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Die Innenminister diskutieren, ob Deutschland wieder nach Syrien abschieben soll

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Darf man Menschen nach Syrien abschieben? Bayern und Sachsen wollen darüber diskutieren. Auf der Innenministerkonferenz aber zeigt sich: Soweit wird es wohl erstmal nicht kommen.

Unter den Innenministern gibt es keine Einigkeit darüber, wie mit der Frage möglicher Abschiebungen nach Syrien umzugehen ist. Boris Pistorius (SPD), Innenminister in Niedersachsen, sagte am Rande der Innenministerkonferenz in Leipzig:

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Pistorius sagte weiter, der Abschiebestopp für Syrien müsse bis Ende 2018 verlängert werden. Während dieser Zeit könne man überlegen, wie weiter vorgegangen werden solle.

"Wer immer glaubt, Syrien sei ein Land, das Ecken hat, in die man sicher abschieben könne, der irrt zum jetzigen Zeitpunkt", so der SPD-Politiker. Über solche Spekulationen würden sich in Deutschland nur die Populisten freuen. "Es mag einem schwerfallen, aber auch für Straftäter gilt Artikel 1 des Grundgesetzes und die Europäische Menschenrechtskonvention", so Pistorius weiter.

Derzeit könne man niemanden nach Syrien abschieben, weil dieses Land nicht sicher sei, sagte auch Holger Stahlknecht, CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt, am Rande des Treffens. "Wenn ich jetzt dorthin abschieben würde, dann würde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das unterbinden, weil ich in ein nicht-sicheres Land abschieben würde. Insofern sind Abschiebungen dorthin derzeit nicht möglich."

Stahlknecht allerdings spielte den Ball zurück an die SPD: Nicht nach Syrien abzuschieben sei eine politische Vereinbarung, und die sei abgelaufen: "Da im Augenblick mit der SPD kein Konsens zu erzielen ist, ist die politische Vereinbarung eines Abschiebestopps ausgelaufen - so dass es im Augenblick keinen politisch vereinbarten Abschiebestopp gibt." Stahlknecht erklärte, für eine neue politische Vereinbarung bräuchte es auch eine neue Bewertung der Sicherheitslage in Syrien.

Zuvor hatte sich auch schon Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) dagegen ausgesprochen, den Abschiebestopp nach Syrien nur um sechs statt wie bisher um 12 Monate zu verlängern.

Bayern und Sachsen hatten diesen Vorschlag vor kurzem ins Gespräch gebracht. "Es geht um Gefährder, Kriminelle und Menschen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung widersetzen", rechtfertigte der amtierende Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Markus Ulbig (CDU) aus Sachsen, den Vorschlag auf dem Treffen.

Die letzte Bewertung der Sicherheitslage sei fünf Jahre alt. Man wolle eine Neubewertung, um auf dieser Grundlage über eventuelle Abschiebungen nach Syrien entscheiden zu können. Das Bestreben hat es auf die ersten Plätze der Tagesordnung der Innenministerkonferenz geschafft:

Sachsen und Bayern wollen über eine "Neubewertung der Sicherheitslage zu Syrien" sprechen, Sachsen auch über eine eventuelle Verlängerung des Abschiebestopps. © BuzzFeed News

Die deutsche Botschaft in Syrien ist infolge des Bürgerkriegs seit fünf Jahren geschlossen. Auf die Frage, mit welchen Informationen man diese Neubewertung vornehmen wolle, wenn keine deutsche Vertretung vor Ort möglich sei, antwortete der amtierende IMK-Vorsitzende Markus Ulbig (CDU): "Das ist nicht Sache der Innenminister. Da vertraue ich auf das Auswärtige Amt."

Sowohl in Bayern als auch in Sachsen wird kommendes Jahr gewählt. In beiden Ländern konnte die rechtspopulistische AfD in letzter Zeit deutlich an Wählerpotential zulegen.

Dem Bundesinnenministerium zufolge leben zur Zeit rund 1.000 Syrer in Deutschland, die ausreisepflichtig sind und keine Duldung haben. Der größte Anteil der Syrer hat in Deutschland einen Schutzstatus. Für eine Abschiebung wäre außerdem eine Zusammenarbeit mit dem Heimatland der Betroffenen nötig, was im Falle Syriens infolge der instabilen Verhältnisse und aufgrund der internationalen Ächtung des Regimes derzeit ebenfalls schwierig ist.

Die Internationale Organisation für Migration warnt hingegen davor, Menschen zu früh nach Syrien zurückzuschicken. Sabine Lehmann, die Sprecherin von IOM Deutschland, sagte BuzzFeed News:

"Von Jan-Okt 2017 wurden nach IOM-Schätzungen 1.452.636 Menschen vertrieben, während 715.000 aus anderen Regionen in Syrien zurückkehrten. 37.635 wurden nach ihrer Rückkehr erneut vertrieben. Die Rückkehr dieser Menschen ist hauptsächlich spontan, und nicht unbedingt freiwillig, sicher oder nachhaltig (mit mehr als 50%, die nur eingeschränkten Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung und Gesundheitsversorgung haben). Dass diese Menschen zurückkehren, kann somit im Moment nicht im Kontext einer langfristigen Lösung gesehen werden."

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