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Wie ich daran scheiterte, bei "Hart Aber Fair" Fotos zu machen

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Das Protokoll des härtesten journalistischen Auftrags meines Lebens.

Montag strahlte die ARD die "Hart aber Fair"-Sendung mit dem Titel "Der Gender-Streit: Was darf zu Mann und Frau gesagt werden?" aus. Es war die 2. Version einer Sendung vom März mit dem Titel "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Genderwahn."

Anne Wizorek (Autorin), Gast bei der Sendungen, ist eine gute Freundin von mir. Bereits in der ersten Sendung hatte ich sie ins Studio begleitet. Auch dieses Mal wollte ich dabei sein. Mein Plan: Zeigen, wie es bei "Hart aber Fair" wirklich zugeht.

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20:00 Uhr: Meine erste Begegnung mit dem Metalldetektor

Haltestelle Adlershof. Das klingt wie "Adlernest". Der Name des Internatzimmers von Tarzan und Klößchen in den ersten TKKG Geschichten.

Auf dem Weg von der Bahn zum Studio treffen wir eine SPD-Praktikantin, die heute quasi beruflich im Publikum sitzt.

Während ich mich mit ihr unterhalte, versuche ich total unauffällig und in einer vollkommen natürlichen Bewegung, eine klitzekleine Kamera in meinem Schuh zu verstecken.

Denn von meinem Besuch bei der ersten Sendung im März zum gleichen Thema weiß ich: Am Einlass werden Tasche und Handy abgeben und außerdem wird man noch vom höflichen Metalldetektor-Personal von oben bis unten metalldetektort.

Die Dame an der Gästeliste ist angenehm freundlich.

Ich werde extrem nervös als ich sehe, dass das Security-Personal alle Leute bis runter zu den Knöcheln kontrolliert. Aber jetzt ist es zu spät. Es würde absolut jedem in der Halle auffallen, wenn ich noch mal versuchen würde, meine Kamera tiefer in den Schuh zu schieben.

Ich gebe meine Jacke und Tasche ab, bekomme für beides eine Abholmarke und versuche möglichst lässig dem für mich zuständigen Security-Mann und damit meinem besiegelten Schicksal entgegenzutreten.

Er fängt an, mich unfassbar gründlich abzutasten und fährt mit seinem Detektor meine Arme entlang. Seine erste Frage: "Haben Sie ein Telefon dabei?"

Okay, ich habe sowieso längst verloren. Jetzt einfach nett sein und hoffen, dass ich nicht in den WDR-Kerker geworfen werde: "Nein, das habe ich gerade abgegeben."

Er deutet an, dass ich mich umdrehen soll. Langsam tastet er meinen Rücken und meine Beine ab: "Haben Sie ansonsten irgendwelche Aufnahmegeräte bei sich?"

Verdammt, ich bin geliefert. Entweder ich sage jetzt "Ja", falle auf die Knie und gestehe vor allen anwesenden Wartenden meinen Unterwanderungsversuch oder ich setze mit einem entschiedenen "Nein" alles auf eine Karte.

Das alles passiert gerade in Zehntelsekunden in meinem Kopf. Während der Security-Mann langsam meine Waden hinunter tastet.

Verdammt. Alles für den Dackel, alles für den Club! GEGEN DAS SYSTEM! FÜR BUZZFEED!

SCOTLAND!

20:10 Uhr: Die Angst des Reporters vorm Metalldetektor

Ich drehe mich langsam um und antworte möglichst entspannt: "Keine Aufnahmegeräte. Außer Sie zählen Zettel und Stift dazu."

Der Security-Mann lächelt mich müde an und winkt mich durch, um sich der Person hinter mir zu widmen.

Ich begebe mich Richtung Toilette, um die Kamera und mein Herz aus meinem Schuh zu fischen.

Jetzt ist erstmal alles wie bei meinem ersten Mal im März. Langes Warten, um abgeholt zu werden und ins "Hart aber Fair"-Studio geführt zu werden.

Meine zwei Begleitungen vertreiben sich die Zeit, indem sie zu erraten versuchen, wer der anderen Wartenden wohl welchen Gast der Sendung unterstützt. Zur Wahl stehen neben Anne unter anderem: Wolfgang Kubicki (FDP), Sophia Thomalla (Schauspielerin und LIDL-Testimonial), Birgit Kelle (Autorin von "Dann mach doch die Bluse zu"), Anton Hofreiter (Grüne).

Ich versuche immer noch, meinen Puls runterzuregeln und entscheide mich dafür, dass ein Schluck Wasser vom Getränketisch dabei nicht schaden kann. Statt Wasser gieße mir in meiner Verpeilung ein Glas Tonic Water ein.

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BuzzFeed.de © Jörg Carstensen / picture alliance / dpa

20:45 Uhr: Ich fühle mich wie in "The Shining" und brauche einen Schnaps

Endlich geht es los. Wir werden mit den anderen Begleitern der Gäste eingesammelt und Richtung Studio geführt. Dafür geht es an den Kulissen einer anderen Talkshow vorbei. Leider kann ich nicht erkennen, welche.

Nach und nach platziert die nette Dame von der Gästeliste die Leute strategisch auf der Tribüne. Wir werden ganz vorne ganz links in die allererste Reihe gesetzt.

Gemischt wird offenbar nach Supportgruppe der Gäste und nach einem gesunden Frauen-Männer-Verhältnis. Ich frage mich, ob das wohl bei jedem Thema so sorgfältig getan wird.

Hinter uns wird ein Herr (etwa Ende 30, frisch frisiert und im schwarzen Anzug mit leicht aufgeknöpften Hemd) gesetzt, dessen Persönlichkeit ich am ehesten mit "laut denkend" beschreiben kann. Dazu aber später mehr.

Abgesehen von den Zuschauern stehen überall wichtig aussehende Menschen rum. Ton, Licht, Kamera, Sendungsleitung, Security. Alle gut daran zu erkennen, dass jeder von ihnen schwarz trägt. Weshalb ich meine Kamera aber auch lieber noch in der Hosentasche lasse.

Der Herr hinter mir wendet sich an die Dame, die gerade die letzten Zuschauer zum Platz bringt: "Ich geh übrigens ins Fitnessstudio. Wenn ihr noch wen braucht, der ins Fitnessstudio geht …"

Das Muster des in rot gehaltenen Studios erinnert mich an den Teppich im Hotel von The Shining.

Auf Bildschirmen über der Kulisse wird uns tonlos eine Auswahl alter "Hart aber Fair" Ausschnitte vorgespielt. Genau wo der mit Peter Maffay zu Ende geht, wird der Ton hochgedreht.

Auf dem leeren Tresen stehen sieben Wassergläser. Am Platz von Plasberg steht ein Glas Cola. Die schmeckt bestimmt noch total frisch, wenn die Sendung in 45 Minuten losgeht.

Dem Publikum wird jetzt ein Clip über Alzheimer gezeigt. Ich frage mich, ob man uns etwas sagen möchte.

Eine Dame kommt ins Studio und wischt den Boden an den Stellen, wo eben noch die Zuschauer entlanggingen.

Plötzlich lautes Geschrei. Schon wieder ein neuer Clip. Michel Friedman brüllt Ulrich Kienzle an.

Ich wäge ab, was ich jetzt lieber hätte. Einen Schnaps oder den Ausgang.

Noch während Frank Walter Steinmeier in den Bildschirmen über der Kulisse über seine Niere redet, betritt Frank Plasberg das Studio und begrüßt uns.

Quasi auf's Wort genau macht er die gleichen Witze wie damals vor einem halben Jahr.

Der Hauptwitz geht so: Wir müssten später alle beim Abbau helfen. Dem Öffentlich Rechtlichen Rundfunk ginge es doch so schlecht. Er selber hätte deswegen zum Beispiel auch einen Zweitjob. Zum Mindestlohn von 8,50 die Stunde würde er bei den Berliner Verkehrsbetrieben die Ladestationen der Elektrobusse putzen.

Aber wir haben Glück: Wer während der Sendung fleißig applaudiere, der dürfe hinterher ohne beim Abbau anzufassen nach Hause gehen.

Ich frage mich, ob er diese gleichen Witze seit (mindestens) März vor jeder Ausgabe erzählt hat. Das wären immerhin 16 weitere Male. Wie sich seine anwesenden Kollegen wohl jedes Mal dabei fühlen?

Der Herr hinter mir schafft es übrigens nicht, während dieser Einleitungsrunde still zu sein. Mehrfach wendet er sich an Plasberg. Einmal schlägt er vor, noch weitere Gäste telefonisch in die Sendung zu schalten.

Ich überlege, warum ich mich eigentlich zwischen Schnaps und Ausgang entscheiden soll, wenn doch eigentlich auch beides ginge. Die Sendung hat noch nicht mal angefangen.

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20:51 Uhr: "Sind das Femen oder können die weg?"

Plötzlich steht die nette Gästelisten-Platzanweisungs-Dame neben uns. Sie würde zwei von unserer Gruppe (mich eingeschlossen) darum bitten, unsere Plätze linksaußen gegen andere in der anderen Hälfte der Tribüne zu tauschen.

Wir sind ein wenig verdutzt, folgen der Dame jedoch an die Seite und bekommen vom Sendungsleiter freundlich aber autoritär erklärt, dass es um die Studiosicherheit ginge. Viel mehr scheint er gerade nicht erzählen zu wollen. Aber an uns soll es nicht liegen.

Wir wandern mit der Dame hinter der Kulisse auf die andere Studioseite, wo wir nun die Plätze von zwei Frauen einnehmen sollen. Diese werden im Tausch auf unsere alten Plätze gesetzt. Ich frage mich, was wir wohl falsch gemacht haben. Bin ich aufgeflogen? Werde ich gleich von Herrn Plasberg höchstpersönlich vor dem ganzen Publikum vorgeführt? Oh mein Gott!

Außerdem habe ich auf meinem neuen Platz mindestens ein Viertel weniger Beinfreiheit. Ich fühle mich, als hätte man mich von Business Class auf Ryan Air heruntergestuft, ohne auch nur einen Grund zu nennen. Und dabei bin ich doch noch nie Business Class geflogen.

Wir vermuten, dass die Aktion mit dem Herren hinter uns zu tun habe. So richtig begründen können wir das aber auch nicht.

Später erfahren wir, dass man die beiden Frauen, die nun auf unseren Plätzen direkt am Ausgang sitzen, kurzzeitig im Verdacht hatte, zu Femen zu gehören.

Wie sich aber wohl rausstellte, gehörten sie stattdessen zum Auswärtigen Amt.

Endlich kündigt Plasberg nacheinander die Gäste an und bittet sie auf ihre Plätze.

Es sind noch immer knapp 10 Minuten bis zum Beginn der Sendung. Ich halte das langsam alles nicht mehr aus. Aber okay, was kann jetzt noch passieren.

Auf den Bildschirmen über der Kulisse wird die laufende Sendung Beckmann eingespielt.

Reinhold Beckmann besucht Landwirte auf ihren Schafsweiden und befragt diese zu ihren jeweiligen Wolfs-Abwehrmaßnahmen.

Ich bin überrascht, wie sehr sich Beckmanns Sendung geändert hat, seit ich zum letzten Mal eine ganze Ausgabe davon gesehen habe.

Es scheint tatsächlich normal zu sein, dass das ganze Studio nun die letzten 10 Minuten bis zum Sendungsbeginn still Beckmann schaut. Der auf einer Stufe vor den Gästen sitzende Frank Plasberg eingeschlossen.

Reinhold Beckmann steht mit einem Telefon vor einem Esel und spielt diesem Wolfsgeheul vor.

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Hoffentlich gibt es nach der Sendung Schnaps.

21 Uhr: Die Sendung beginnt!

21:05 Uhr: Ich fühle mich wie in einem "Media Markt"-Prospekt

Ist mein Platz gerade noch enger geworden?

Vor lauter Kameras zwischen dem Publikum und den Studiogästen, ist es teils ziemlich schwer, der Unterhaltung zu folgen. Eventuell ist das genau der Grund, dass ich schon aus der ersten Sendung herauskam und dachte, "Och, das hätte eigentlich schlimmer sein können".

Die ersten 40 Minuten der Sendung geht es einzig um die Kritik an der alten Sendung und das Entfernen dieser aus der ARD Mediathek.

Hinter den Gästen wird dazu permanent die Frage "Zensur?" eingeblendet. Ich habe das Gefühl, vor einem Media Markt Prospekt zu sitzen.

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21:45 Uhr: Meine Stunde ist gekommen! Ich fotografiere investigativ bei "Hart aber fair"! James Bond ist ein Scheißdreck gegen mich!

Ich habe den Eindruck, dass sich Jörg Schönenborn relativ gut mit seinen Argumenten hält. Trotzdem habe ich beim Hören seiner Stimme permanent das Bedürfnis, einen Zettel in irgendeine Wahlurne zu stecken.

Ansonsten scheint Wolfgang Kubicki den Begriff "Zensur" mit Absicht falsch zu verstehen. Aber das macht ja nichts. Ist ja nicht so, dass er Politiker oder Anwalt oder so ist und sowas wissen müsste.

Gegen Ende des Teils der Sendungskritik ziehe ich meine Kamera aus der Tasche, um schnell ein paar Schnappschüsse für diesen Beitrag zu schießen. Wobei mir auffällt, dass ich die Kamera seit knapp drei Jahren nicht mehr bedient und keine Ahnung habe, welcher der einzigen zwei Knöpfe eigentlich was macht.

Nervös probiere ich mich an diversen Einstellungen. Immer wieder die roten Lichter auf den Studiokameras im Blick, damit ich ja nicht On Air dabei erwischt werde. Irgendwann kann ich ein paar Fotos schießen.

Ich freue mich über meinen "Erfolg" und versuche, die Kamera vorerst wieder unbemerkt in meiner Tasche verschwinden zu lassen.

Habe ich erwähnt, dass mein Sitzplatz furchtbar klein ist?

Aus Mangel an Bewegungsfreiheit schaffe ich es, die Kamera nicht wie ein normaler Mensch in meine Hosentasche zu stecken, sondern sie direkt unter meinen Stuhl zu werfen.

Kein Problem, hat niemand mitbekommen. Heb ich einfach unbemerkt während des nächsten Einspielers auf.

Habe ich erwähnt, dass mein Sitzplatz furchtbar klein ist?

Ich muss feststellen, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, das Ding aufzuheben, ohne dafür halb unter meinen Stuhl zu kriechen. Etwas, das ich während einer Livesendung dann doch erstmal lasse.

Scheiße.

22:15 Uhr: Und täglich grüßt das Ampelmännchen.

Ach so, die Sendung. Kurz: Nachdem der besagte Teil der Sendungskritik abgeschlossen ist, geht es etwas halbherzig wieder um die gleichen Dinge wie in Sendung Eins. Also berechtigte Fakten und Argumente auf der einen Seite und absichtliches Missverstehen und Ignorieren auf der anderen.

Sophia Thomalla schafft es zwischendurch auf sehr absurde Art, mir ein kleines bisschen leid zu tun. Was mich so irritiert, dass ich in Erwägung ziehe, doch unter meinen Stuhl zu klettern.

Insgesamt wird auch Teil zwei der Sendung hauptsächlich nur von der Redaktion dafür genutzt, im März verlorenes Terrain wieder gut zu machen.

Bleibt abschließend nur noch die wichtigste Frage des Abends:

Ist Frank Plasberg eigentlich der Opa aus Disneys "Oben"?

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Aber das ist eine Frage für eine andere, knallharte investigative Recherche.

Hier das Ergebnis dieser knallharten Recherche hinter den Kulissen der deutschen Systempresse. So sieht es bei "Hart aber Fair" wirklich aus!

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Correction

08.09.2015, 12:05

In einer älteren Version dieses Artikels ist vom "Adlerhorst", nicht vom "Adlernest" die Rede. Obwohl der Begriff "Adlerhorst" mehrfach auf den TKKG-Kassetten benutzt wird, ist "Adlernest" die korrekte, ursprüngliche Betitelung. Außerdem wurde dieses als Internatszimmer von Tarzan und Karl bezeichnet, nicht von Tarzan und Klößchen.

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