OneCoin konnte Milliarden stehlen, obwohl Banken die Behörden informiert hatten

60.000 Deutsche haben an OneCoin geglaubt. Weltweit waren es Millionen. Ihr Geld ist weg. Wie konnte das passieren? Ein Teil der Antwort findet sich in den FinCEN-Files.

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OneCoin konnte Milliarden stehlen, obwohl Banken die Behörden informiert hatten

60.000 Deutsche haben an OneCoin geglaubt. Weltweit waren es Millionen. Ihr Geld ist weg. Wie konnte das passieren? Ein Teil der Antwort findet sich in den FinCEN-Files.

Im Dezember 2015 verschickt in einer Sparkasse nahe der niederländischen Grenze jemand eine Geldwäsche-Anzeige. Es geht um 2,5 Millionen Euro. Geld, dass sich schon bald als die Spitze eines riesigen Eisbergs herausstellen sollte. Recherchen von BuzzFeed News zeigen: Die Meldung, die in diesem Moment die kleine Sparkasse verlässt, beschreibt nicht nur einen der womöglich größten Betrugsfälle aller Zeiten. Sie ist auch eine der ersten Meldungen zu diesem mutmaßlichen Betrug weltweit.

Lange bevor sich das FBI damit befassen wird. Lange, bevor sich Ermittlungsbehörden in Dutzenden Ländern mit OneCoin beschäftigen, ein Kronzeuge auspacken und die glamouröse Gründerin untertauchen wird. Und auch lange bevor deutsche Ermittler versuchen werden, das Geld von 60.000 Anlegern wiederzufinden.

Heute ist klar: Was die kleine Sparkasse damals gemeldet hat, könnte einer der größten Betrugsfälle aller Zeiten werden. Mit Parties in Bulgarien und London. Mit Yachten und Diamanten, Räumen voller Bargeld und Privat-Spionen. Mit Luxus-Apartments auf der halben und betrogenen Kunden auf der ganzen Welt. Mit einer spurlos verschwundenen Milliardärin aus Deutschland. Und mit ihrem Bruder, der dem FBI hilft, gegen seine eigene Schwester zu ermitteln. Beide sind aufgewachsen in einer Kleinstadt im Schwarzwald und wurden von ihren Anhängern weltweit bejubelt, für etwas ohne jeden realen Wert: OneCoin. Eine frei erfundene, virtuelle Währung, die nirgends existierte außer in ein paar Verkaufspräsentationen, irreführenden Webseiten und Excel-Tabellen.

Dank der Geldwäscheanzeige der kleinen Sparkasse hatten deutsche Behörden für einen kurzen Moment die Chance, den womöglich größten Betrug der vergangenen Jahre zu stoppen. Vielleicht hätten dann nicht hunderttausende Menschen auf der ganzen Welt einer vorbestraften Betrügerin Milliarden Euro anvertraut. Doch es kam anders. Heute ermitteln deutsche Staatsanwälte, unter anderem wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges, der Geldwäsche und diverser anderer Delikte.

Allein in Deutschland glaubten 60.000 Menschen an OneCoin, weltweit waren es 3,5 Millionen. Bis heute ist unklar, wie hoch der Schaden wirklich ist. In Unterlagen der US-Behörden ist von vier Milliarden Dollar die Rede, interne Unterlagen weisen 5,2 Milliarden Dollar Umsatz bis Mitte 2017 aus. Zwischenzeitlich kursiert sogar die unglaubliche Summe von 15 Milliarden.

Sicher scheint bislang nur: Das Geld ist weg. Und mit ihm der Kopf hinter allem, die Deutsch-Bulgarin Ruja Ignatova. Auf Fragen von BuzzFeed News antworteten Ignatova und ihre ehemaligen Mitstreiter genauso wenig wie die Firmen, die hinter OneCoin stehen.

Wir recherchieren weiter zum Thema – helfen Sie uns dabei. Fühlen Sie sich als Geschädigte? Haben Sie Hinweise, Dokumente oder Namen für uns, denen wir nachgehen sollten? Wir schauen uns alles an und prüfen die Vorwürfe. Wie Sie uns anonym und verschlüsselt erreichen können, steht am Ende des Artikels – oder schreiben Sie uns vertraulich an recherche@buzzfeed.com.

Für viele, die ihr glaubten, stellen sich bis heute quälende Fragen. Manche haben ihre besten Freunde angeworben, ihre Nachbarn, ihre Arbeitskollegen. Andere haben sämtliche Ersparnisse der Familie in OneCoin gesteckt. Ihnen war ein kluges Investment versprochen worden. Eines, mit dem sie reich würden. Am Ende wurden mit „OneCoin“ nur sehr wenige Menschen reich, die dafür aber so richtig.

Seit fast einem Jahr recherchieren wir zu OneCoin. Wir haben interne Dokumente ausgewertet, mit Experten und Ermittlern gesprochen, heimlich an Veranstaltungen teilgenommen. Wir haben uns durch alte Videos, soziale Netzwerke und Telegram-Gruppen gewühlt, Spuren im Netz gefunden. Und eines Tages fanden wir den Namen „OneCoin“ auch in den FinCEN-Files – jenen streng vertraulichen Unterlagen und Geldwäsche-Verdachtsmeldungen der US-Finanzaufsicht, die BuzzFeed News mit dem ICIJ und mehr als 100 weiteren Redaktionen geteilt hat und die nach ihrer Veröffentlichung am vergangenen Sonntag eine weltweite Debatte um die Rolle von Banken bei Geldwäsche und Finanzkriminalität ausgelöst haben.

Wie viele Alarmglocken müssen gleichzeitig klingeln?

Auch die Köpfe hinter OneCoin nutzten die Lücken im System der Geldwäsche-Überwachung aus. Gründeten Briefkastenfirmen am Fließband. Nutzten Fonds, die in intransparenten Steueroasen registriert waren und Geld von einem verschwiegenen Finanzplatz zum anderen brachten. Fonds und Briefkastenfirmen, die Fonds und Briefkastenfirmen gehören, die an Sammeladressen in Finanzoasen registriert waren.

Und: Auch hier waren es nicht die internationalen Großbanken, die Alarm schlugen, sondern die kleine deutsche Sparkasse und später die „United Overseas Bank” aus Singapur, die zwei Überweisungen ablehnte und damit die mächtige Bank of New York Mellon aufscheuchte. Die Bank of New York Mellon antwortete, sie nehme ihre „Rolle beim Schutz des globalen Finanzsystems“ sehr ernst und unterstütze die Behörden bei ihrer Arbeit. Die Beantwortung konkreter Fragen lehnte die Bank ab.

Banken sind per Gesetz nicht verpflichtet, verdächtige Zahlungen zu stoppen – aber in Fällen wie diesem stellt sich die Frage: Wie viele Alarmglocken müssen eigentlich gleichzeitig klingeln, bevor sie es von sich aus tun?

Ihre Anhänger nannten sie Cryptoqueen: Ruja Ignatova.

Portrait von Ruja Ignatova

Ruja Ignatova, Kopf hinter dem mutmaßlichen Mega-Betrug, kennt sich jedenfalls aus mit der Finanzbranche. Schon in der Schule war sie aufgefallen. Ein Einwandererkind aus Bulgarien, gleich zwei Mal eine Klasse übersprungen, nicht sonderlich beliebt, aber klug. So berichten es ehemalige Mitschüler der Neuen Rottweiler Zeitung, die schon früh zu OneCoin recherchierte. Ignatova hat Ambitionen, studiert Jura, macht ihren Doktor, beginnt bei einer renommierten Wirtschaftsberatung. Aber irgendwann in dieser Zeit muss die Entscheidung gefallen sein, dem Erfolg selbst ein wenig nachzuhelfen.

Gemeinsam mit ihrem Vater übernimmt sie 2010 das in Schwierigkeiten geratene Gusswerk Waltenhofen. Sie als dynamische Geschäftsfrau, er als Mann, der etwas vom Fach versteht, so die Inszenierung. Anfangs ist die Belegschaft begeistert. Nach einem Jahr fällt die Maske. Ignatova hatte so viel Geld wie möglich aus der Firma gezogen. Sie hatte versucht, die Maschinen nach Bulgarien zu verkaufen und die eigentlich schon insolvente Firma Anfang 2012 schließlich heimlich weiterverkauft. Direkt danach setzte sie sich ins Ausland ab, wohl erst nach London und dann nach Dubai. Im April 2016 wird sie in Augsburg wegen Insolvenzverschleppung und Betrug verurteilt. Von einer erheblichen kriminellen Energie sprach die Staatsanwaltschaft damals. Von einer positiven Sozialprognose das Gericht.

Womöglich nimmt sie da schon zum zweiten Mal Anlauf, auf Kosten anderer reich zu werden: Mit „BigCoin“, einem kollabierten Schneeballsystem, das Menschen eine erfundene Kryptowährung verkaufen wollte. Womöglich lernte sie dort Sebastian Greenwood kennen und dessen Talent, Menschen alles mögliche zu verkaufen. Noch während Ruja Ignatova BigCoin bewirbt, schmiedet sie an den Plänen für OneCoin. Das belegen E-Mails von Ruja Ignatova aus der Zeit kurz vor dem Start von OneCoin, die sich in den Akten der US-Ermittlungsbehörden finden. Von „sehr grenzwertigen Sachen“ ist dort die Rede. Und von einem Plan, auf den man „nicht stolz sein“ könne.

Ruja Ignatova erkennt: Zu dieser Zeit haben viele Menschen Angst, den Hype um die digitale Kryptowährung Bitcoin verpasst zu haben. Und sie lernt, wie man aus der blinden Gier der Menschen viel Geld machen kann. Dafür erfinden sie und ihr Mitstreiter OneCoin. OneCoin sei die einmalige Chance, wieder wettzumachen, was man mit BitCoin verpasst habe. Das bekommen die Menschen auf den Werbeveranstaltungen zu hören.

Es gibt nur einen Unterschied. Anders als BitCoin ist OneCoin gar keine echte Kryptowährung. Theoretisch kann jeder eine Kryptowährung erfinden. Und beliebig viele Münzen dieser Währung. Solange Menschen daran glauben, dass es diese Währung gibt, dass sie abgesichert ist, dass sie einen Wert hat, solange kann sie auch gehandelt werden. Nur: Warum sollten die Menschen das glauben?

Bei echten Kryptowährungen gibt es ein System, das Betrug mit der Währung verhindern soll: Die Blockchain. Man kann sie sich wie ein öffentliches Kassenbuch vorstellen. Wie viele Münzen es gibt, wer welche davon kauft, wann, von wem, zu welchem Preis – all das steht in der Blockchain. Sie stellt sicher, dass jede Münze nur einmal ausgegeben werden kann. Damit niemand Einträge im Kassenbuch fälschen kann, ist diese Blockchain öffentlich: Jedes Gerät, das am Handel teilnimmt, greift auf eine ständig aktualisierte Kopie davon zu. Kryptowährungen kontrollieren sich damit quasi selbst, nicht durch eine Zentralinstanz, sondern durch eine Kontrolle vieler Teilnehmer. Taucht irgendwo eine Münze oder eine Transaktion auf, die all die anderen nicht in ihrem Kassenbuch haben, fällt das auf. Soweit die Theorie.

In der Praxis ist es den meisten Anlegern nicht möglich, zu überprüfen, ob eine Währung eine echte Blockchain hat oder nur so tut. Auch OneCoin behauptet, eine solche Blockchain zu haben. Und mehr noch: Ruja Ignatova und ihre Komplizen drehen den Spieß um. Eine öffentliche Blockchain sei unsicher, da könne ja jeder ran, man mache das bei OneCoin viel besser: Die Blockchain sei geheim und nicht öffentlich, Zugang habe nur die Firma OneCoin. Damit entfällt die Kontrolle der vielen – und die Leute hinter OneCoin können tun, was sie wollen. Zum Beispiel per Knopfdruck unendlich viele Münzen erzeugen. Sie sind ihre eigene Geldpresse.

Eine echte Kryptowährung jedenfalls, deren Preis sich nach Angebot und Nachfrage entwickelt, abgesichert durch ein dezentrales Protokoll, die Blockchain, eine solche echte Kryptowährung ist OneCoin nicht. Den Preis für OneCoin legen die Hintermänner selbst fest. Natürlich steigt er immer und fällt nie. US-Ermittlungsbehörden liegen zahlreiche E-Mails vor, die all das belegen.

Die Banken hatten OneCoin schon 2015 auf dem Radar

Durch die FinCen-Files wird nun klar: Banken hatten OneCoin schon Ende 2015 mit großen Fragezeichen auf dem Radar, die Behörden waren spätestens Anfang 2016 informiert.

In den FinCen-Files findet sich ein Untersuchungsbericht des Nachrichtendienstes der australischen Regierung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung, in dem im Frühjahr 2016 zahlreiche Vorgänge gemeldet werden, darunter auch einer zu OneCoin. Einem Zahlungsdienstleister war ein Konto aufgefallen.

In der Analyse heißt es:

„Eine Überprüfung des Unternehmens deutet darauf hin, dass sich das Unternehmen im Besitz von Dr. Ruja Ignatova befindet, von ihr gegründet wurde und sich als "Globales Ponzi-Schema" herausstellen könnte. Das Unternehmen verspricht augenscheinlich einen hohen Prozentsatz als Rendite. Es behauptet, dass die Kunden in 12 Monaten eine 80-fache Rendite auf ihre Investition erzielen können.“

Den Australiern waren rund 50.000 verdächtige Dollar aufgefallen. Das ist nicht viel in der Welt der Geldwäsche-Abteilungen, Banken und Ermittlungsbehörden. Doch wer genau hinschaut, sieht bereits die Alarmzeichen: Ein verschachteltes Netzwerk mit Firmen in diversen Ländern sammelt und verschiebt Geld für ein Produkt, dass man nicht anfassen kann, das nur im Netz existiert, für das es keinerlei Regulation durch eine Finanzaufsicht gibt und das absurd hohe Gewinne verspricht.

Zu diesem Zeitpunkt sind auf der ganzen Welt bereits abertausende IMAs unterwegs, um OneCoin an den Mann zu bringen. IMA steht für „Independent Marketing Associate“, also unabhängige Vertriebspartner. Denn das ist der Clou von OneCoin: OneCoin kommt als digitale Währung daher, vermarktet sich aber über Empfehlungsmarketing – auch bekannt als Netzwerk- oder Multi-Level-Marketing. Wer kauft, soll auch neue Käufer anwerben. Jedes Mal, wenn die so angeworbenen Kunden dann Geld in OneCoin stecken, verdient man als Werber ein bisschen Provision mit.

Man kann OneCoin nicht einfach so beitreten, man muss von einem Mitglied „eingeschrieben“ werden. Bringen die so Angeworbenen ihrerseits neue OneCoiner in das System, verdient man auch an deren Umsätzen mit – die Provision fließt die „Upline“ nach oben. Die am weitesten oben stehenden OneCoiner bekommen die größte Provision.

Je mehr Umsatz die eigene „Downline“ macht, desto höher steigt man in der OneCoin-internen Hierarchie: Sapphire, dann Ruby, dann Emerald, so heißen die ersten Stufen – danach kommen die eigentlichen Schwerverdiener, die auf Bühnen wie Superstars bejubelt wurden und für OneCoin-Promo um die Welt geflogen sind. Sie heißen Diamond, Blue Diamond, Black Diamond und schließlich Crown Diamond.

Uns liegen interne Statistiken von OneCoin vor, die die Erfolge von 42.130 IMAs zeigen. Zum Crown Diamond schafften es davon ganze vier Menschen.

Es gibt einen starken Anreiz, immer neue Leute reinzuholen, die eigene Downline also so lang wie möglich zu machen. Wie stark der war, zeigen interne Statistiken von OneCoin. Jemand aus dem Inneren einer der OneCoin-Firmen hat sie mit einigen Journalisten geteilt, auch BuzzFeed News Deutschland liegen sie vor. Ob die darin enthaltenen Zahlen alle so stimmen, kann nicht überprüft werden, aber sie decken sich mit Erkenntnissen von Ermittlern, US-Gerichtsakten, dem Schulungsmaterial, das uns vorliegt und Medienberichten.

Unter jedem der vier Crown Diamonds stehen allein im September 2016 mehr als 231 Millionen Euro Umsatz in der Tabelle – pro Monat. Selbst die Downline eines Sapphire-OneCoiners, also des niedrigsten „Leadership“-Rangs, bringt dem Betrug der Statistik zufolge durchschnittlich noch fast 47.000 Euro im Monat. Es geht um enorme Summen – bei Provisionen von bis zu 25 Prozent.

Doch die allermeisten OneCoiner bekommen überhaupt keine Provisionen. Sie haben nur gezahlt, aber nie echtes Geld dafür zurückbekommen. Sie besitzen zwar OneCoin – auszahlen lassen können sie sich die aber nicht. Dafür sei es noch zu früh, sagt man ihnen, OneCoin müsse erst weltweit die Währung Nummer Eins werden und überall als Zahlungsmittel akzeptiert sein. Solche Visionen werden den Gläubigen immer und immer wieder eingebläut.

Wer in OneCoin investiert hat, der kaufte auf dem Papier etwas anderes. Auch das macht es so schwer, die Verantwortlichen zu verurteilen. Kunden kauften formal Schulungspakete und Tokens. Mit den Schulungspaketen wurde ihnen Bildung im Finanzsektor versprochen. Und die Tokens kann man sich als eine Art Wert-Coupons vorstellen, die Kunden nach und nach zu OneCoin machen konnten. Alleine das Paket „Premium Trader“, für das Interessenten immerhin 12.500 Euro auf den Tisch legen mussten, wurde den internen Unterlagen zufolge in Deutschland in einem halben Jahr ganze 441 Mal verkauft. Das „Infinity Paket“ für 27.500 Euro im gleichen Zeitraum 60 Mal.

Die internen Statistiken und Auswertungen, die BuzzFeed News vorliegen, zeigen noch etwas anderes: Sie zeigen, wie wichtig die Jahre 2015 und 2016 für OneCoin waren.

Ende September 2016 haben den Unterlagen zufolge in Deutschland fast 57.000 Menschen in OneCoin investiert, beinahe 116.000 stehen als sogenannte Anwärter in der Tabelle. Weltweit sind es zu diesem Zeitpunkt schon knapp 2,2 Millionen, ganze neun Millionen als Anwärter. Ende 2016 haben sich 2,8 Millionen Mitglieder weltweit von den Versprechungen der OneCoin-Verkäufer locken lassen – so steht es in internen Werbe- und Schulungsmaterialien deutscher OneCoin-Verkäufer, die BuzzFeed News ebenfalls vorliegen.

Hätten deutsche Behörden OneCoin stoppen können?

OneCoin wurde im April 2014 gegründet. Sollte es sich tatsächlich als illegales Schneeballsystem herausstellen, ist nun klar: Zwischen 2015 und 2016 entschied sich, ob OneCoin ein paar Millionen Euro erbeutet oder zu einem der mutmaßlich größten Betrugsfälle der Geschichte wird.

Heute weiß man: Das Geschäft ging 2016 erst so richtig los. In diesem Jahr wurden weltweit so viele Menschen Teil des Spiels, dass der Ball zu schnell rollte und immer größer wurde. 2016 war auch das Jahr, in dem Ruja Ignatova in Deutschland wegen des Gusswerks Waltenhofen vor Gericht steht und verurteilt wird. Seitdem gilt sie als vorbestraft und auf Bewährung. Hätten die deutschen Behörden eher handeln können? Vielleicht sogar müssen? Hätte das den milliardenschweren OneCoin-Betrug mit hunderttausenden Opfern auf der ganzen Welt stoppen können, bevor er endgültig explodiert?

Alles nicht so einfach, sagt einer der Ermittler. Man könne in einem Rechtsstaat nicht wahllos irgendwelche Kontobewegungen und Unternehmen überwachen. Letztlich sei man auf Anzeigen angewiesen und auf eine funktionierende Zusammenarbeit mit Behörden in anderen Ländern.

Eine unscheinbare Firma im Münsterland

BuzzFeed News liegen zahlreiche Vortragsfolien, Präsentationen und Schulungsmaterialien deutscher OneCoin-Verkäufer aus dieser Zeit vor. Darin taucht ein Name immer wieder auf: Die IMS International Marketing Services GmbH. Gegründet am 24. März 2014 mit dem Geschäftszweck: „Serviceleistungen aller Art für in- und ausländische Unternehmen im Bereich Direktvertrieb, Multi Level Marketing und jeder anderen Vertriebsform“ – so steht es im Gesellschaftsvertrag. Faktisch sammelt die IMS GmbH Geld für OneCoin ein, unter anderem das Geld derjenigen, die sich in Deutschland haben überzeugen lassen.

Auszug aus einer Werbe-Präsentation mit Angabe der Bankverbindung bei der IMS GmbH.

Man ermittle gegen neun Beschuldigte, wisse von 60.000 Zahlungseingängen an die IMS. Etwa 35.000 verschiedene Einzahler hätten insgesamt 97 Millionen Euro überwiesen, schreibt einer der Staatsanwälte auf Anfrage von BuzzFeed News.

Im Netz finden sich noch Spuren der IMS: Stellenausschreibungen und Verkaufsannoncen für drei neue Penthouse-Apartments. Die IMS ist eine unscheinbare Firma, sie sitzt in Greven, mitten im Münsterland. Für Behörden ist kaum zu erkennen, was da läuft. Still und heimlich gehen die Millionen ein und werden von hier weiterverteilt, auf Offshore-Firmen und Konten in der ganzen Welt.

Bei einer Sparkasse aber wird jemand misstrauisch. Die IMS kannte man dort zwar, doch hatte die Firma ein neues Konto eröffnet. Auf diesem Konto gingen dann binnen zwei Tagen insgesamt 705 Buchungen ein – mit einem Gesamtwert von 2,5 Millionen Euro. Alle Buchungen standen im Zusammenhang mit der angeblichen Kryptowährung OneCoin.

Das war im Dezember 2015. Nachdem die Geldwäsche-Verdachtsanzeige die Sparkasse verlassen hat, schaut sich die gemeinsame Finanzermittlungsgruppe Polizei / Zoll beim Landeskriminalamt Nordrhein–Westfalen das ganze genauer an. Schon im Januar 2016 geht der Vorgang von dort an die Staatsanwaltschaft Münster. Ein halbes Jahr später, am 16. August 2016, beschließt das Amtsgericht Münster auf Antrag der Staatsanwaltschaft, 12,5 Millionen Euro auf den Konten der IMS einzufrieren. OneCoin und die IMS wehren sich dagegen. Weil nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass all das Geld auf den Konten aus einem Betrug mit OneCoin stammt, wird die eingefrorene Summe erst auf rund drei Millionen Euro reduziert, dann ganz aufgehoben. „Die OneCoin-Firmen betrachten diesen wichtigen (...) Beschluss als Erfolg“, schreibt später ihr Anwalt.

Bis dahin lief es für OneCoin spitze. Lediglich finnische und bulgarische Behörden hatten im Sommer und Herbst 2015 begonnen, OneCoin zu untersuchen. Dann aber folgten im Januar 2016 die schwedischen Aufsichtsbehörden. Im März 2016 Norwegen und Litauen. Im April 2016 beschlagnahmen chinesische Behörden 30 Millionen Dollar und verhaften etliche OneCoin-Promoter. Trotzdem lief alles weiter.

Am 9. Februar 2017 geht bei der US-Finanzaufsicht eine Verdachtsmeldung der Bank of New York Mellon ein – das zeigen die FinCEN-Files. Von Fonds und Offshore-Firmen ist da die Rede, die Geld für OneCoin verschieben, von OneCoin als Schneeballsystem, von einer früheren Verdachtsmeldung, die kurz vor Weihnachten 2016 abgesetzt worden sei. Beide Verdachtsmeldungen zusammen umfassen verdächtige Kontobewegungen in der schwindelerregenden Höhe von fast 360 Millionen Dollar. Und mitten in diesen vertraulichen Berichten steht immer noch ein Name: die IMS International Marketing Services GmbH.

Hier im Original nachlesen: Was die Banken über OneCoin wussten und was sie FinCEN meldeten

Marcus Engert / BuzzFeed News

Jetzt handelt auch die BaFin, die deutsche Finanzaufsicht. Am 17. Februar 2017, rund 15 Monate nach der Meldung der Sparkasse, sperrt die BaFin das Konto der IMS. In diesen 15 Monaten sind bei der IMS mehrere hundert Millionen Euro eingegangen – und wieder abgeflossen. Im April 2017 stuft die BaFin OneCoin als unerlaubtes Finanztransfergeschäft ein. Von dem Geld ist da kaum noch etwas zu holen, bestätigt eine BaFin-Sprecherin gegenüber BuzzFeed News:

„IMS hat diese Gelder auf Weisung der Onecoin Ltd. an Dritte weitergeleitet. (...) Insgesamt hat die IMS International Marketing Services GmbH aufgrund der mit der Onecoin Ltd geschlossenen Vereinbarung zwischen Dezember 2015 und Dezember 2016 rund 360 Millionen Euro angenommen. Davon konnten 29 Millionen Euro auf den gesperrten Konten sichergestellt werden.“

Das Brisante: Vieles deutet darauf hin, dass Ruja Ignatova zu diesem Zeitpunkt nicht nur von einem deutschen Gericht verurteilt und vorbestraft war, sondern sogar noch in Frankfurt lebte. Sie selbst hat auf Anfragen von BuzzFeed News nicht geantwortet. 2009 hatte sie mit ihrem Mann ein Haus gekauft, in Zeppelinheim in Neu-Isenburg. Zwei Stockwerke, blassgelb angestrichen, kleiner Garten mit hoher Hecke, in einer ruhigen, wohlhabenden, aber nicht zu reichen Wohnsiedlung, aus der man, wenn es sein muss, schnell verschwinden kann. Gleich neben dem Haus liegt die Auffahrt zur Autobahn, in weniger als zehn Minuten ist man auf dem Flughafen Frankfurt, in einer Viertelstunde in Frankfurt am Hauptbahnhof.

Hier, in Frankfurt, soll Ruja Ignatova Anfang März 2016 in einen Zug nach London gestiegen sein. So zumindest erzählt sie es vor OneCoin-Anhängern in einem Video, das am 3. März 2016 auf YouTube veröffentlicht wurde.

Mitte Januar 2018 werden, auf Betreiben deutscher Staatsanwälte und von Interpol, schließlich die OneCoin-Zentrale in Sofia und 14 weitere Firmen durchsucht. Gut zwei Dutzend Menschen arbeiten zu diesem Zeitpunkt dort, erinnert sich einer der Beamten. Die Ermittler betreten das Gebäude durch einen Nebeneingang. Auffällig seien die übergroßen Bilder der Führungsfiguren an den Wänden gewesen, erinnert sich einer, der dabei war. Am 6. Februar 2018 wird Ruja Ignatova vor einem US-Gericht angeklagt, doch die Anklage bleibt versiegelt, um die OneCoin-Führung nicht zu alarmieren.

Räume, Büros, Apartments voller Geld

Das Geld vieler OneCoin-Kunden ist zu diesem Zeitpunkt längst verloren. Es liegt auf Offshore-Konten von Ruja Ignatova, ihrer Familie und Vertrauten. Für die stellt sich bald ein ganz anderes Problem: Es wird zu viel. Wohin also mit dem ganzen Geld?

Eine Möglichkeit: Sie geben es mit vollen Händen aus. Ruja Ignatova kauft Luxusautos. Sie kauft sich eine Yacht. Sie tritt in sündhaft teuren Kleidern auf. Sie feiert ihren Geburtstag im Victoria and Albert Museum und kommt im Rolls Royce vorgefahren. Und sie kauft Immobilien. Viele. Allein in Bulgarien sollen über 20 Millionen Dollar in ein undurchschaubares Geflecht aus Firmen, Verwandten und Immobilien-Deals geflossen sein, recherchierte der Investigativjournalist Nikolay Stoyanov für das bulgarische Magazin Capital.

Für ihr Londoner Apartment in Kensington – über zwei Stockwerke mit Innenpool – soll sie echte Andy Warhols und andere teure Kunst im Wert von mehr als einer halben Million Euro gekauft haben. Die Villa in Dubai soll rund 20 Millionen Dollar gekostet haben.

BuzzFeed News liegt ein bislang unbekannter Kaufvertrag für ein weiteres Penthaus in Dubai vor: fast 500 Quadratmeter im 14. Stock eines Luxus-Hochhauses, gekauft Ende April 2015 für rund 2,7 Millionen Euro von einer Offshore-Firma namens „Oceana Properties Limited“. Dazu liegt uns ein weiteres Schreiben von eben jener Firma vor, in dem bestätigt wird, dass „Deutsch National“ Ruja Ignatova in diesem Penthouse wohnen wird – unterschrieben von Ignatova selbst.

Doch Ausgeben reicht nicht. Bei den enormen Summen müssen kreativere Lösungen her. So soll es im Hauptquartier in Sofia einen Tresorraum gegeben haben, in dem Bargeld gelagert wurde. Ebenso in den Büros in Dubai und Hong Kong. In Hong Kong und in Südkorea soll es sogar eigene Apartments gegeben haben, voll mit Bargeld. „Hunderte Millionen“ sollen dort gebunkert gewesen sein. So sagte es Konstantin Ignatov, der Bruder von Ruja Ignatova, in den USA vor Gericht aus. OneCoin selbst ließ mehrere Anfragen von BuzzFeed News unbeantwortet.

Irgendwann betrügen sie sich gegenseitig

Es mag nicht überraschen, dass die Köpfe hinter einem mutmaßlichen Betrugsnetzwerk irgendwann beginnen, sich gegenseitig zu betrügen. Sebastian Greenwood, der OneCoin mit Ruja Ignatova zusammen gestartet haben soll, soll mehr als 100 Millionen Dollar aus dem Apartment in Südkorea geklaut haben. Ein chinesischer OneCoiner stahl angeblich 30 bis 40 Millionen Dollar. Amer Abdulaiziz, ein Unternehmer aus Dubai, dessen Rennpferde zu den wertvollsten der Welt gehören, soll laut Konstantin Ignatov ebenfalls mehr als 100 Millionen Dollar gestohlen haben, bestreitet dies aber.

Bei den enormen Summen stellt es sich bald als sehr kompliziert heraus, diese unbemerkt über die halbe Welt zu verschieben und verschwinden zu lassen. Im OneCoin-Hauptquartier in Sofia, so berichtet es der Bruder von Ruja Ignatova in den USA vor Gericht, arbeitet darum eine Person, die nichts anderes macht als Offshore-Firmen und Fake-Unternehmen zu gründen – inklusive der zugehörigen Konten bei Banken in aller Welt. Doch auch das reicht nicht. Ruja Ignatova braucht Hilfe – und findet sie bei einer Handvoll international vernetzter Geldwäscher. Einer davon ist Mark Scott, ein amerikanischer Anwalt, von einem US-Gericht jüngst der Geldwäsche und des Bankbetrugs für schuldig befunden.

Unter dem Dach einer Investmentgesellschaft namens Fenero Funds, in der gleich mehrere Firmen steckten, soll Scott 400 Millionen Dollar verschoben haben – Geld von Menschen, die in OneCoin investierten. Die daran beteiligten Banken ließen es zu. Fenero Funds war registriert im Steuerparadies Britische Jungferninseln, von hier wurden die Millionen verteilt auf Fonds und Briefkastenfirmen in der ganzen Welt. Mit solchen Firmen wurde das Geld dann gewaschen – also in reale Werte verwandelt.

Die Cryptoqueen kauft sich ein Erdgas-Feld

Wie das geschah zeigt das Beispiel von Block 3112. Block 3112, das ist ein 9320 Quadratkilometer großes Stück Land an der Westküste von Madagaskar. Darunter lagern 60 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Ruja Ignatova kauft sich ein Erdgas-Feld, über eine Firma namens Cryptoreal. Nach außen tritt diese als Investmendfonds von OneCoin auf. Für die Webseite cryptoreal.com findet sich in den Registrierungs-Daten der Name Ruja Ignatova unter einer Adresse in Sofia. Für 60 Millionen Dollar plus eine dreistellige Millionensumme in OneCoin kaufen Ignatova und ihre Mitstreiter die enormen Gasvorräte. Besiegelt wird der Deal bei einem Treffen in Hong Kong mit dem milliardenschweren Chef der chinesischen Firma, die das Ölfeld verkauft. Dabei ist auch Neil Bush, der Bruder des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der Verbindungen zu den chinesischen Verkäufern hat und extra aus den Vereinigten Staaten nach Hong Kong fliegt, um an diesem Treffen teilzunehmen. Dafür soll er 300.000 Dollar erhalten haben. Auch Neil Bush beantwortete Fragen von BuzzFeed News nicht.

Bei solchen Summen, bei solcher Prominenz kommt niemand auf die Idee, dass OneCoin schlicht wertlos sein könnte. Es ist der Schein, der hier die Türen öffnet. Und den zu wahren, davon versteht Ruja Ignatova etwas: Bei einem Treffen in Hong Kong bringt ihr jemand eine große Tasche Bargeld vorbei, vermutlich mit mehr als einer Millionen Dollar, die Ignatova ihrem Bruder zufolge gleich mitnimmt – zum Shoppen in einer Mall.

Transkript der Aussage von Konstantin Ignatov vor einem US-Gericht.

Insgesamt soll Ruja Ignatova selbst 500 Millionen Dollar aus dem OneCoin-Betrug gezogen haben, so sagte es ihr Bruder aus. Ein beachtliches Privatvermögen, für dessen Verwaltung und Vermehrung sie offenbar schon früh Vorkehrungen trifft.

Unter ihrer deutschen Adresse in Neu-Isenburg und einer anderen Frankfurter Anschrift hat sie vier Webseiten registriert. Darunter: rujaignatova.com und: ravenr.com. RavenR, so war es auf der Webseite der Firma zu lesen, sei ein unabhängiges Single-Family-Office und konzentriere sich auf Vermögensbildung und Kapitalzuwachs durch Investitionen in Unternehmen aus aller Welt: „Das Unternehmen hat die volle Kontrolle über sein Vermögen und die Mentalität eines Gewinners.“

Die Adresse dieses privaten Family-Offices könnte exponierter nicht sein: 1 Knightsbrige in London. Gelegen in der Mitte zwischen Hyde Park und Buckingham Palace. Zehn Leute sollen dort beschäftigt gewesen sein.

Ruja hatte Pläne gemacht, sie wollte nach London umziehen. Das berichteten ehemalige Mitarbeiter von RavenR dem BBC-Podcast „The missing cryptoqueen“. Ob es dazu noch gekommen ist, ist nicht bekannt.

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Ihr Bruder sagte vor den US-Behörden, er habe ihr zwei Flugtickets kaufen müssen. Erst eines nach Wien. Und dann habe sie hektisch die Buchung eines zweiten Tickets nach Athen verlangt – ohne das erste zu stornieren. Am 25. Oktober 2017 steigt Ruja Ignatova in Sofia in ein Ryanair-Flugzeug. In Athen sei sie von zwei russisch sprechenden Männern in Empfang genommen worden. Ihr Bodyguard kam ohne sie zurück. Seitdem ist sie verschwunden.

Nach ihrem Abtauchen übernimmt ihr Bruder Konstantin. Er repräsentiert nun OneCoin als Rujas Nachfolger. Am 6. März 2019 wird er am Flughafen Los Angeles verhaftet. Seitdem kooperiert er mit dem FBI. Er wurde bedroht, erzählt er vor Gericht. Einmal habe ihm jemanden mit einer Pistole im Nacken in einem Mini-Van entführt, ihn in einen Vorort von Sofia gefahren, dort habe man ihm den Finger gebrochen und ihm gesagt: Wenn Ruja mit dem Geld verschwindet, bringe man ihn um. Ein anderes Mal habe sich jemand gemeldet, der sich als ein Anführer der Hells Angels vorgestellt und ihn nach Zürich beordert habe. Dort habe man ihm gesagt, man erwarte, dass Versprechungen erfüllt würden. Das Geld, dass man in OneCoin investiert habe, sei viel mehr Wert als sein Leben. Konstantin Ignatovs Anwälte beantworteten Fragen von BuzzFeed News ebenfalls nicht.

Nachdem weltweit Behörden gegen OneCoin-Verantwortliche ermittelten, nachdem OneCoin-Promoter reihenweise untertauchten und mit Haftbefehl gesucht wurden, Dokumente geleakt wurden, Verbraucherschützer warnten, Journalisten weltweit Recherchen über OneCoin veröffentlichten und Konstantin Ignatov begann, Ermittlern alles zu erzählen – nach all dem dachten viele: Das war es. OneCoin ist tot.

Doch weit gefehlt. Recherchen von BuzzFeed News zeigen: OneCoin lebt weiter. Auf dem afrikanischen Kontinent ging es nach dem Abtauchen von Ruja Ignatova erst so richtig los. Und im One-Coin-Hauptquartier in Sofia wurden längst neue Pläne geschmiedet. Die Idee jetzt: Einen eigenen Online-Marktplatz hochziehen. OneCoin zu DER Währung für Online-Handel machen. Und: Durchhalten – bis zum Tag X, an dem die Weltfinanzsysteme zusammenbrechen und der OneCoin zur Weltwährung wird.

Anhänger von OneCoin tauschen sich in Telegram-Gruppen aus.

Bis heute ist unklar, wohin Ruja Ignatova verschwunden ist. Dass sie verschwunden ist, hat das gesamte OneCoin-Netzwerk überrascht zurückgelassen, bis auf einen: ihren Mitgründer. Dem schrieb sie schon ganz zu Beginn, im August 2014, einen möglichen Plan für einen Ausstieg. Er lautete: „Nimm das Geld, verschwinde und schieb' alles jemand anderem in die Schuhe.“

Fast klingt es wie eine Prophezeiung, was sie ihm nur zwei Wochen später schreibt: „Ich bin sehr unglücklich. Ich fühle einfach, dass die Zukunft nicht sehr aufregend wird, egal, was mit OneCoin wird (...). Der Schaden ist angerichtet. Und ich muss irgendwie damit leben.“

„I hate my life“ schickt sie ein paar Jahre später ihrem Liebhaber per Handy, als sie am Flughafen Frankfurt umsteigen muss und nervös ist, weil sie weiß, dass man nach ihr sucht. Ihr Liebhaber ist es auch, den sie fast schon panisch davor warnt, nicht per E-Mail zu kommunizieren. Es klingt alles ganz anders als das, was man sonst so hörte, von dieser schillernden Figur in teuren Kleidern mit großen Diamantohrringen, die Millionen Menschen als „Cryptoqueen“ auf der ganzen Welt verehrten.

All diese Menschen weltweit ahnten von all dem nichts. Was sie sahen, war nur die Show. Die Zahlen mit den vielen Nullen auf den Werbeveranstaltungen. Ob die Opfer dieser Show ihr Geld noch einmal wiedersehen? Unwahrscheinlich.

In der Staatsanwaltschaft Bielefeld, wo man seit vier Jahren zu OneCoin ermittelt, kann man dazu bis heute nichts sagen. Die Behörde habe von Kollegen im Ausland große Datenmengen überlassen bekommen, man sei damit beschäftigt, diese auszuwerten. Auf die Frage, wann die Ermittlungen womöglich abgeschlossen werden können, antwortet einer der Staatsanwälte: Das ist völlig offen.



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