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Wie Mazedonien zum Knotenpunkt für Pro-Trump-Propaganda wurde

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"Da schwingt auch Stolz mit, dass selbst Teenager in so einem kleinen Land Geld verdienen können, indem sie mit Facebook, Google und den Amerikanern spielen."

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BuzzFeed.de © Getty Images / BuzzFeed News

"Das sind die News des Milleniums!" titelt die Story auf WorldPoliticus.com. Unter Berufung auf anonyme FBI-Quellen heißt es in dem Stück, dass Hillary Clinton 2017 für Vergehen rund um ihren E-Mail-Skandal angeklagt werden soll.

"Eure Gebete wurden erhört", erklärt die Überschrift.

Für Unterstützer von Donald Trump scheint das tatsächlich der Fall zu sein. Sie haben dazu beigetragen, dass der haltlose Artikel auf Facebook über 140.000 Shares, Reaktionen und Kommentare generiert.

Etwa 9650 Kilometer weiter weg, in einer kleinen Stadt in Mazedonien, hat ein junger Mann unterdessen beobachtet, wie sich langsam sein Goodle AdSense-Konto füllt.

Im vergangenen Jahr hat die mazedonische Stadt Veles (45.000 Einwohner) einen digitalen Aufschwung erlebt, seitdem Einheimische mindestens 140 US-Webseiten über Politik angelegt haben - mit Namen wie WorldPoliticus.com, TrumpVision365.com, USConservativeToday.com, DonaldTrumpNews.co und USADailyPolitics.com. Fast alle veröffentlichen aggressiv pro-Trump-Inhalte, die sich an Konservative und Trump-Unterstützer in den USA richten.

Die jungen Mazedonier, die diese Seiten betreiben, sagen, Donald Trump sei ihnen egal. Sie reagieren auf simple wirtschaftliche Anreize: Wie Facebook regelmäßig mit seinen Vierteljahresberichten zeigt, ist ein Facebook-Nutzer aus den USA viermal so viel wert wie ein Nutzer außerhalb der Staaten. Das Prinzip "Fraction-of-a-penny" pro Klick, mit dem Erträge für Onlinewerbung ausgezahlt werden, bringt in Veles sehr viel, auch wenn das Geschäft für Amerikaner schwächelt.

Mehrere Teeanger und junge Männer haben BuzzFeed News erzählt, dass politische Storys auf Facebook zu verbreiten, die beste Art ist, Traffic zu generieren – und die beste Art Facebook-Shares zu generieren, ist, sensationslüsterne und oft falsche Inhalte zu verbreiten, die Trump-Wählern entgegenkommen.

Und so spielt dieser seltsame Knotenpunkt von pro-Trump-Webseiten in der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien eine bedeutende Rolle in der Verbreitung falscher und irreführender Informationen hyperparteiischer Facebook-Seiten, die BuzzFeed News kürzlich in einer Untersuchung diskutiert hat.

Diese Seiten offenbaren die ökonomischen Anreize der Produktion von Fehlinformationen, sowohl in den vermögendsten Werbemärkten und auf Facebook, dem weltweit größten sozialem Netzwerk, als auch in Online-Werbenetzwerken wie Google AdSense.

"Ja, die Informationen in den Blogs sind schlecht, falsch und irreführend, aber die Denkweise ist: Wenn Menschen darauf klicken und damit interagieren, dann nutze es!", erklärt ein Student aus Veles, der eine Seite über US-Politik gelauncht hat und anonym bleiben möchte.

Beispiele von Webseiten über US-Politik, die von Mazedoniern betrieben werden.
Beispiele von Webseiten über US-Politik, die von Mazedoniern betrieben werden. © © 2020 BuzzFeed

Mithilfe von Daten über Domain-Registrierungen und Online-Suchen hat BuzzFeed News über 100 aktive US-Politik-Webseiten identifizieren können, die von Veles aus gesteuert werden. Die größten haben Facebook-Seiten mit Hunderttausenden von Followern.

Hinzu kommen 40 solcher Websites, die in Veles registriert wurden, aber nicht mehr aktiv sind. (Laut einem Report vom letzten April von der mazedonischen Webseite Meta.mk werden sechs pro-Tump-Seiten von Veles aus betrieben, laut dem Guardian sind es 150.)

Den Mazedoniern zufolge, die mit BuzzFeed News gesprochen haben, sind die Gründe rein finanziell.

"Ich habe diese Seite gestartet, um auf einfache Art Geld zu verdienen", sagt ein 17-Jähriger der mit vier anderen Leuten eine Webseite unterhält. "Die Wirtschaft in Mazedonien ist sehr schwach und die Jugendlichen hier dürfen nicht arbeiten. Also müssen wir auf kreative Weise Geld verdienen. Ich bin Musiker, aber kann mir mein Equipment nicht leisten. Hier in Mazedonien ist der Umsatz von einer kleinen Seite ausreichend, um sich vieles leisten zu können."

Viele der Beiträge auf diesen Seiten sind von alternativen oder rechten US-Seiten gesammelt oder komplett plagiiert. Die Mazedonier entdecken irgendwo eine Story, schreiben eine effekthascherische Headline und veröffentlichen sie dann schnell auf ihrer Seite. Dann teilen sie diesen Beitrag auf Facebook, um so Traffic zu generieren. Je mehr Facebook-Nutzer auf den Post klicken, desto mehr Geld verdienen sie durch Werbung auf ihrer Webseite.

Vor ein paar Monaten haben in Veles ein paar Leute mit links-gerichteten oder pro-Bernie-Sanders-Inhalten experimentiert, aber diese haben auf Facebook nicht so gut funktioniert wie Schlagzeilen über Donald Trump.

"Die Leute in Amerika wollen lieber News über Trump lesen", so ein16-jähriger Mazedonier, der BVANews.com betreibt.

Recherchen von BuzzFeed News zufolge sind die erfolgreichsten Storys dieser Seiten fast alle falsch oder irreführend.

Der erfolgreichste Beitrag, den BuzzFeed News auf einer mazedonischen Seite gefunden hat, zum Beispiel, basiert auf einer Story von einer gefälschten News-Webseite. Die Headline von ConservativeState.com lautete: "Hillary Clinton 2013: 'Ich würde gern mehr Menschen wie Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten sehen; sie sind ehrlich und unbestechlich'." Der Post hat nach einer Woche schon 480.000 Shares, Reaktionen und Kommentare auf Facebook gehabt.

Zum Vergleich: Ein exklusiver Bericht der New York Times, nach der Donald Trump 1995 in seiner Steuererklärung 916 Millionen US-Dollar Verlust geltend gemacht haben soll, hatte etwas mehr als 175.000 Facebook-Interaktionen.

Die virale Clinton-Story stammte von TheRightists.com, eine Seite, die zugibt sowohl richtige, als auch falsche Inhalte zu veröffentlichen. E-Mails, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, zufolge hat Clinton in einer privaten Rede bei Goldman Sachs gesagt, sie würde gern mehr erfolgreiche Geschäftsleute in der Politik sehen. Sie hat jedoch Donald Trump in diesem Zusammenhang in keiner Weise erwähnt. Das Zitat in der Überschrift ist falsch.

Die Falschmeldung von The Rightists.
Die Falschmeldung von The Rightists. © The Rightists

BuzzFeed News hat vier der fünf erfolgreichsten Beiträge mazedonischer Seiten als falsch identifizieren können. Dazu gehören Behauptungen, dass der Papst Trump unterstützt und Mitstreiter Mike Pence Michelle Obama "die vulgärste First Lady, die wir jemals hatten" genannt hat. Diese vier Posts haben zusammen über 1 Million Facebook-Interaktionen generiert, was für riesige Traffic-Zahlen und signifikante Werbeerlöse für die Website-Betreiber gesorgt hat, während etliche Menschen falsch informiert wurden.


Die Mazedonier, mit denen BuzzFeed News gesprochen hat, sagen, dass die explosionsartige Verbreitung von pro-Trump-Webseiten in Veles heißt, dass der Markt übersättigt ist, was es schwieriger macht, Geld zu verdienen. Die Leute, die ihre Seiten Anfang 2016 gelauncht haben, verdienen das meiste, sagt der Student. Ein Freund von ihm verdient angeblich 5.000 US-Dollar im Monat "oder sogar 3.000 US-Dollar am Tag", wenn er auf Facebook einen Hit landet.

Der 16-jährige Co-Betreiber von BVANews.com sagt, er unterhalte auch Webseiten zum Thema Gesundheit. Laut seinem Partner ging ihre Seite Anfang dieses Jahres an den Start und hat nun im Durchschnitt 1 Millionen Seitenaufrufe im Monat (die Teeanger wollten keine Umsatzzahlen preisgeben).

Der 17-Jährige und seine drei Partner warten noch darauf, dass Googles AdSense-Programm ihre Seite für Werbeanzeigen freigibt. Zurzeit verzeichnen sie nur 800 Seitenaufrufe pro Tag und haben keine Umsätze. Der Student führt seine Seite seit August, hat aber damit aufgehört sie zu aktualisieren, um sich einer erfolgreicheren Website zuzuwenden, auf der es um Gesundheit und Wellness geht. Er schätzt, es gebe "Tausende" solcher Seiten, die von Veles aus betrieben werden. Wegen der Kombination aus Trump und Facebook, sei US-Politik nur die Gelegenheit des Jahres.

"Ich habe aufgehört, weil ich keinen Spaß daran hatte und wir damit kein Geld gemacht haben, denn es gibt so viele Leute, die schon Sachen posten", erklärt der Student. "Die Leute, die früh angefangen haben, sind diejenigen, die jetzt absahnen."

BuzzFeed.de © BVA News / Via bvanews.com

Von dem Reiz des schnellen Geldes abgesehen, schwingt da auch Stolz mit, dass Web-Kenner – inklusive Teenager – in einem kleinen Land wie Mazedonien Geld verdienen können, indem sie mit Facebook, Google und den Amerikanern spielen.

"Ein großer Teil der Welt hält Mazedonien für primitiv, aber das stimmt nicht", sagt der 17-Jährige.

Die jungen Männer, die diese Webseiten betreiben wissen, dass der Boom bald enden wird. Sie gehen davon aus, dass der Traffic und die Umsätze einbrechen werden, sobald die US-Wahlen vorbei sind. Sie hoffen jedoch, dass ein Sieg Trumps ihre Seiten noch etwas am Leben erhalten wird.

"Wenn Trump verliert, werde ich meine Seite auf Sport ausrichten", so der Partner des 16-Jährigen. "Dann gibt es keine Polit-Themen mehr, [die es wert sind, darüber zu berichten]."

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