationalen Russischen Konservativen Forum“ in Sankt Petersburg.

St. Petersburg – Der schottische Abtreibungsgegner Jim Dowson poltert im Konferenzraum eines Hotels gegen die "Nazi-Faschisten in der EU". Während er spricht, wird ein Bild von Wladimir Putin hinter ihm eingeblendet. Es zeigt den russischen Präsidenten, wie er mit entblößter Brust auf einem Bär durch die sibirische Wildnis reitet.

"Die Rettung meiner Generation ist das große russische Volk, denn Wladimir Putin versteht noch, dass die Rechte der Mehrheit Vorrang vor den Marotten und Perversionen der Minderheit haben", sagt Dowson. "Obama und Amerika – die sind wie Weiber! Das sind feminisierte Männer. Ihr seid mit einem echten Mann gesegnet! Und wir beneiden euch um ihn."

Welche Anziehung Russland auf Europas Ultrarechte ausübt, ließ sich am Sonntag auf dem "Internationalen Russischen Konservativen Forum" sehr gut beobachten. Die Konferenz wurde von der ultranationalistischen Pro-Kreml-Partei Rodina organisiert. Ihr Ziel war es, die Zusammenarbeit zwischen rechtsextremen Organisationen zu stärken. "Von Gibraltar bis Wladiwostok", wie ein Teilnehmer es formulierte. Die ungefähr 200 rechtsradikalen Politiker und Aktivisten aus ganz Europa, die sich im St. Petersburger Holiday Inn versammelten, eint der Hass auf Washington, auf die Europäische Union und auf Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle. Sie wettern gegen Liberalität und Toleranz und beschwören Russland, den Kampf für eine christliche Moral anzuführen.

"Konstantinopel ist untergegangen", sagt Nick Griffin, der bis zum vergangenen Jahr der British National Party vorstand. "Genauso ist es Rom ergangen und den Nachfolgern des Römischen Reichs. Es ist unausweichlich, dass Westeuropa entweder zu einem islamistischen Kalifat wird oder dass es einen schrecklichen Bürgerkrieg gibt oder beides. Und zwar noch zu Lebzeiten der meisten Menschen in diesem Raum. Das Einzige, was den Untergang des Christentums noch verhindern kann, ist der Aufstieg eines Dritten Roms: Moskau."

Nach den damals stärksten Protesten gegen ihn, kehrte Putin 2012 ins Amt des Präsidenten zurück. Seither bemüht er sich, Russland als Bollwerk konservativer Werte darzustellen. Maßnahmen wie die Gesetze gegen Religionsbeleidigung und gegen sogenannte Homosexuellen-Propaganda zielen zwar vor allem auf politische Unterstützung zu Hause, finden aber auch bei vielen Gruppierungen der europäischen Rechten Anklang. Sie betrachten den Kreml mittlerweile als ideologischen Verbündeten. Anführer einwanderungsfeindlicher Parteien aus ganz Europa werden derzeit in Moskau mit offenen Armen empfangen. Andere haben die Krim und die von Rebellen besetzten Gebiete in der Ukraine besucht. Als Beobachter, die den von den Separatisten organisierten Volksabstimmungen einen Anschein von Legitimität geben sollen.

Russland zeigt sich auf seine Weise erkenntlich. RT, der vom Kreml finanzierte und in mehreren Fremdsprachen ausgestrahlte Propaganda-Fernsehsender, stellt rechtsgerichteten europäischen Protestparteien großzügig Sendezeit zur Verfügung und berichtet gerne ausführlich über Anti-EU-Demonstrationen. Eine russische Bank gab Frankreichs Front National im letzten Jahr einen Kredit in Höhe von 9 Millionen Euro. Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen bewundert Putin ganz offen. Viele vermuten, dass Russland bei den Anti-Fracking-Protesten in Bulgarien seine Finger im Spiel hatte. Der Widerstand führte 2012 dazu, dass die bulgarische Regierung eine Schiefergas-Förderlizenz des US-Energieriesen Chevron zurücknahm. In Ungarn wird gegenwärtig ein Europa-Abgeordneter der ultra-nationalistischen Jobbik-Partei beschuldigt, Agent des russischen Geheimdienstes zu sein.

Ziel der Konferenz am Sonntag war es, den Beziehungen einen offizielleren Rahmen zu geben. Das Programm wurde von einem Zitat Putins geschmückt. Es stammt aus einer Äußerung von 2013, in der Putin Europa vorwarf, sich "von den christlichen Werten" zu entfernen, die "das Fundament der europäischen Zivilisation bilden". Die Partei Rodina, die die Konferenz organisierte, tritt bei Wahlen gemeinsam mit Putins Partei Einiges Russland an. Außerdem erfreut sich die Partei der Unterstützung durch Vizepremier Dmitri Rogosin, der Rodina früher selbst anführte.

Allein die Tatsache, dass die Konferenz überhaupt stattfand, ist ein deutliches Anzeichen für die heimliche Zustimmung, wenn nicht sogar offene Unterstützung durch den Kreml. Im Dezember des vergangenen Jahres unterbrach die Polizei am selben Veranstaltungsort mehrfach eine gestreamte Rede des im Exil lebenden Oligarchen Michail Chodorkowski, der als einflussreichster Kritiker Putins gilt. Die Übertragung wurde schließlich endgültig unterbunden, indem die Polizei dem Hotel den Strom abdrehte. Noch am Samstag musste Stanislaw Belkowski, ehemaliger Imageberater des Kreml, einen Vortrag für die Chodorkowski-Stiftung Offenes Russland in St. Petersburg zweimal verlegen, nachdem er auf ähnliche Weise gestört wurde. Eine kleine Menschenmenge hatte sich zum Protest gegen die Konferenz vor dem Hotel versammelt. Acht der Protestierenden wurden verhaftet.

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Die Töne, die auf der Konferenz angeschlagen wurden, gingen zum Teil über die offizielle Linie Russlands hinaus – in einigen Fällen widersprachen sie ihr. Unter den drei anwesenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments war auch der ehemalige Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, der Adolf Hitler in der Vergangenheit als "großen deutschen Staatsmann" beschrieben hat. Die anderen beiden Abgeordneten gehören der griechischen Partei Goldene Morgenröte an, deren Symbol ein nur wenig kaschiertes Hakenkreuz ist. "Es ist eine ziemlich seltsame Mischung von Leuten", sagt der Amerikaner Jared Taylor im Interview mit BuzzFeed News, "die rechte Außenkante vom rechten Rand." Taylor bezeichnet sich selbst als "rassischen Realisten". Die Äußerungen, die auf der Konferenz zu hören waren, deckten ein weites Spektrum ab: Redner wetterten gegen die Freimaurer und den verderblichen Einfluss Hollywoods, gegen "Nazi-Faschisten in der EU", eine "globale Verschwörung blutsaugender Oligarchen", gegen nicht-weiße Immigranten, die "fremdartige Traditionen" praktizieren würden, gegen "Schwuchteln und Kampflesben" und "dreckige Marionetten der Zionisten".

Das war dann vielleicht doch etwas viel für Russland. Zumal Putin häufig selbst mit dem Finger auf die "Neo-Nazis" in der Ukraine zeigt und der Zweite Weltkrieg in seiner Rhetorik eine Renaissance erlebt wie noch nie seit dem Ende der Sowjetunion. Eröffnet werden sollte die Konferenz vom Vorsitzenden der Rodina-Partei, Alexej Schurawljow, der zugleich als Abgeordneter für Einiges Russland im Parlament sitzt. Doch Schurawljow erschien nicht. Die Umstände blieben nebulös. "Ich muss mich umgehend in den Donbass begeben", twitterte er am Freitag. Donbass ist die russische Bezeichnung für das Donezker Becken. Das Gebiet umfasst das Kriegsgebiet in der Ostukraine und russisches Territorium. "Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit. Keine weiteren Angaben." Igor Morosow, Mitglied des Oberhauses im russischen Parlament, sagte ebenfalls ab. Staatliche Fernsehteams waren nirgendwo zu sehen.

Auf Kritik reagieren Redner der Konferenz mit Unverständnis. "Alles, was im Donbass passiert, ist Anti-Faschismus. Alles, was die Ukraine macht, ist Faschismus. Es gibt keinen anderen Faschismus mehr auf der Welt", sagt Alexej Schiwow, Anführer einer obskuren Organisation namens Kampf für den Donbass. Andere scheinen sich in ihrer Treue zu Russland und Putin übertreffen zu wollen. "Es ist beeindruckend, wie geschickt und subtil Präsident Putin einen bewaffneten Konflikt bisher vermieden hat", sagt der Europa-Abgeordnete für die NPD Voigt. Der Belgier Kris Roman leitet einen angeblichen Think Tank mit dem Namen Euro-Rus, der offensichtlich nur aus ihm selbst besteht. Er spricht über mehrere Kremlkritiker, die ermordet wurden oder unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen. "Ich weiß, wo sie sind", sagt er. "Sie sind in der Hölle."

Für einige Teilnehmer scheint es kein Widerspruch zu sein, Faschismus und Nazismus zu verurteilen und im selben Atemzug genau solche Ansichten zu vertreten. Abtreibungsgegner Dowson nennt Obama einen Nazi. "Für mich ist es nicht abwertend, als Faschist bezeichnet zu werden", sagt Roberto Fiore, ein ehemaliger Abgeordneter des Europa-Parlaments aus Italien, im Gespräch mit BuzzFeed News. Er scheint vergessen zu haben, dass er im August letzten Jahres auf der Krim ein "anti-faschistisches Memorandum" unterzeichnet hat. Russische Nationalisten, die gemeinsam mit Separatisten in der Ukraine gekämpft haben, verteilen Abzeichen mit einem aufgeprägten Kolowrat, ein heidnisches slawisches Pendant zum Hakenkreuz. "Sie haben keine Vorstellung, was das bedeutet", sagte Taylor, der Amerikaner, "das heißt, sie haben Vorstellungen, aber es sind die falschen."

Als eine Bombendrohung bei dem Hotel einging, musste die auf acht Stunden angesetzte Konferenz frühzeitig beendet werden. Die Organisatoren verkündeten, dass es sich um eine Falschmeldung handele, und brachten die Teilnehmer an einen anderen Ort, wo sie eine gemeinsame Resolution über die nächsten Schritte der Bewegung unterzeichnen sollten. Als sich herausstellte, dass niemand das Papier gelesen hatte, löste sich die Konferenz nach und nach auf.

Die Aufmerksamkeit, die das Treffen in der Presse bekommen hat, scheint für viele Teilnehmer die selbstbezahlte Reise lohnenswert gemacht zu haben. Griffin sagt, er hoffe, dass die Konferenz nur der Anfang von weitaus größerer Unterstützung aus Russland sei. "Wenn Ihnen jemand eine Stange Geld anbietet, würden Sie es nicht auch nehmen?", fragte er.

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