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Diese 84 Personen kämpfen dafür, dass erstmals schwulen und lesbischen NS-Opfern im Bundestag gedacht wird

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Das fordert eine Petition, die heute unter anderem an Wolfgang Schäuble verschickt wurde.

Am kommenden Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, dem 27. Januar 2019, soll im Bundestag erstmals den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus explizit gedacht werden. Das fordern namenhafte Personen aus Wissenschaft und Gedenkkultur in einer Petition, die heute Vormittag verschickt und veröffentlicht wurde.

Darin richten sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble und die gewählten Vizebundestagspräsidentinnen und Präsidenten. Jedes Jahr am 27. Januar wird im Bundestag den Opfern des Holocausts gedacht und dabei eine Opfergruppe besonders hervorgehoben. Im Jahr 2016 etwa wurde Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern gedacht, 2017 Opfern der sogenannten „Euthanasie-Programme”. Im kommenden Jahr sollen Schwule und Lesben erwähnt werden.

Die Unterzeichnenden „bitten den Bundestagspräsidenten sowie sein Präsidium eindringlich, nach mehr als zwei Jahrzehnten am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus 2019 erstmals auch an homosexuelle Männer (unter ihnen vor allem an die KZ-Häftlinge mit dem rosa Winkel), aber auch an lesbische Frauen und andere aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung Benachteiligte und Ausgegrenzte im Bundestag zu erinnern“, heißt es in der Petition.

Mit-Initiator Lutz van Dijk schreibt BuzzFeed News auf Anfrage, nach über 20 Jahren, seit dem ersten Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus 1996, sei es an der Zeit, auch an bislang vergessene Opfergruppen wie homosexuelle Männer und Frauen zu erinnern. „Dies geschieht in den meisten ehemaligen KZ Gedenkstätten in Deutschland bereits überwiegend vorbildlich, die offizielle Politik tut sich hier immer noch schwer. Auch darum hat es so lange gedauert, bis Entschädigungen für Männer, die 1945-1969 noch nach der von den Nazis verschärften Form des § 175 verurteilt worden waren, erst jetzt möglich sind.“

Zudem habe es auch international eine große Bedeutung, dass Menschenrechte sexueller Minderheiten auf höchster Ebene in Deutschland anerkannt werden.

„In der polnischen staatlichen Gedenkstätte Auschwitz, die wie kein anderer Ort für die NS-Vernichtungspolitik steht, gibt es bis heute keinerlei offizielle Erinnerung an homosexuelle Opfer. Hier könnte eine Gedenkstunde im Bundestag sowohl eine Wirkung über Deutschland hinaus haben.“

Unterschrieben ist die Petition von 84 Personen, viele von ihnen Mitglieder und Vorständen namenhafter Fachverbände, etwa des Lesben und Schwulenverbands Deutschland (LSVD), der Magnus Hirschfeld-Stiftung und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Darunter sind auch Aktivistinnen und Aktivisten sowie Holocaustüberlebende wie Esther Bejarano.

An diese Personen richtet sich die Petition: Wolfgang Schäuble (CDU)Petra Pau (Linke)Claudia Roth Grüne)Peter Friedrich (CSU)Wolfgang Kubicki (FDP)Thomas Oppermann (SPD)

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Der erste Gedenktag für Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland fand 1996 statt, der damalige Bundespräsident Roman Herzog hielt eine Rede im Bundestag. Der Tag erinnert an den 27. Januar 1945, an dem das Konzentrationslager Auschwitz und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee befreit wurden.

Hintergrund für das Gedenken an homosexuelle Opfer dürfte auch das im Juni 2017 verabschiedete Entschädigungsgesetz für die sogenannten 175er sein – erstmals werden mit dem Gesetz, das unter Heiko Maas entstand, schwule Männer rehabilitiert und entschädigt, die nach dem Paragraf 175 als Schwule in der Bundesrepublik verfolgt wurden. Der Paragraf gilt als Relikt aus dem Nationalsozialismus und wurde 1994 abgeschafft.

Auffallend ist, dass in dem Petitionstext auch explizit lesbische Frauen erwähnt werden. In der Gedenkarbeit gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob lesbische Frauen als eigene Opfergruppe mit einem Denkmal gewürdigt werden sollen, oder nicht.

BuzzFeed News hat Wolfgang Schäuble um eine Stellungnahme zur Petition gebeten. Die Antwort werden wir gegebenenfalls hier nachtragen.

UPDATE:

22.01.2018, 14:18

Wolfgang Schäuble hat den Initiatoren der Petition am 19. Januar geantwortet. Das Präsidium des Bundestages werde sich „zu gegebener Zeit mit der Planung der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 2019 befassen“ und den Vorschlag prüfen.

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