Hass ohne Grund

Eine Person terrorisiert junge Männer, weil sie schwul sind. Eines der Opfer erzählt BuzzFeed News Deutschland jetzt, wie er monatelang Hass und Stalking ertrug – und den vielleicht extremsten Fall von Homofeindlichkeit der vergangenen Jahre überlebte. Der mutmaßliche Täter läuft noch heute frei herum.

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Hass ohne Grund

Eine Person terrorisiert junge Männer, weil sie schwul sind. Eines der Opfer erzählt BuzzFeed News Deutschland jetzt, wie er monatelang Hass und Stalking ertrug – und den vielleicht extremsten Fall von Homofeindlichkeit der vergangenen Jahre überlebte. Der mutmaßliche Täter läuft noch heute frei herum.

Am 18. April 2016 läuft Max O. auf Socken durch den Flur seiner Schule in der Bremer Neustadt und öffnet die Glastür eines kleinen Büros. Auf dem Tisch steht eine weiße Pappschachtel, die an ihn adressiert ist. Neben der Schachtel stehen der Direktor der Schule, ein Lehrer und ein Polizist, erinnert sich Max. Darin liegt ein Trauerkranz, mit schwarzen und dunkelroten Rosen, dazu ein weißer Engel aus falschem Marmor an einem Kreuz. Und eine Karte: „wir trauern um max o.“

Die Männer im Raum sagen Worte wie „Beweismittel“ und „Morddrohung“, aber da hört Max schon nicht mehr richtig zu. „Was ist das, wie soll ich das verstehen, was passiert jetzt, was soll ich jetzt machen?“, erinnert sich Max im Gespräch mit BuzzFeed News an die Gedanken, die ihm damals durch den Kopf schießen. Er fühlt sich benommen. Zurück im Unterricht erzählt er niemanden, was gerade passiert ist. Dann ruft er seine Mutter an. „Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, jetzt geht er in die Knie“, sagt sie.

Max ist eine von zehn Personen, die von mutmaßlich ein und demselben Täter gestalkt und verfolgt worden sind. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt in mindestens vier Fällen. Es handelt sich offenbar ausnahmslos um schwule, junge Männer wie Max.

313 Hassgewalttaten gegen LGBT*s registrierte das Bundesinnenministerium für 2018. Diese Zahl hat nichts mit der Realität zu tun, denn die Dunkelziffer ist riesig. Zum Vergleich: Allein in England und Wales wurden 2017 mehr als 11.000 Verbrechen auf Grund der sexuellen Orientierung erfasst. Hass gegen LGBT*s ist alltäglich, aber in Deutschland gibt es politisch wenig Aufmerksamkeit dafür.

Auch deshalb hat Max sich entschlossen, seinen Fall öffentlich zu machen. BuzzFeed News Deutschland hat den jungen Mann acht Monate lang intensiv begleitet, um erstmals seine Geschichte und die Geschichte dieses drastischen Stalking-Falls zu erzählen. Wir haben in Absprache mit Max darauf verzichtet, seinen Nachnamen zu veröffentlichen, um das laufende Verfahren nicht zu gefährden und ihn vor potentiellen Nachahmern zu schützen.

Der mutmaßliche Täter vergiftete Max' soziales Leben

Was Max erlebt hat, ist in der Masse schwer zusammenzufassen. In einem 14-seitigen Protokoll, das BuzzFeed News vorliegt, hat er einen Bruchteil der Übergriffe dokumentiert. Ein halbes Jahr lang hat der damals noch Minderjährige hunderte, tausende Nachrichten und Drohungen erhalten, online und offline. Fake-Profile auf Facebook, die sich mit geklauten Fotos als er selbst ausgaben, Nachrichten von fremden Facebook-Accounts, SMS, krude Beschuldigungen und Versuche, Max mit privaten und öffentlichen Nachrichten unter Druck zu setzen. Dazu Telefonanrufe, Betrugsfälle, Morddrohungen. Immer mehr Menschen wurden über Monate hinweg hineingezogen, Familie und Freunde, Mitwisser, Fremde.

Erst nach einer Weile versteht Max, dass dahinter eine einzelne Person steckt, deren Ziel es offenbar ist, sein Leben zu zerstören. Und erst viel zu spät verstehen das auch die Menschen, die Max eigentlich helfen sollten.

Der mutmaßliche Täter schüttet alle Kommunikationswege von Max über Monate so mit Hass zu, dass sie für den damaligen Schüler unbenutzbar werden. Und was am Anfang wie eine schlechter Scherz wirkt, vergiftet Max’ soziales Leben: Er wird misstrauisch, vermutet den Täter überall und will gleichzeitig alles alleine in den Griff bekommen, um seine Freunde zu schützen.

Seit drei Jahren wartet Max darauf, dass der mutmaßliche Täter vor Gericht kommt. Inzwischen ist er sich sicher, um wen es sich handelt: ein Mann aus Bremen, der ihn offenbar gezielt ausgesucht, beobachtet und verfolgt hat. Obwohl der mutmaßliche Täter immer ganz in der Nähe war, konnte ihn niemand stoppen. Bis heute ist noch nicht klar, wann es zu einem Prozess kommen wird.

Die Geschichte von Max ist deshalb auch eine Geschichte darüber, wie schwer es ist, einem aggressiven Stalker zu entkommen – vor allem im Internet. Es ist eine Geschichte die zeigt, dass es auch noch heute Menschen in Deutschland gibt, die Homosexuelle für nicht lebenswert erachten. Und die illustriert, wie weit für Opfer der Weg zu echter Hilfe ist – und zu Gerechtigkeit.

Bis Anfang Januar 2016 ist Max ein Schüler, der sich selbst als unauffällig beschreibt. Er ist ein höflicher und fröhlicher Mensch, der einem die Tür aufhält und sagt: „Muss man schauen“, wenn er über die Zukunft spricht. Er ist beliebt, rudert gerne, mag Theater. „Der größte Unterschied, der mich von der Masse abgrenzt, ist meine Homosexualität“, sagt Max.

Dann schickt ihm ein Bekannter eine Nachricht und macht ihn auf einen Account auf Facebook aufmerksam, der sich als Max ausgibt. Über Wochen und Monate entdeckt Max immer mehr dieser Profile, die sich zum Teil als er selbst, als seine Freunde oder Bekannte bezeichnen. Mit diesen Profilen schickt der mutmaßliche Täter ihm unzählige Nachrichten – wie viele, kann Max im Nachhinein nicht mehr sagen. Er bedroht seine Familie, kontaktiert Lehrerinnen und Lehrer und verbreitet Gerüchte, Max würde klauen. Er verkauft über Ebay erfundene Fußballkarten, Handys und Festivalkarten im Namen von Max.

15.02.2016
Ich bekomme den ersten Anruf einer fremden Person, dass sie wissen wolle wo ihr Handy bliebe. Jemand verkauft Mobiltelefone unter dem Namen “[XXX]” mit meiner Handynummer auf eBay Kleinanzeigen. Die Geldübergabe findet per Paypal statt.

14.03.2016
Personen werden angeschrieben "max ist ne schwuchtel"

17.03.2016
Ein gewisser [XXX] bekommt eine Morddrohung von "mir". [...] daraufhin ruft mich jemand mit unterdrückter Nummer an und sagt, er könne alles mit meinem Handy machen.

— Aus dem Protokoll von Max O.

Die Bedrohung greift zunehmend auf die Offline-Welt über. Fremden Menschen wird unter der Telefonnumer von Max angedroht, sie würden ermordet, verzerrte Stimmen rufen ihn auf seinem Handy an. Und die Personen, denen er angeblich etwas verkauft hat, melden sich, immer wieder.

Max ist zu dem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Nicht alle wissen, dass er schwul ist. Der mutmaßliche Täter zwangsoutet Max vor Freunden und Familienmitgliedern, auch seinem Vater und Opa. In der lokalen Zeitung soll eine Todesanzeige mit Max’ Namen geschaltet werden, nur aufgrund der Intervention einer Redakteurin wird die Anzeige nicht gedruckt, taucht aber kurze Zeit später auf den Facebookseiten von Max’ Freunden auf.

An einem Abend halten drei Feuerwehrlöschzüge vor dem Haus, in dem Max wohnt, erzählt seine Mutter BuzzFeed News. Sie vermutet, dass der mutmaßliche Täter einen falschen Notruf abgesetzt hat, er ist in dieser Zeit sehr aktiv. Und dann Facebook, immer wieder Facebook: Eine nicht endende Masse an wirren Nachrichten, Fake-Profilen, Drohungen, Beleidigungen.

Im März tauchen in der Nähe der Schule und an der Domzeile in der Stadt Plakate mit einem Foto von ihm auf, darunter steht: „JA ICH BIN SCHWUL UND DAS IST AUCH GUT SO.“ Max erfährt davon, als er gerade auf einer Party ist. Innerhalb kürzester Zeit vernetzen sich seine Freundinnen und Freunde: Gemeinsam ziehen sie durch die Stadt und hängen die Plakate ab, streifen um das Schulgelände, um den mutmaßlichen Täter zu suchen. „Die Schule stand geschlossen hinter ihm, sie war wie ein Kokon um das Kind“, sagt die Mutter von Max.

Die Plakate, welche von Max O. in Bremen verteilt wurden

Viele der Erlebnisse sind in Max’ Erinnerungen zu einer Masse verschwommen. Wie oft er bei der Polizei war, kann er nicht mehr genau sagen. BuzzFeed News hat die Informationen deshalb mit Familienmitgliedern und Freunden abgeglichen, dutzende Screenshots gesichtet und die zuständigen Behörden kontaktiert. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, sind trotz mehrfacher Anrufe und Emails kaum offizielle Auskünfte zu dem Fall zu erhalten. Auch Max’ Anwalt möchte keine Fragen beantworten.

Auf eine Anfrage an die Schule schreibt eine Sekretärin: „Ich kann Ihnen leider nur mitteilen, dass keiner zum Fall Max O. etwas sagen will beziehungsweise kann.“ Auch die Pressesprecherin der Bildungssenatorin aus Bremen beantwortet konkrete Fragen von BuzzFeed News nicht, sondern verweist allgemein auf Mobbingpräventionsangebote, welche auch an der ehemaligen Schule von Max durchgeführt würden.

Wie schwierig es ist, der Geschichte von Max in allen Details auf den Grund zu gehen, zeigt der Fall einer Bombendrohung. Mehrere mit dem Fall befasste Menschen sagen BuzzFeed News, der mutmaßliche Täter habe angedroht, in einem Rewe-Supermarkt eine Bombe zu zünden. Er sei daraufhin gefasst und auch als mutmaßlicher Täter von Max identifiziert worden. Nach einigen Stunden in Untersuchungshaft sei er aber wieder freigekommen. Doch die verschiedenen Aussagen unterscheiden sich in den Details – und keine offizielle Behörde kann oder möchte sie bestätigen.

Die Liste der Tatvorwürfe in der Anklageschrift beim Amtsgericht Bremen gegen den mutmaßlichen Täter liegt BuzzFeed News vor. Sie liest sich wie die eines Amokläufers, der wahllos in alle Richtungen feuert.

  • Störung des öffentlichen Friedens

  • Volksverhetzung

  • Missbrauch von Notrufen

  • Vortäuschen einer Straftat

  • falsche Verdächtigung

  • Beleidigung/Verleumdung

  • Nachstellung

  • Nötigung

  • Bedrohung

  • Raub/Räuberische Erpressung

  • Betrug

  • Urkundenfälschung

  • Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz

„Im Nachhinein bin ich erstaunt, dass sonst niemand aus unserer Familie größeren Schaden genommen hat“, sagt die Mutter von Max O., deren Namen wir aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich nennen. Denn die Mutter ist wie viele andere auch Ziel der Angriffe geworden, erzählt sie im Telefonat mit BuzzFeed News. Mit einem gefälschten Facebook-Profil habe der mutmaßliche Täter etwa die Information über sie verbreitet, dass sie Brustkrebs habe.

Die Anrufe, Nachrichten und Betrugsfälle belasten die gesamte Familie. In der Zeit der Attacken hat die Schwester von Max gesundheitliche Probleme und muss operiert werden, die Mutter ist auf Wohnungssuche, weil ihr der Mietvertrag gekündigt wurde. Sie geht krank arbeiten und nimmt 15 Kilo ab, häufig gibt es Streit. „Ich hab mich gefühlt als stand ich immer nur irgendwo, und habe versucht Löcher zu stopfen“ sagt sie BuzzFeed News.

Die Schwester von Max, die wir in diesem Beitrag Kathy nennen, ist in dieser Zeit eine seiner wichtigsten Ansprechpersonen. Sie ist eine der ersten, der Max von den Angriffen erzählt. Auch gegen die Schwester habe es Drohungen gegeben, sagt Max. Eine verzerrte Stimme habe ihm am Telefon gesagt: „Ich will Kathy ficken.“

Die Mutter geht zeitweise gar nicht mehr ans Telefon.

Max aber bleibt weiter auf Facebook aktiv, um zu dokumentieren, was ihm und seinem Umfeld passiert. Mehrfach schlägt der mutmaßliche Täter ihm Treffen vor, mehrfach geht Max hin, doch niemand ist da. Er will stark bleiben, eine Lösung finden, alleine. Er will andere schützen und verhindern, dass noch mehr Menschen aus seinem Umfeld bedrängt werden. Aber wer schützt Max?

21.04.2016, 22:04
Der Fakeaccount [XXX] schreibt auf Facebook an meine Pinnwand einen Text:

"Kleiner Hurensohn, vertraut hab ich dir, Dann kommst du daher und spielst mit mir?Elender Bastard, ich ficke dein Leben, Diesen Fehler kannst du nicht beheben.
Zieh dich warm an, Du Blöder Kanacke. Du wirst sehen, was ich mit dir mache.
Du wirst leiden, so wie ich gelitten habe. Schreien und winseln wirst du um Gnade.
Wenn ich erst mal mit dir fertig bin, Wirst du dir vorkommen wie in The Ring.
Ach, und lass mich kurz erwähnen, Dein KLEINER brachte mich zum Gähnen.
Höhepunkte gab es nur für dich, Weißt du überhaupt, wo der G-Punkt ist?"

– Aus dem Protokoll von Max O. –

Einen ganz normalen Schultag in dieser Zeit zwischen Januar und August 2017 beschreibt Max im Gespräch mit BuzzFeed News so: „Bei der Polizei gewesen, zur Schule gegangen, wieder bei der Polizei gewesen, Nachrichten bekommen, aufgeschrieben, protokolliert, nach Hause gekommen, Streit gehabt mit der Mutter oder irgendeine Auseinandersetzung, weil alle gestresst sind, in der Zeit. Natürlich.“

Am 23. Februar 2016 bekommt Max eine Pizza an die Schule geschickt, erzählt er BuzzFeed News. Die Pizza sei untersucht worden, aber sie sei nicht vergiftet gewesen. Am 26. Februar bestellt der mutmaßliche Täter eine CD, auf der steht „glad to be gay“ und lässt sie ebenfalls an seine Schule liefern.

An einem anderen Nachmittag seien plötzlich Menschen auf dem Schulhof gestanden, die von Max und einer seiner Mitschülerinnen Fußball-Tickets kaufen wollen, offenbar durch einen weiteren Fake auf Ebay auf das Gelände gelotst. Max erzählt, er sei nach draußen gegangen, habe versucht, die wütenden Personen zu beruhigen und habe dann mit der betroffenen Mitschülerin gesprochen. „Sie hatte Angst, aber ich hab sie ganz gut beruhigt“, sagt Max.

Andere davon zu überzeugen, dass er selbst nicht der Täter ist, gehört in dieser Zeit zu Max’ Alltag. „Bitte nicht auflegen, nicht auflegen! Ich kann das erklären“, habe er zum Beispiel einer fremden Frau flehend ins Telefon gerufen. Die Frau habe vorgehabt, die Polizei zu rufen, weil sie eine Morddrohung in seinem Namen erhalten habe. Max sitzt in diesem Moment in der Straßenbahn und fährt von der Schule nach Hause, alle Passagiere können mithören.

Es gibt Wochen, in denen der mutmaßliche Täter weniger aktiv ist, an anderen Tagen schickt er dutzende Nachrichten. In der besonders anstrengenden Phase im Frühjahr 2016 bricht Max bei seiner besten Freundin zusammen. Es ist eines der wenigen Male, die Max überhaupt weint. Dann schüttelt er sich, sagt sinngemäß, das bringe jetzt auch nichts, erinnern sich Max und die beste Freundin. „Ich bin sehr gut darin, Menschen zu zeigen, das alles in Ordnung ist“, sagt Max.

Ob er sich alleine gelassen gefühlt hat? Er atmet einmal schwer aus. „Am Ende des Tages ja.“

23.3.2016
Ich rufe [XXX] an, dieser sagt er wollte mich zu dem Treffpunkt locken (am neuen Markt, Bistro Café) habe dann die Polizei gerufen und gesagt es hätte dort einen Überfall gegeben und ein blonder Junge würde weglaufen. Danach schreibt er mir "fast bist du mir in die falle getappt". Außerdem sagt er, er würde mit den Morddrohungen nichts zu tun haben und das ab diesem Zeitpunkt die nächsten 2 Wochen nichts passieren würde da er mit seinem Ruderverein in Königsberg ist und dort kein Internet habe.

26.04.2016 11:55
Ich bekomme eine SMS von meiner eigenen Nummer, in der SMS steht: "HEUTE UM 14,00 UHR BIN ICH AUF DEINER SCHULE AM EINGANG WENN DU EIER HAST KOMMST DU HURENSOHN

26.04.2016 ≈ 21:00
[XXX] postet auf Facebook ein Bild einer Todesanzeige mit Bild vom mir, meinem Namen, meinen Geburtsdaten und dem Hinweis, dass die Trauerfeier in der St. Jakobi Gemeinde stattfindet. Offensichtlich ein Fake, da viele Rechtschreibfehler.

– Aus dem Protokoll von Max O. –

Nach einigen Wochen, etwa gegen Ende Februar und kurz nach dem Vorfall mit den Plakaten, wird es Max zu viel. Er will den mutmaßlichen Täter anzeigen. Gemeinsam mit einer Freundin geht er zur Polizeiwache, doch die Jugendlichen warten mehrere Stunden und fühlen sich dann nicht richtig ernst genommen. Die Freundin erinnert sich im Gespräch mit BuzzFeed News an die Reaktion der Polizistin. Sie sei nicht sicher gewesen, ob die Beamtin die Vorfälle nicht nur für einen einen dummen Kinderstreich gehalten habe.

Mehrfach geht Max zu dieser Polizeistation im Bremer Stadtzentrum, ein mächtiger Bau aus großen, sandfarbenen Steinquadern. Mehrfach habe er versucht zu erklären, dass seine und die Fälle anderer Personen miteinander zusammenhängen, sagt er BuzzFeed News. Max erinnert sich, etwa drei Mal dort gewesen zu sein. Eine Rückmeldung habe er nie erhalten. Stattdessen hätten ihm die Polizisten gesagt, er solle versuchen, nicht so viel auf Facebook zu sein oder das Ganze nicht so nah an sich heranzulassen. Dann habe er etwa im Mai einen Anruf bekommen: Es werde nicht weiter ermittelt – ohne Erklärung, warum.

„Er dachte er geht dahin und kriegt Hilfe – und hat keine Hilfe bekommen“, sagt seine Mutter.

Ähnlich frustrierend erlebt Max den Umgang mit Facebook. „Ohne Ende“ hätten er, seine Freunde und Familie in gemeinsamen Aktionen die Accounts gemeldet. Der Konzern gab an, 2018 innerhalb eines halben Jahres 1,3 Milliarden gefälschte Profile gelöscht zu haben. Der mutmaßliche Täters ist schneller – er erstellt einfach immer wieder neue Profile. Auf Community-Foren der Plattform tauschen sich Menschen aus, die ähnlich wie Max von Stalkern mit Fake-Profilen terrorisiert werden – aber Notfälle erkennt Facebook nur an, wenn sie von Strafverfolgungsbehörden eingereicht werden.

Im April 2016 schaltet sich Max’ Vater ein und engagiert nach eigener Aussage einen Privatdetektiv, um mit zusätzlichen Informationen die Ermittlungen der Polizei zu unterstützen.

Knapp 20.000 Stalking-Opfer verzeichnet die Kriminalstatistik für das Jahr 2017. Schwule oder andere LGBT*s seien davon nicht überdurchschnittlich stark betroffen, sagt Wolf Ortiz-Müller BuzzFeed News am Telefon. Ortiz-Müller ist psychologischer Psychotherapeut und Leiter der Beratungsstelle Stop-Stalking in Berlin.

In Deutschland gebe es vier spezialisierte Stellen, an die sich Stalking-Opfer und Täter*innen wenden können, sagt Ortiz-Müller. Weibliche Opfer finden Unterstützung bei Frauenberatungsstellen, wenngleich diese oft nicht auf Stalking und Cyberkriminalität spezialisiert seien. Männliche Opfer hätten es noch schwerer.

„Wir beklagen das flächendeckend: Es gibt ganz wenig Beratungsstellen, aber da besteht ein großer Bedarf, insbesondere bei Jugendlichen, die auch über die Schulen sensibilisiert werden können. Da könnte man viel mehr machen, auch beim Thema Datensicherheit“, so Ortiz-Müller.

Möglicherweise kam der Täter über das queere Jugendnetzwerk „Du bist nicht allein” an den Kontakt von Max, der in dem Netzwerk aktiv war. Max sagt, er habe mehrfach seine Nummer an Personen herausgegeben, die er dort traf oder mit denen er in Kontakt stand. Über eine diese Personen sei der mutmaßliche Täter möglicherweise an seine Telefonnummer gekommen. „Es war dumm von mir, dass ich mich da sicher gefühlt habe, nur weil ich unter Schwulen war“, sagt Max heute.

Alle Fachpersonen aus der LGBT* und Beratungsszene, mit denen BuzzFeed News gesprochen hat, kennen die zahlreichen Übergriffe des mutmaßlichen Täters bereits aus den Medien. Der Fall ist auch deshalb ungewöhnlich, weil Max O. den mutmaßlichen Täter vor den Attacken nicht gekannt hat – anders als bei den meisten Stalking-Fällen.

Der mutmaßliche Täter von Max ist fünf unterschiedlichen Quellen zufolge Anfang dreißig und wohnt in der Nähe der ehemaligen Schule von Max, in einem unaufgeregten Wohnviertel mit den typisch roten Backsteinen Norddeutschlands. BuzzFeed News hat den mutmaßlichen Täter nicht konfrontiert, um die laufenden Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden und die Opfer nicht erneut in Bedrängnis zu bringen. Was ihn antreibt, darüber kann man nur spekulieren.

„Dahinter steckt ein Vernichtungswunsch.“

Wer selbst nur wenige Lesben und Schwule kennt, sei eher homophob, erklärt der Sozialpsychologe Ulrich Klocke gegenüber BuzzFeed News. Hinzu kämen häufig fundamentalistische religiöse Sichtweisen sowie traditionelle Einstellungen zu Geschlechterrollen. „Solche Idealvorstellungen von Geschlecht werden besonders bedrohlich, wenn sich jemand zusätzlich seiner eigenen heterosexuellen Identität nicht wirklich sicher ist."

In ihrer Identität verunsicherte Männer würden sich dann durch scheinbar maskulines Verhalten – beispielsweise, indem sie Schwule drangsalieren – in ihrer eigenen Männlichkeit bestätigen wollen. Diese Abwertung anderer stabilisiere ihren Selbstwert, erklärt Klocke am Telefon. Er nennt das Phänomen „prekäre Männlichkeit“.

Was der mutmaßliche Täter mit seinem Verhalten bezwecken will, ist relativ klar: „Da wird eine Person einer Gruppe stellvertretend für andere herausgepickt, um zu zeigen, dass es abscheulich ist, so zu leben. Der mutmaßliche Täter will ein Exempel statuieren“, sagt Wolf Ortiz-Müller. „Dahinter steckt ein Vernichtungswunsch.“

Auch wenn schwer erklärlich ist, warum der mutmaßliche Täter genau Max und die anderen jungen Männer angriff, steckt dahinter eine perfide Logik. „Wenn der mutmaßliche Täter keinen Tabubruch darin sehen würde, jemanden zu outen, wäre er ja nicht in der Lage, ihn damit zu erpressen. Das gesellschaftliche Klima spielt immer eine Rolle dafür, ob jemand angreifbar ist“, sagt Christian Linker, der Geschäftsführer des queeren Zentrums Rat und Tat in Bremen.

Häufig fänden diese Angriffe – gerade bei Schwulen – in eigentlich als sicher wahrgenommenen Räumen statt, schreibt Bastian Finke, Leiter des schwulen Anti-Gewaltprojektes Maneo per Email an BuzzFeed News. „Täter dringen gezielt in sicher geglaubte soziale Räume ein, beispielsweise Datingportale, Cruising-Gebiete oder in Bars, um anzubändeln und sie anschließend zu erpressen oder anzugreifen.“

Obwohl gerade diese Räume besonderen Schutz benötigten, gehen auch Anbieter selbst fahrlässig mit den Daten um. Im April 2018 wurde etwa bekannt, dass die Dating-App Grindr den HIV-Status ihrer Nutzer an Drittunternehmen weitergegeben hatte. Um solche Fälle besser ahnden zu können, wurde 2017 der sogenannte Nachstellungsparagraf reformiert.

Doch das wirkte sich in der Praxis überhaupt nicht aus, sagt Herr Winter, der seinen Vornamen aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich machen möchte, gegenüber BuzzFeed News am Telefon. Er ist Leiter des Vereins TOA und des Kriseninterventionsteams Stalking und Häusliche Gewalt in Bremen, der Stalking-Opfer berät und betreut. „Die Möglichkeiten des Strafrechts werden massiv überschätzt.“ Auch er hält es für wichtiger, in die Hilfseinrichtungen zu investieren.

Ohnehin käme das Strafrecht beim Thema Stalking an seine Grenzen: „Strafe nutzt nichts. Menschen, die nichts zu verlieren haben, werden durch Strafandrohungen nicht erreicht. Opfer inhaftierter Täter haben Angst, wann der Täter wieder aus dem Gefängnis kommt und ob er sich rächen will“, sagt Winter. Inhaftierte Täter wiederum fühlten sich selbst als Opfer der Justiz und setzten sich nicht mit ihrem Verhalten auseinander.

17.3.2016
„Den Tag über erreichen mich SMS von Nummern, die nicht vergeben sind, sobald ich sie anrufe. Mir wird unterstellt, ich sein ein "Pädo" und dass ich “die kleinen Kinder in Ruhe lassen soll.

Bis zum 28.03.2016
Fakeaccount [XXX] addet und schreibt Freunden ich hätte Krebs o.ä.

13.4.2016
„XXX“ schreibt mir per Facebook: "du glaubst das war alles ? jetzt erst recht Game over"

– Aus dem Protokoll von Max O. –

Wolfram Franke schaut lange aus dem Fenster, dreht an seinem Ring, schweigt. Er ist Polizist und arbeitet in einer kleinen Polizeistation mitten in der Schule von Max. Sie wurde beibehalten, nachdem das Gebäude von einer Polizeiwache zu einer Schule umgewandelt wurde. Dutzende Male war Max bei ihm in dem kleinen Büro am Ende des Schulflurs. Die beiden vertrauen sich nach so vielen Gesprächen. Als Max den Polizisten im Januar 2019 zum ersten Mal seit mehreren Monaten besucht, umarmt Franke ihn.

Nachdem Max bei der großen Polizeiwache in der Stadt nicht weiterkam und scheinbar niemand wirklich an seinem Fall arbeitete, wurde Wolfram Franke sein Ansprechpartner. Über den mutmaßlichen Täter kann sich Franke auch heute noch aufregen. „Der ist uns auf der Nase rumgetanzt, der hat uns lächerlich gemacht. Macht er jetzt noch. Und das ist natürlich bitter”, sagt Franke.

Auch er hat, ähnlich wie Max, eine Vermutung, um wen es sich handelt. Manchmal sehe er diesen Mann draußen vor dem Fenster lächelnd vorbeigehen. Und auch Franke weiß nicht, wann das Verfahren endlich losgehen wird. „Das kann sich ewig ziehen und ich finde das absolut traurig“, sagt er. Viele Lehrer seien überrascht gewesen, dass Max trotz allem sein Abi geschafft habe. „Ich bewundere Max. Andere wären daran zerbrochen.“

Ob er Max helfen konnte? „Meine Hauptaufgabe war: Wie kann ich die Vorfälle vernünftig zu Papier bringen, um das für die späteren Verfahren festzuhalten? Mehr konnte ich eigentlich nicht tun“, sagt Franke. Auch er habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, wie ernst es ist.

Franke weiß, egal wie sehr ihn der Fall persönlich berührt, am Ende werden seine Notizen über Max nur Teil einer Akte aus Papier, zu einem Fall von vielen auf einem von vielen Schreibtischen. „Dann ist das Engagement nur noch eine normale Sachbearbeitung.“

Es ist nicht so, dass für Fälle wie Max keine Hilfsstrukturen existieren. In Bremen etwa arbeitet das queere Zentrum Rat und Tat direkt mit einer Ansprechpartnerin für LGBT* des Staatsschutzes zusammen. Sie tauschen sich aus, wenn sie Menschen beraten, die homofeindliche Übergriffe erlebt haben. Max hat einen direkten und vertrauten Kontakt zu dieser Ansprechpartnerin beim Staatsschutz, nennt sie beim Vornamen. Auch der Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizei Bremen, Sven Rottenberg, führte ein Gespräch mit Max.

In den Gesprächen mit BuzzFeed News fragt Max auch die Reporterin, ob sie Informationen für ihn hat. Zum Beispiel: „Wer entschädigt die Menschen, denen in meinem Namen Geld aus der Tasche gezogen wurde?“ Oder: „Steht das jetzt in meinem Führungszeugnis?“ Und: „Wann geht der Prozess los?“ Niemand gibt ihm darauf Antworten.

Max sagt, dass er keine Angst hat. Vielleicht ist es seine Art, sich selbst stark zu machen. Überhaupt lebensfähig zu bleiben. Aber man fragt sich, wo der ganze Schmerz eigentlich hingeht. „Ich dachte, ich krieg das hin, das zieht an mir vorbei. Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, dass das nicht stimmt“, sagt Max im Nachhinein.

Schleichend bemerkt er Veränderungen an sich, schaut sich häufiger auf der Straße um, fühlt sich beobachtet. An einem Samstag Ende April 2016, kurz nach dem Vorfall mit dem Trauerkranz, taucht er unter. Max möchte am liebsten verschwinden, ohne jemandem Bescheid zu geben, aber ihm fehlt das Geld. Deshalb weiht er seine Eltern und einen Polizisten ein. Er kauft sich bei Penny eine Pre-Paid Simkarte und leiht sich das alte Handy seiner Mutter, dann verschwindet er etwa eine Woche an einem geheimen Ort.

Als die Freunde von Max ihn nicht mehr erreichen, machen sie sich Sorgen. „Wir haben uns gefragt: Ist was Schlimmes passiert oder braucht er eine Auszeit?“, sagt seine beste Freundin BuzzFeed News.

„Der Hass vergiftet mein Leben“, sagt die Mutter von Max

Für die Mutter ist diese Zeit ganz besonders schwer. Die Polizei habe ihr nicht erklärt, was diese Aktion sollte, sagt sie BuzzFeed News. „Ich habe die Polizei angerufen und gesagt: Ihr schickt das Kind jetzt irgendwohin und legt die Beine auf den Tisch und das ist es dann? Was passiert denn jetzt hier?”, erinnert sie sich. „Kein Mensch hat mich jemals angerufen, und Max war noch minderjährig“, sagt sie rückblickend.

Auch sie braucht eigentlich Hilfe. Noch heute fühlt sie sich erschöpft von der Zeit, hat Schlafstörungen, meidet Menschenmengen. Was sie umtreibt: Dass der mutmaßliche Täter noch immer frei ist. „Ich will dem Täter verzeihen. Der Hass vergiftet mein Leben“, sagt sie BuzzFeed News. Aber: „Eigentlich sind wir noch mittendrin.“

Einige Monate später, Ende Juli 2016, nach der erwähnten Bombendrohung, wird der mutmaßliche Täter nach Informationen von BuzzFeed News von der Polizei verhaftet und wieder freigelassen. Anschließend hören die Belästigungen weitestgehend auf.

Warum genau der mutmaßliche Täter festgenommen wurde und ob es stimmt, dass er wieder gehen durfte, darüber gibt es keine gesicherten Informationen. „Ich verstehe das alles nicht“, sagt Max. Auch wenn die Angriffe ab Sommer 2016 weniger werden, hören sie nie ganz auf. Sporadisch bekommt Max dubiose Freundschaftsanfragen oder Nachrichten des mutmaßlichen Täters. „Die Hoffnung, dass er aufhört, war immer da. Aber ich habe nie daran geglaubt“, sagt Max.

Als er kurz nach Weihnachten 2018 in einer Dorfdisco im Allgäu erneut wegen seiner Homosexualität beschimpft wird, entscheidet er sich, nicht länger anonym bleiben zu wollen, sondern sein Gesicht für diese Reportage bei BuzzFeed News zu zeigen und ruft die Reporterin an. „Ich habe keinen Bock mehr, mich zu verstecken“, sagt er am Telefon.

Max ist heute 20 Jahre alt, bewirbt sich für ein Studium im Ausland. Facebook oder Whatsapp sind wichtig für ihn, um zu kommunizieren. Aber sie erinnern ihn auch an eine Vergangenheit, mit der er eigentlich abschließen möchte. „Die Orte, an denen das stattgefunden hat, sind immer da“, sagt Max. Aber seine Heimatstadt Bremen gibt ihm auch Halt. Hier sind Menschen, die ihm nahe stehen. Für diese Menschen spielt es keine Rolle, wen Max liebt. Für diese Menschen ist er einfach ein Freund, ein Bruder oder ein Sohn.

11.05.2016, 15:00-19:00
Mir werden SMS mit Beleidigungen und zusammenhangslosen Buchstaben geschickt

Ich glaube 01.07.2016
Ich werde von einem Privatdetektiv angerufen. Dieser hat mich geweckt, ich erinnere mich nicht genau an die Worte. Er meinte erst ich hätte einen großen Fehler gemacht, ich fragte ihn was er meine. Er erklärt, dass ich (meine nummer) einer Frau eine SMS geschrieben hätte deren sohn seit 2 Jahren vermisst wird. In der SMS stand: “Ich habe Lars umgebracht. Es tut mir leid”. Lars ist der Sohn. Die Stimme des Mannes klag erwachsen (30-40) und sie war mir nicht bekannt.

– Aus dem Protokoll von Max O. –

Es ist ein Januartag vor wenigen Wochen, an dem es jeden Moment anfangen könnte zu schneien. Max spaziert mit seiner besten Freundin durch die Bremer Innenstadt, sie hat sich bei ihm untergehakt. An der Eingangstür eines schicken Kleiderladens steht in großen Buchstaben: „If you are racist, sexist, homophobic, or an asshole … don’t come in.“ In einem Café ein paar Häuser weiter erzählt Max seine Geschichte, noch einmal. Als er Screenshots der vielen Nachrichten zeigt, muss seine Freundin zu Seite schauen, um nicht zu weinen.

Max muss nicht weinen, aber inzwischen versteht er besser, was ihm passiert ist. Wie schlimm das alles eigentlich war, wird ihm jetzt erst richtig bewusst. In den Gesprächen mit BuzzFeed News sagt er immer wieder, er habe sich falsch verhalten. Er hätte früher zur Polizei gehen sollen. Er hätte nicht glauben sollen, er schaffe das alleine. Er hätte sich nicht abschotten sollen. Er hätte nicht verdrängen sollen, was passiert. Es ist schwer zu ertragen, zuzuhören, wie Max sich selber Vorwürfe macht. Er, der am wenigsten dafür kann, was passiert ist, aber am meisten gelitten hat. Seit einigen Wochen geht er zu einer Beratungsstelle, die ihn unterstützt, psychologisch und rechtlich. Und er hat versucht, Kontakt zu anderen Opfern des mutmaßlichen Täters aufzunehmen – bisher erfolglos.

Ab und zu bekommt er noch Nachrichten über Instagram, Max erkennt den mutmaßlichen Täter an der Art zu Schreiben. „Man entwickelt ein Gefühl dafür“, sagt er. Und: „Ich will, dass er damit aufhört. Dieses Wissen, dass da draußen jemand ist, der junge Schwule potentiell in den Suizid treibt, im 21. Jahrhundert, lässt einen an der Gesellschaft zweifeln.“

Wann es zu einem Prozess kommen wird, kann der Sprecher des Amtsgerichts Bremen auf Anfrage nicht mitteilen. Auch nicht, ob der Prozess öffentlich sein wird. Immer wieder sagt Max, dass er eigentlich selber nicht weiß, wie es jetzt weitergeht. Dass er keine Informationen hat. Also wartet er. Darauf, dass er endlich abschließen kann. Manchmal stellt er sich vor, wie er sich im Gerichtssaal verhalten wird. Verletzlich oder stark. „Ich will ihm zeigen, was er getan hat“, sagt Max. „Aber ich will ihm auch zeigen, dass er sein Ziel nicht erreicht hat.“


Seid ihr Opfer von LGBT*-Feindlichkeit geworden und möchtet uns davon berichten? Ihr erreicht unsere Reporterin unter Juliane.Loeffler@buzzfeed.com


Seid ihr Opfer oder Täter von Stalking oder Cybermobbing? Hier findet ihr Hilfe:


Hintergrund:

Für diese Reportage hat BuzzFeed News über einen Zeitraum von etwa acht Monaten dutzende Male mit Max telefoniert, zahlreiche Nachrichten geschrieben und ihn zwei Mal besucht. Wir haben zusätzlich mit dem Onkel, der Mutter, dem Vater, der Schwester, der besten Freundin und einem ehemaligen Partner von Max gesprochen. Wir haben die Polizei Bremen, die Staatsanwaltschaft, das Amtsgericht Bremen und den Anwalt von Max O. kontaktiert. Fachliche Auskunft haben wir von dem Sozialpsychologen Ulrich Klocke erhalten, dem queeren Zentrum Rat und Tat in Bremen, der Beratungseinrichtung: Stop Stalking, dem Kriseninterventionsteam „Stalking KIT“ bzw. TAO, dem schwulen Anti-Gewaltprojekt Maneo sowie von Sven Rottenberg, dem Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizei Bremen. Der Kontakt zu Max O. entstand über eine Umfrage von BuzzFeed News zum Thema Hass und Gewalt gegen LGBT*.

Über diese Reportage sprechen wir auch in unserem Podcast „Unterm Radar“. Hier hören: