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Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sagt, was die Polizei auf Facebook, Twitter & Co. darf

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Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, hat nun auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bestätigt: Die Polizei muss sich auch in sozialen Netzwerken an Gesetze halten. Das heißt auch: Blocken verboten!

Wenn Polizeidienststellen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter Profile unterhalten, sind diese Profile „staatliche Informationen“ und wie solche zu behandeln. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem kürzlich veröffentlichten Gutachten.

„Die sind objektiv Medien inzwischen.“

In jüngerer Zeit wurden Polizeidienststellen für ihren Auftritt in sozialen Netzwerken immer wieder kritisiert. Die Gründe dafür sind vielfältig:

Einerseits begannen Polizeidienststellen in bestimmten Einsatzlagen damit, wie Medien und Journalisten zu kommunizieren. Sie werteten Sachverhalte, betonten bestimmte Informationen oder ließen andere Informationen unerwähnt, verteilten Zitate, Infografiken und vieles mehr. Da sich Profile angesichts teils hunderttausender Follower mitunter mehr Reichweite erzielen können, als eine durchschnittliche Lokalzeitung, keine ganz unbedenkliche Entwicklung: „Die sind objektiv Medien inzwischen“, so Manfred Protze, der Sprecher des Deutschen Presserats.

Der zweite Kritikpunkt betrifft nicht den Inhalt, sondern das Agieren der Polizei in den Netzwerken: So wurden mitunter Nutzer geblockt und konnten fortan die von der Polizei kommunizierte Inhalte nicht mehr lesen. Rechtlich nicht ganz unumstritten. Dagegen geht mittlerweile auch die „Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.“ vor:

Eine Auswertung von „netzpolitik.org“ kam kürzlich zu dem Ergebnis: mit all dem „bewegen sich die Polizei-Influencer gelegentlich in einem rechtlichen und ethischen Graubereich.“

Deutliche Worte vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags

Zu einem vergleichbaren Urteil kommt nun der „Wissenschaftliche Dienst“ des Deutschen Bundestags - und hält drei Punkte fest:

1. Auch Tweets sind staatliche Informationen.

Ein Teil der Diskussion drehte sich bislang auch um die Frage, ob Tweets oder Facebook-Posts von Polizeidienststellen den selben Stellenwert haben, wie zum Beispiel eine förmliche Pressemitteilung oder eine Bekanntgabe auf einer Behörden-Webseite. Hierzu kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu einer sehr eindeutigen Beurteilung:

BuzzFeed.de © Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags

2. Blocken ist unzulässig

Wer den Social-Media-Abteilungen in den Polizeidienstellen negativ aufgefallen ist, wurde mitunter dort auch geblockt. Diese Blockierung bedeutet, dass der jeweilige Nutzer danach nichts mehr von dem Account sehen kann, der ihn geblockt.

Für Polizei-Accounts ist diese Praxis umstritten. Kritiker sehen darin ein Aussperren von Bürgern vom Informationsangebot einer Behörde - was unzulässig wäre. Die Polizei Hamburg beispielsweise argumentierte, geblockte Nutzer könnten sich ja einfach einen neuen Account anlegen. Dieser Sichtweise widerspricht der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ziemlich deutlich. Das Blockieren verstoße nicht nur gegen eine ganze Reihe grundgesetzlich geschützter Rechte:

BuzzFeed.de © Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags

Auch sei die Sichtweise, Nutzer könnten sich auch einfach einen neuen Account anlegen, unhaltbar:

BuzzFeed.de © Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags

3. Datenerhebung ist nicht egal

Die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes wiesen auch auf ein weiteres Problem hin: die Datenerhebung beim Betreiber.

Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke erheben Nutzungsdaten - darunter könnte auch zählen, ob, wann und wer geblockt wurde. "Hieraus könnten in der Zukunft weitere Nachteile folgen", so die Gutachter - ein Hinweis darauf, dass auch datenschutzrechtliche Bedenken von den Polizeidienststellen nicht ignoriert werden können.

Bekannt gemacht hatte das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes Andrej Hunko, für "Die Linke" im Deutschen Bundestag. „Die Social-Media-Teams vieler Polizeibehörden verletzen Grundrechte“, schrieb er. „Follower werden ohne Höflichkeitsform angesprochen, Missliebige nach Gutdünken blockiert. Manche Polizeidirektionen speichern Betroffene sogar in einer Datei. Twitter ist damit zu einer unregulierten Spielwiese der Polizei geworden. Das muss aufhören, denn auch im Internet ist die Polizei rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet“, so Hunko weiter.

Er forderte einen Neustart für die rund 300 Twitter-Accounts, die von deutschen Polizeidienststellen betrieben werden, an dem auch Bürgerrechtsgruppen beteiligt werden sollten. „Manche Polizeibehörden nutzen Twitter, Facebook und Instagram zur Meinungsmache, (...). Dies gehört nicht zu ihren Aufgaben und Kompetenzen. Die Polizei unterliegt der Pflicht zur Neutralität, Sachlichkeit und Richtigkeit. Vor allem bei Tweets zu Demonstrationen werden diese Prinzipien oft verletzt. Es handelt sich um eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, wenn Personen durch sinnentstellende Bilder und Hashtags von der Teilnahme an Demonstrationen abgeschreckt werden", kritisierte der Europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

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