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Meine Ost-Kollegen haben mir 13 vollkommen naive Fragen über die DDR beantwortet

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Ich habe viele peinliche Fragen über die DDR, auf die ich gerne eine Antwort hätte. Also habe ich einfach meine ostdeutschen Kollegen gefragt, damit ihr euch nicht blamieren müsst. Das sind ihre Antworten.

1. Findet ihr den Begriff 'Ossi' beleidigend?

Juliane: Es kommt darauf an, wer mich so nennt. Bei Westdeutschen, die mich so ansprechen, denke ich darüber nach, ob sie mich gerade beleidigen wollen. Aber "Zoni" finde ich da eindeutiger und auch ätzender.

Sebastian: Eigentlich nicht. Wobei es da natürlich auf den Absender ankommt. Aber ich denke bei dem Begriff immer an Wolfgang Stumph und seinen sächsischen Singsang in "Go Trabi go". Ich benutze ja selbst sehr gerne den Begriff Jammerossi, wenn ich mich mal wieder über etwas total Banales beschwere.

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BuzzFeed.de © Sebastian Fiebrig

2. Was ist das dümmste Vorurteil, das ihr je über die DDR gehört habt?

Juliane: Alle Ossis waren bei der Stasi. Und umgekehrt: Die Ossis waren heimlich alle Widerstandskämpfer, die die DDR zum Teufel gewünscht haben. Ja, es gab Leute bei der Stasi. Ja, es gab Leute, die gegen den Staat waren. Ich glaube die meisten haben versucht, ihr Leben so gut es geht innerhalb des Systems zu leben

Sebastian: Ich weiß jetzt nicht mehr, ob es das dümmste Vorurteil war. 1993 war ich in Spanien und da fragte mich ein älteres Paar aus Andorra, woher ich denn komme. Als ich Berlin sagte, hakten sie nach, ob ich aus dem guten oder aus dem bösen Teil kommen würde. Ich antwortete natürlich: "Aus dem guten Teil." Es dauerte etwas, bis ich merkte, dass ich mich damit zum Westberliner gemacht habe.

3. Stimmt das mit den Bananen? Gab es wirklich keine in der DDR?

Juliane: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir die Tische voller Bananen gehabt hätten. Und was man nicht kennt, kann man nicht vermissen.

Sebastian: Ich würde Bananen als Mangelware bezeichnen. Es gab sie. Aber das war sehr selten. Mein Bruder und ich hatten das selbe Ritual immer wenn wir vom Training kamen und eine riesige Schlange vor dem Supermarkt sahen. Einer stieg aus dem Bus aus und stellte sich an, während der andere Geld von unseren Eltern holte. Das Lustige: Wir wussten ja nie, wonach die Leute da gerade anstanden. Aber meistens lohnte es sich.

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4. Habt ihr FKK erfunden?

Juliane: Meine Familie war nie am FKK. Ich weiß aus Berichten meiner Freunde, dass es denen auch eher peinlich war, wenn sie zum FKK mussten. Seinen deutschen Ursprung hat FKK laut Wikipedia übrigens in Essen. Selbst das Nacktsein mussten wir also vom Westen lernen.

Sebastian: Erfunden sicher nicht! Aber vielleicht war es die größte Freiheit, die man als Bürger der DDR erfahren konnte. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, dass meine Eltern sehr gerne FKK gemacht haben. Mein peinlichster Moment war übrigens, als ich meinen Schuldirektor am FKK getroffen habe.

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5. Warum gibt es so viele Neonazis in Ostdeutschland?

Juliane: Es gibt so viele Neonazis im Osten, weil die Anständigen es schwer haben, gegen Neonazis aufzustehen, weil sie eingeschüchtert werden und manche lieber irgendwann gehen, als auf die Fresse zu bekommen.

In meiner Kindheit hatte ich nur wenig Kontakt mit Menschen, die nicht aus Deutschland kamen. Das änderte sich schlagartig mit der Wende. Auf einmal gab es türkische Menschen, Sinti und Roma und andere Bevölkerungsgruppen. Aber viele im Osten waren das Zusammenleben mit Menschen anderer Kulturen nicht gewohnt.

Sebastian: Das braucht sehr lange, um das zu erklären.Vielleicht reicht es, wenn ich sage, dass es in der DDR offiziell gar keine Nazis gab. Im Ernst: Es gab natürlich Neonazis und dokumentierte Überfälle von Neonazis in der DDR. Aber weil es sie offiziell nicht geben durfte, wurde nicht darüber geschrieben. Es ist kein Phänomen der Nachwendezeit.

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6. Was habt ihr denn genau bei eurer Jugendweihe gemacht?

Juliane: Ich trug einen dunkelblauen Hosenanzug und sah aus wie eine Postangestellte. Dazu hatte ich wasserstoffblonde, 4 cm kurze Haare und eine einzelne lange, schwarze Strähne rechts in der Stirn. Ich habe von der Familie Geld bekommen und Abends ging ich zu einer Party bei Freunden, die auch Jugendweihe hatten. Dort habe ich mich das erste Mal in meinem Leben betrunken. Mit Canei.

Sebastian: Ich habe keine Jugendweihe gefeiert. Das war 1994 und ich fand die Idee doof, dieses Ritual aus der DDR zu machen, obwohl es dieses Land doch gar nicht mehr gab.

7. Wie hat sich euer Alltag nach der Wende verändert?

Juliane: Wie anders es bei uns war, merkte ich das erste Mal, als ich in einem westdeutschen Supermarkt stand. Da gab es auf einmal ein 20 Meter langes Kühlregal mit Joghurt und 50 Sorten Senf. Damals bekam ich meine erste Barbie. Ich weiß, wie mich diese bunte Produktwelt überforderte und wie großartig ich diesen Überfluss gleichzeitig fand.

Sebastian: Für mich als Kind hat sich nicht wahnsinnig viel geändert. Wir waren ja immer noch die gleiche Familie. Fahnenappelle oder den verpflichtenden Pioniernachmittag am Mittwoch habe ich hingegen nicht vermisst. Für meine Eltern und auch für meine Lehrer war die Umstellung aber sicher viel schwieriger.

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8. Was war der größte "kulturelle Schock", als ihr nach Westdeutschland gekommen seid.

Juliane: Klar, die bunte Konsumwelt in den Ladenregalen. Was mir noch einfällt: Einmal fuhren wir mit der Grundschule nach Bayern. Ich erinnere mich, wie die Verkäuferin uns einmal ansah und fragte, ob wir aus dem Kosovo kämen. Dann gab sie uns fünf Mark.

Sebastian: Ganz ehrlich? Ich war schockiert wie schmutzig alles war. Dieser Schock legte sich erst, als ich mir im Kaufhaus ein Telespiel aussuchen durfte.

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9. Gibt es irgendwas, was ihr an der DDR vermisst?

Juliane: Die Muppet-Show der DDR hieß "Spielhaus". Die war super und die würde ich heute gerne mal wieder gucken. Und ich hatte eine Schallplatte, die ich sehr geliebt habe: "Kinderfest", mit Liedern für einen Kinderfasching.

Sebastian: Ganz ehrlich? Nichts. Ich vermisse rein gar nichts. Aber ich war erst zehn Jahre alt, als die Mauer fiel und habe die prägendste Zeit meines Lebens nach der Wiedervereinigung verbracht.

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10. Warum heißen so viele Menschen Mandy, Ronny und Maik in Ostdeutschland?

Juliane: Ich lese immer wieder, dass englische Namen helfen sollten, der Einmauerung durch den eigenen Staat etwas entgegenzusetzen. Ich mag nicht, dass englische Namen sowas wie ein Trottelindikator geworden sind. Ostdeutsche pflegen ja auch keine Ressentiments gegen Friedrichs, Pauls oder Oles.

Sebastian: Vielleicht eine Form der Abgrenzung, in dem englisch klingende Namen vergeben wurden. Aus heutiger Sicht ist das Vorhaben sicher klar gescheitert.

11. Wie war eure Schulzeit und worin unterscheidet sie sich von der Schulzeit in Westdeutschland?

Juliane: Es gab in der ganzen DDR 12 Schuljahre bis zum Abitur, keine 13. Es gab einen Hort, in dem ich Mittagessen bekam, die Hausaufgaben machte und rumtobte, bis meine Eltern mich abholten. Ich war in der Schach-AG und habe ständig geschwänzt, weil ich Schach total langweilig fand und ständig verlor. Hätte es die DDR länger gegeben, wäre ich wohl Thälmann-Pionier geworden, nicht weil ich die DDR so geil fand, sondern einfach, weil das die meisten machten.

Sebastian: Die Schule in der DDR war deutlich organisierter, strenger, viel leistungsorientierter. Spaß hatte ich trotzdem. Der Übergang an sich war eigentlich eine Katastrophe. In unserer Familie gilt das Schuljahr 1990/91 als das Jahr, in dem fast alle nur Video in der Schule geschaut haben. Es galt zwar noch das DDR-System, aber es gab die DDR nicht mehr. Deshalb haben auch die Lehrer sich nicht mehr engagiert.

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12. Habt ihr mit euren Eltern ehrlich über die Politik in der DDR gesprochen?

Juliane: Ich kann mich nicht erinnern, zu DDR-Zeiten mit meinen Eltern über Politik gesprochen zu haben. Ich war aber auch erst sechs Jahre alt, als die Mauer fiel. Als Teenie haben wir schon über die DDR gesprochen.

Sebastian: Nach der Wiedervereinigung schon. Vorher hatten unsere Eltern Angst, dass wir uns verplappern. Schwieriger ist es mit meiner Großelterngeneration.

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13. Was wolltet ihr Wessis schon immer mal sagen?

Juliane: Redet mit Ostdeutschen statt über sie.

Sebastian: FKK ist das asexuellste überhaupt und hat nichts mit Porno zu tun.

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